Wetter passt, Social Distancing nicht: Frühsommerabend in Malmö. Bild: EPA
Der schwedische Sonderweg wurde von der ganzen Welt aufmerksam beobachtet. Zu Beginn schien er sich auszuzahlen, doch mittlerweile hat der Wind gedreht. Diese drei Punkte zeigen eindrücklich, warum der schwedische Weg gescheitert ist.
Schweden verzichtete als eines von sehr wenigen Ländern auf weitreichende Massnahmen im Kampf gegen das Coronavirus. So wurden Schulen und Kindergärten nicht geschlossen. Die Bürger wurden unter anderem lediglich gebeten, Abstand zu halten, sich immer wieder die Hände zu waschen und auf Reisen zu verzichten.
Was anfangs von diversen Seiten gelobt wurde, – und einige forderten den gleichen Weg für die Schweiz – scheint doch nicht zu klappen. Selbst der Epidemiologe Anders Tegnell, der die schwedische Regierung im Vorgehen gegen das Coronavirus berät und sich für den gewählten Kurs verantwortlich zeichnet, antwortete kürzlich in einem Interview auf die Frage, ob «zu viele Schweden zu früh gestorben seien», knapp: «Ja, absolut.»
Anders Tegnell gestand diese Woche ein: Der Sonderweg war nicht optimal gewählt. Bild: keystone
Weiter erklärte Tegnell, dass er den Weg so nicht mehr wählen würde:
Anders Tegnell, schwedischer Staatsepidemiologe
Schauen wir genauer hin, warum man Schwedens Sonderweg tatsächlich als gescheitert betrachten kann.
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Der WHO meldete Schweden bis am 3. Juni 38'589 Corona-Fälle. Damit liegt das Land im europäischen Vergleich an 11. Stelle.
Beim Blick auf die Fallzahlen pro 100'000 Einwohner zeigt sich aber, dass Schwedens Kurve als eine der wenigen noch steil nach oben zeigt. Italien wurde eingeholt, und auch Spanien dürften die Nordländer in den nächsten Tagen und Wochen noch überbieten.
Insgesamt weisen in Europa nur noch fünf Länder mit mehr als drei Millionen Einwohnern proportional zur Bevölkerung mehr Corona-Fälle aus als Schweden. Es sind dies:
Weltweit toppen diese Zahlen noch Kuwait (709 Fälle), Singapur (637), Chile (629), die USA (570) und Peru (556).
Auch bei den aktuellen täglichen neuen Fällen sieht die Bilanz für Schweden nicht erfreulich aus. In der letzten Woche (28. Mai bis 3. Juni) meldete das Land 3501 neue Infektionen. In der Schweiz waren es gleichzeitig lediglich 85.
Die Grafik zeigt, wie die Schweiz das Virus in den letzten Wochen immer mehr eindämmen konnte, während die Infektionen in Schweden praktisch gleich blieben.
Verglichen mit den restlichen Ländern Europas meldeten nur Russland, Grossbritannien, die Türkei, Frankreich und Weissrussland mehr neue Fälle als die Skandinavier.
Und brechen wir hier die Resultate ebenfalls auf die Einwohner herunter, zeigt sich: Weissrussland liegt mit 55 neuen Infektionen pro 100'000 vor Russland mit 36 und Schweden mit 34 Fällen.
Ein ganz düsteres Bild zeichnet sich bei den Zahlen zu den Corona-Toten pro Einwohner. Wie die Financial Times berechnete, liegt Schweden da seit einigen Tagen mit 4,5 schon an der Spitze in Europa.
Entwicklungen der Todesfälle pro Million Einwohner. Auf der Seite der «Financial Times» lassen sich hier auch andere Länder auswählen. screenshot: financial times
Weltweit weist aktuell nur Brasilien (4,7 Tote pro Million Einwohner) eine leicht höhere Quote aus. Allerdings sind die Länder Lateinamerikas da zeitlich noch etwas zurück. Auch Peru, Mexiko und Chile beklagen eine steigende Anzahl Todesopfer.
Bei der Gesamtzahl von Covid-19-Todesfällen steht Schweden bei 4468 (Schweiz: 1660 Tote). Auch dies ein hoher Wert für ein Land mit rund 10 Millionen Einwohnern.
Runtergerechnet auf 100'000 Einwohner weist Schweden damit aktuell 46 Tote aus. In Europa mussten bisher Belgien (83), Spanien (60), Grossbritannien (60) und Italien (57) mehr verzeichnen. Allerdings gilt insbesondere zu beachten, dass Belgien im Gegensatz zu anderen Ländern dem Coronavirus aufgrund unterschiedlicher Zählmethoden mehr Tote zurechnet.