International
Deutschland

Chemnitz: Wie Hetze per Whatsapp verbreitet wird

27.08.2018, Sachsen, Chemnitz: Polizisten stehen in der Innenstadt am Karl-Marx-Monument bei einer Kundgebung der rechten Szene, um ein Aufeinanderprallen von rechten und linken Gruppen zu verhindern. ...
5000 rechte Demonstranten kamen am Montag in Chemnitz zusammen.Bild: dpa

Ein Chemnitzer erzählt, wie Hetze per WhatsApp verbreitet wird

30.08.2018, 06:4730.08.2018, 07:05
Felix Huesmann / watson.de
Mehr «International»

Sonntagnachmittag in Chemnitz. Bereits einige Stunden nach dem tödlichen Messerangriff auf einen 35-Jährigen verbreitet sich ein Aufruf zu einer spontanen Demonstration im Internet. Die Demonstration endet schliesslich in Jagdszenen, Neonazis greifen Migranten an.

Der Aufruf zur Demo wurde auch von Privatpersonen per WhatsApp verbreitet. Einer, der das miterlebt hat, ist Martin S. aus Chemnitz. Martin ist Mitte 30 und heisst eigentlich anders. Damit er nicht selber in den Fokus von Rechtsextremen gerät, haben wir seinen Namen geändert.

«Am Sonntag ging es direkt los», erzählt er. «Der Aufruf von ‹Kaotic Chemnitz› wurde von diversen Leuten als Screenshot geteilt und als WhatsApp-Status gepostet. Da habe ich mich schon gefragt: Wissen die eigentlich, was sie da posten und wer dahinter steckt?»

Rechtsextreme in Chemnitz bedrohen Journalisten

Video: watson/felix huesmann, lia haubner, marius notter

Dahinter steckt eine Ultra-Gruppe, die sich aus dem rechtsextremen Milieu rekrutiert.

«Normale Leute haben das verbreitet»

Die Aufrufe hätten schnell die Runde gemacht, sagt Martin. «Die Leute, die das geteilt haben, waren in Anführungszeichen ‹ganz normale Leute›. Von der Arzthelferin, bis zum Müllmann.»

Nicht nur als Status, auch in WhatsApp-Gruppen wird der Protest-Aufruf geteilt.

«Ich habe in der WhatsApp-Gruppe meiner ehemaligen Arbeitsstelle mehrere Nachrichten zu dem Vorfall bekommen. Sonst werden dort die typischen ‹Männervideos› und lustige Bilder für den ‹Daily Fun› gepostet. Am Sonntag wurde da aber auch schnell das ‹Kaotic›-Bild verbreitet, dann kam eine Sprachnachricht von einer Person mit angeblichen Details über die Tat. Dadurch wurde das alles weiter aufgeheizt und angestachelt.»

Nach der eskalierten Demonstration am Sonntag verschickt ein Mitglied der Gruppe eine Sprachnachricht, in der es berichtet, wie «Kanacken» gejagt werden. In anderen Sprachnachrichten werden mittlerweile widerlegte Falschnachrichten verbreitet: Dass offenbar ein zweites Opfer verstorben sei etwa, oder dass der Tat die Belästigung einer Frau vorangegangen sei.

Vor allem die Falschinformation über einen zweiten Toten verbreitet sich im Laufe des Sonntags auch ausserhalb von Chemnitz rasant. Sogar international wurde sie tausendfach geteilt, wie Recherchen von Motherboard zeigen.

Auch der geleakte Haftbefehl wird per WhatsApp verbreitet

Nach der zweiten Demonstration am Montagabend, die erneut eskaliert, geht die Stimmungsmache per WhatsApp weiter. «Nach der Demo wurde dann ein Bild von Migranten mit einer Antifa-Fahne verbreitet und sich darüber echauffiert», berichtet Martin. 

Und auch der illegal veröffentlichte Haftbefehl gegen einen der beiden Tatverdächtigen des Messerangriffs verbreitet sich unter anderem per WhatsApp. Am Dienstagabend leitet jemand eine Kopie des Haftbefehls an die Gruppe weiter, in der auch Martin Mitglied ist – komplett ungeschwärzt.

In den meisten Versionen, die Rechtsextreme im Internet veröffentlicht hatten, war zumindest die Wohnanschrift des Tatverdächtigen unkenntlich gemacht. Die rechtsextreme Gruppe «Pro Chemnitz» verband die Veröffentlichung des Haftbefehls direkt mit einem Spendenaufruf und Werbung für die nächste rechte Kundgebung am Donnerstag. 

Auch die nicht-öffentliche Verbreitung in WhatsApp-Gruppen dürfte zur Mobilisierung beitragen – mit dem Unterschied, dass die Ausmasse dieser Mobilisierung von aussen schwer einzuschätzen sind. 

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
26 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Vio Valla
30.08.2018 09:43registriert Januar 2017
Naja ich habe leider auch mitbekommen, dass dieser Haftbefehl auch von linker Seite ungeschwärzt verbreitet wurde, einfach mit dem Hinweis, was da bei der Polizei/Staatsanwaltschaft wohl schief läuft... 🤦🏻‍♀️
Auch interessant ist es, wie der Hitlergruss in gewissen FB Gruppen rechtfertigt wird, ja sogar begrüsst wird. Genau von den Leuten, die sich ja immer lautstark darüber beschweren, dass sie keine Neonazis/Rechtsextreme sind, nur weil sie die Migrationspolitik kritisieren...
00
Melden
Zum Kommentar
26
Donald Trump hat sich entschieden: Darum kommt er nicht ans WEF
Deutschlands Kanzler Scholz, Argentiniens Präsident Milei und ein Putin-Versteher treten am WEF auf, wie die «Schweiz am Wochenende» erfahren hat. Was aber ist mit dem künftigen US-Präsidenten Trump?

Erst wenige Tage vor dem Jahrestreffen, das vom 20. bis zum 24. Januar 2025 stattfindet, veröffentlicht das Weltwirtschaftsforum seine Gästeliste. Dennoch liegen der «Schweiz am Wochenende» verlässliche Angaben zu den Teilnehmern vor.

Zur Story