Alle Seiten müssten sich für ein Ergebnis einsetzen, «hinter dem wir stehen können und das wir vor unseren Leuten rechtfertigen können», sagte May nach Angaben ihrer Regierung am Donnerstagabend bei einem Abendessen mit den EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel.
May richtete demnach eine direkte Bitte an ihre europäischen Kollegen: «Es besteht die klare und dringende Notwendigkeit, dass die Dynamik, die Sie schaffen, uns gemeinsam voranbringt.»
Die Premierministerin verwies vor ihren Kollegen darauf, dass sie kürzlich mit ihrer Grundsatzrede in Florenz selbst die Initiative ergriffen und damit für einen «neuen Geist» in der Brexit-Debatte gesorgt habe. «Ich habe die Schwierigkeiten erkannt, in denen der Prozess steckte», sagte sie demnach.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel glaubt derweil nach eigenem Bekunden fest an einen Erfolg der Verhandlungen. «Ich habe da eigentlich überhaupt gar keinen Zweifel, wenn wir geistig alle klar sind», sagte sie am frühen Freitagmorgen beim EU-Gipfel in Brüssel. Sie sehe «null Indizien dafür, dass das nicht gelingen kann».
Wichtig sei nun auch, wie die EU das Mandat für die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zu Grossbritannien formuliere. «Deshalb sehe ich den Ball nicht nur bei Grossbritannien», erklärte Merkel. «Gleichermassen sehe ich ihn auch bei uns.»
Die EU müsse sich überlegen, «was denn unsere Antwort auf eine nicht vollständige Einhaltung der Freiheiten des Binnenmarkts» sei. Grossbritannien habe sich noch nicht erklärt, aber auch die EU habe noch keine klare Festlegung.
Beim Appell an ihre Kollegen hatte May nach Angaben aus britischen Regierungskreisen auch innenpolitische Zwänge im Auge. In ihrer Konservativen Partei erhalten radikale Austrittsbefürworter Zulauf, die sich einen «harten Brexit» – also ein Ausscheiden Grossbritanniens aus der EU ohne Einigung mit Brüssel – vorstellen können.
Der Brüsseler Gipfel wird vorerst noch nicht grünes Licht für den Übergang in die zweite Verhandlungsphase zu den künftigen Beziehungen geben. Hauptgrund für die Verzögerung sind fehlende Fortschritte in den Gesprächen über die Finanzforderungen der EU an Grossbritannien. Sie werden in Brüssel auf 60 bis 100 Milliarden Euro geschätzt. London hat bisher nur rund 20 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
Dagegen wollen die Staats- und Regierungschefs nach dem Entwurf der Gipfelerklärung bei der Zukunft der 3,2 Millionen EU-Bürger in Grossbritannien «die gemachten Fortschritte begrüssen». Auch in der Frage der künftigen Grenze zwischen Irland und Nordirland sehen sie «einige Fortschritte».
Die Staats- und Regierungschefs wollen sich bei ihrem Gipfel im Dezember erneut mit der Frage befassen, ob nun die Zeit für den Übergang in Phase zwei gekommen ist. Als Zugeständnis an May beim jetzigen Treffen plant die EU aber, schon interne Vorbereitungen auf Phase zwei zu beginnen. Dies schliesst auch einen möglichen Übergangszeitraum nach dem Brexit im März 2019 ein, den May vorgeschlagen hatte. (sda/afp/dpa)