Nach der Absage der Abstimmung zum Brexit-Deal im Parlament in London will die britische Premierministerin Theresa May durch Europa touren und versuchen, nachzuverhandeln. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat einen Brexit-Gipfel der 27 verbliebenen EU-Staaten einberufen.
May will am Dienstag zu Gesprächen über den Brexit-Deal mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte (09.00 Uhr) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (13.00 Uhr) zusammentreffen. Das teilte der britische Regierungssitz 10 Downing Street am Montagabend in London mit.
May hatte zuvor die für Dienstagabend geplante Abstimmung im britischen Parlament über das mit Brüssel ausgehandelte Brexit-Abkommen abgesagt. Einen neuen Termin nannte sie zunächst nicht. Sie will zuerst Nachverhandlungen führen. Mehr als Formulierungsänderungen dürfte sie sich davon aber kaum erhoffen.
Als schwierigste Hürde in dem Abkommen erweist sich der Backstop, die Garantie, dass mit dem Brexit keine neuen Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland eingeführt werden sollen. Ansonsten wird ein Wiederaufflammen des Konflikts in der ehemaligen Bürgerkriegsregion befürchtet. Die Regelung sieht vor, dass Grossbritannien als Ganzes so lange in der Europäischen Zollunion bleiben soll, bis das Problem durch ein neues Abkommen gelöst ist. Nordirland muss zudem Regeln des Binnenmarkts einhalten.
Dagegen gebe es tiefgehende und weitverbreitete Bedenken, sagte May am Montag im Parlament. Sie glaube weiterhin an das Abkommen. «Und ich glaube, dass in diesem Haus eine Mehrheit dafür gewonnen werden kann, wenn ich die zusätzliche Rückversicherung zur Backstop-Frage bekommen kann», so die Regierungschefin. Sie habe bei ihren Telefonaten mit Amtskollegen aus der EU Signale erhalten, die auf eine Gesprächsbereitschaft hindeuteten.
EU-Ratspräsident Donald Tusk berief für Donnerstag einen Gipfel der 27 bleibenden EU-Staaten ein. Man werde den Deal nicht neu verhandeln, schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. «Aber wir sind bereit zu diskutieren, wie die Ratifikation in Grossbritannien bewerkstelligt werden kann.» Auch eine Kommissionssprecherin in Brüssel bekräftigte: «Dieser Deal ist der beste Deal und der einzige mögliche Deal.»
I have decided to call #EUCO on #Brexit (Art. 50) on Thursday. We will not renegotiate the deal, including the backstop, but we are ready to discuss how to facilitate UK ratification. As time is running out, we will also discuss our preparedness for a no-deal scenario.
— Donald Tusk (@eucopresident) 10. Dezember 2018
Tusks Sprecher ergänzte, man sei in Kontakt mit der britischen Seite und bespreche das weitere Vorgehen. Tusk berate zudem mit den EU-Staats- und Regierungschefs über die Vorbereitung für Donnerstag. Für Donnerstag und Freitag ist ohnehin ein EU-Gipfel angesetzt, zu dem auch May kommt. Das Treffen der 27 ohne Grossbritannien kommt nun hinzu.
Die Kritiker im Parlament fürchten, dass Grossbritannien mit dem Backstop dauerhaft im Orbit der EU gehalten werden soll. Die nordirische Protestantenpartei DUP, von der Mays Minderheitsregierung abhängt, lehnt jegliche Sonderbehandlung ihrer Provinz kategorisch ab. «Der Backstop muss weg», twittere DUP-Chefin Arlene Foster.
Es gilt als unwahrscheinlich, dass May mit rein kosmetischen Änderungen an dem Brexit-Abkommen einen ausreichenden Stimmungsumschwung im britischen Parlament bewirken kann.
Am 29. März 2019 wird Grossbritannien die EU verlassen. Sollte bis dahin kein Abkommen ratifiziert sein, könnte das Land ungeregelt ausscheiden – mit chaotischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche. Doch inzwischen wird auch nicht mehr ausgeschlossen, dass es zu einer Neuwahl oder einem zweiten Brexit-Referendum kommt. (sda/dpa)