International
Kommentar

GC Junioren & Felicity Huffman: Bildung gegen Bestechung

Kommentar

Eltern! Kinder sind Kinder, keine Prestige-Projekte! Hört auf mit Stress und Bestechung!

In Zürich tun Eltern alles, um ihre Kids zu den GC-Junioren zu bringen. In den USA tun Hollywood-Promis alles, um ihre Kids an eine Elite-Uni zu bringen. Und dann ist auch noch die Zeit der Gymiprüfungen! Bildung ist das neue Statussymbol. Ein Wahnsinn.
17.03.2019, 10:2718.03.2019, 04:55
Mehr «International»

Wann begann eigentlich die Seuche? Der Ausbruch jener Virusinfektion, die exakt einen Teil der Bevölkerung erfasst, nämlich Eltern mit einem gewissen Vermögen, von dem sie denken, dass es Wunder vermag? Welcher Vater, welche Mutter war «Patient Null»? Jener Mensch, der beschloss, dass sein schulisch oder sportlich nur normalbegabtes Kind zu Höherem berufen sei? Der Kind, Lehr- und Trainingspersonal terrorisierte oder gar bestach? Mit Geld? Sex? Oder – noch schlimmer – Plättli?

Denn das verspricht etwa der «Blick» unter dem Titel «Sauladen GC-Campus»: «Wir dachten daran, dem Trainer 10'000 Fr. zu zahlen», «Junioren-Mütter machen die Beine breit», «Trainer liess sich von Junioren-Vater Plättli legen». Der Nachwuchs als Prestige-Projekt der Eltern. Als Eigenfleisch gewordenes Statussymbol.

Der «Blick» sagt, was Sache ist.
Der «Blick» sagt, was Sache ist.bild: screenshot blick

Und ausgerechnet die amerikanische Schauspielerin Felicity Huffman, die in «Desperate Housewives» sowas wie die Vernünftigste unter den Irren an der Wisteria Lane spielte, soll ein College mit 15'000 Dollar bestochen haben, damit ihr nicht so schlaues Kind an einer schlauen Bildungsstätte studieren darf. 48 andere haben es ihr gleichgetan. Weil sie ihren Kindern offenbar nicht zutrauen, von sich aus einen richtigen Weg zu finden, auch wenn der etwas bescheidener ausfallen mag.

FILE - In this 2004, file photo, originally released by ABC, the stars of the network's hit primetime series, "Desperate Housewives,"from left, Nicollette Sheridan, Felicity Huffman, Ma ...
Als verzweifelte Hausfrau wirkte Felicity Huffman (2.v.l.) einnehmend bodenständig in Erziehungsdingen.Bild: AP/ABC
Wie nennt man das jetzt? Diesen Sauladen aus multiplen Bestechungsmethoden? Bad Parenting? Desperate Parenting? Oder gar Criminal Parenting?

Doch es geht auch ohne Sexplättli: Über einer Stadt wie Zürich waberte ja gerade wieder der Nebel des totalitären Grauens schlechthin: die Zeit der Gymiprüfung. Eltern wie Kinder schleichen als fahle Wracks durch die Innenstadt, Familien befinden sich im Zustand höchster Zerbrechlichkeit, am Rand des psychischen und finanziellen Ruins. Viel Geld wurde in einen irren Betrag an Nachhilfestunden und diese wiederum wie Doping in den Nachwuchs gepumpt.

Logisch, ohne Gymnasium droht einem Kind sofortiger sozialer Abstieg, Ausschluss aus der Gesellschaft, Armut, ein Leben unter der Brücke, Alkoholismus, Depressionen, todbringende Krankheiten, der Tod selbst.

Könnte man jedenfalls meinen.

Kinder einer Schulklasse betrachten waehrend ihrer Schulreise die Elefanten des Zirkus Knie, aufgenommen am 25. August 2004 auf der Allmend in Bern. (KEYSTONE/Gaetan Bally) === , === : FILM]
Und jetzt einfach mal: Kinder besuchen 2004 auf der Schulreise die Elefanten des Zirkus Knie.Bild: KEYSTONE

Leute! Hilfe! Nein! Tut das alles nicht! Erstens suchen unzählige Betriebe händeringend nach Auszubildenden für Berufe, die es auch noch in Jahrzehnten brauchen wird. Zweitens gibt es Hindernisse auf dem Weg ins Erwachsenenleben, die eure Kinder selbst aus dem Weg räumen müssen. Erinnert euch an eure eigene Vergangenheit.

Ihr wisst, wie überfürsorgliche Eltern genannt werden: «Helikopter-Eltern», «Schneepflug-Eltern», «Luftpolsterfolien-Eltern».

Drittens ... Nun, ich bin ja jetzt im Alter, da ich sagen darf: «Früher ...» Und nein, da war nicht alles besser, aber einiges war anders als heute. Etwa die Sache mit der sozialen Performance. Es gab keine sozialen Medien, man war, wer man war, Hass und Liebe waren schmerzhaft direkt, niemand hatte die Chance, seinen Status über Likes zu reparieren. Überhaupt war Status nicht besonders wichtig. Und es gab, im handfesten Jargon meiner Kindheit auf dem Land, ganz einfach «dumme» und «weniger dumme» Kinder.

Jugendliche aus Zuerich, die meisten von ihnen tragen eine Muetze der Schweizerischen Kreditanstalt SKA, brechen ins Skilager auf. Die Sportferien sind ausgebrochen und nun fahren zehntausende von sta ...
Die Zürcher Schuljugend bricht 1977 ins Skilager auf. Nicht alle von ihnen werden später ans Gymi gehen. Was man damals noch okay findet.Bild: KEYSTONE

Als Tochter eines Lehrers und einer Lehrerin war mir – mit etwas Glück – eine gewisse Freude am Schulischen vererbt worden, ich gehörte also zufälligerweise zu den «weniger Dummen», manchmal aber auch gar nicht, gerade in naturwissenschaftlichen Fächern.

Das Dumme war nur, dass die «Dummen» bald auf mich herabschauen konnten, weil ich immer noch ohne Geld an der Uni rumsumpfte, als sie schon lang berufstätig, selbständig und weit lebenserfahrener waren als ich. Durchaus auch lebenstüchtiger.

Denn ich wählte erst einen Studiengang (Geisteswissenschaften), dann einen Berufszweig (Journalismus), bei denen klar war, dass man damit nicht reich wird und es also auch mit dem Status nicht weit her sein würde. Und während die meisten aus meinen früheren Klassen eine Autowerkstatt oder die Dorffiliale der Bank leiteten, wussten, wie man Kälber zur Welt bringt, an internationalen Hotelrezeptionen oder als Reisebüro-Fachkraft mit Spezialgebiet Südostasien arbeiteten, kam ich mir vor wie eine in nichts wirklich qualifizierte Hochstaplerin.

Young people hike along Lake Sihl with their backpacks, pictured in Einsiedeln, Canton of Schwyz, Switzerland, on July 13, 1979. (KEYSTONE/Str)

Jugendliche wandern mit ihren Rucksaecken entlang des S ...
Junge Menschen 1979 am Sihlsee. Im Wasser das ahnungsvolle Spiegelbild ihrer Zukunftsträume. Oder so. Bild: KEYSTONE

Leute, wenn ihr euren Kindern eine Zukunft bieten wollt, dann lasst das mit dem Stress und den Mafiamethoden.

Bildung ist etwas Grossartiges, wenn man dafür ein Flair, Geduld, Talent und richtig Lust darauf hat. Aber eine Ausbildung ist es genau so.

Eine Schreinerin oder ein Klempner, ein Schuhmacher oder eine Metzgerin taugen am Ende des Tages mehr als der Publizistik-Student, der erst in die Werbung ging und sich dann als Consultant selbständig machte. Auf Letzteren kann man gut verzichten. Auf alle andern? Nicht. Nie.

Keine Ahnung, welche Karriere sich Felicity Huffmann für ihre Tochter vorstellte – Anwältin? Ärztin? – auf jeden Fall eine, in der das Kind hilflos hätte hochstapeln müssen. Und damit nicht nur sich selbst geschadet hätte. Dabei wäre es vielleicht – inspiriert durch das elterliche Arbeitsumfeld – als Kameramann oder Kostümbildnerin glücklicher geworden. Für den Schaden – am Kind und am Bildungssystem (was für gewissenlose, unseriöse Lehrpersonen und Institutionen sind das eigentlich, die sich bestechen lassen?) – hat jetzt ja leider schon die Mutter gesorgt. Und das ist ein wirklicher und zutiefst sinnloser Skandal.

Nico sucht an der Gartenmesse nach dem falschen Kraut

Video: watson/nico franzoni, angelina graf

Klimastreik der Schüler

1 / 41
Klimastreik der Schüler
Mehrere hundert Schülerinnen und Schüler demonstrierten am schweizweiten Klimastreik gegen die Klimapolitik und für einen sicheren Klimaschutz am Freitag, 18. Januar 2019 in Luzern.
quelle: keystone / urs flueeler
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
74 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Ökonometriker
17.03.2019 11:04registriert Januar 2017
Man kann immer vorwärts machen. Man kann auch berufsbegleitend studieren - oft ist das sogar besser, da man das Wissen besser mit den alltäglichen Tätigkeiten verknüpfen kann. Und man kann sich auch Wissen aneignen, ohne an einer Uni immatrikuliert zu sein. Und dieses Wissen kann man dann auch verkaufen.
Viele Wege führen nach Rom, aber man muss sich eben auf den Weg machen.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pi ist genau Drei!
17.03.2019 13:51registriert Februar 2017
Ich als Vater mit Universitärem Studienabschluss bin felsenfest überzeugt dass eine Berufslehre ein genau so guter, wenn nicht kurz- und mittelfristig sogar besserer Start ins Berufsleben ist! Ich finde das Verhalten dieser Eltern peinlich und armselig. es geht dabei nicht ums Kind sondern um den Familienstatus.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hydrocephalus
17.03.2019 11:41registriert Januar 2019
"Ich mag dich nur wen du meine Erwartungen erfüllst." lautet die Botschaft ans Kind.


das werden dan die zukünftigen Narzisten und Leistungsträger unsere Gesellschaft.

Ich plädiere für mehr Bindung statt Bildung.
00
Melden
Zum Kommentar
74
    2 Bestatter streiten sich um Leiche aus Bern – 1 Person verletzt
    In Rom wurde ein 45-Jähriger bei einem Streit verletzt. Er und sein 63-jähriger Mitarbeiter konnten sich nicht einigen, wer eine Leiche aus der Schweiz nach Neapel bringen darf.

    Die Auseinandersetzung zwischen dem 63-jährigen und dem 45-jährigen Bestatter fand im römischen Stadtteil Appio vor Passanten statt, wie italienische Medien mit Verweis auf «Il Messaggero» berichten. Alles nahm seinen Anfang, als zwei Särge in einem Lieferwagen bei einem Bestattungsinstitut in Rom eintrafen. Der eine Sarg stammte aus Bern, der andere aus Paris. Der Verstorbene aus der Schweiz sollte in Neapel beigesetzt werden, jener aus Frankreich in Ancona an der Adriaküste.

    Zur Story