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Clown, Possenreisser, Nobelpreisträger – Dario Fo ist tot

FILE - This Oct. 16, 1997 file photo shows Italy's winner of the 1997 Nobel Prize of Literature Dario Fo as he gives an interview during his visit to his German publishing house "Rotbuch Ver ...
Im Alter von 90 Jahren gestorben: Literaturnobelpreisträger Dario Fo.Bild: Heribert Proper/AP/KEYSTONE

Clown, Possenreisser, Nobelpreisträger – Dario Fo ist tot

Er war ein Meister der Satire – deshalb fürchteten ihn die Mächtigen, zensierten seine Werke. Dario Fo nahm kein Blatt vor den Mund und wurde dafür sogar mit dem Nobelpreis gewürdigt. Nun ist der selbst ernannte Clown im Alter von 90 Jahren gestorben.
13.10.2016, 11:3513.10.2016, 11:45

«Ich bin nicht mit der Idee zum Theater gegangen, Hamlet zu spielen, sondern mit der Ansicht, ein Clown zu sein, ein Hanswurst», sagte Dario Fo, als er 1997 die höchste literarische Auszeichnung erhielt. Mit seinem Sprachwitz, als Possenreisser, als Satiriker, als Pantomime wurde Fo berühmt. Im Alter von 90 Jahren ist der italienische Autor und Theatermacher in der Nacht auf Donnerstag an einem Lungenleiden in einem Mailänder Spital gestorben.

«Mit Dario Fo verliert Italien eine seiner grossen Hauptfiguren des Theaters, der Kultur, des bürgerlichen Lebens unseres Landes», zitierten italienische Nachrichtenagenturen Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi am Donnerstag.

Fo war der Ansicht, dass jede Macht nichts mehr als das Lachen, das Lächeln und den Spott fürchte. Satire sei letztlich nichts anderes als das schlechte Gewissen der Macht. Schwere Kost, wie etwa Shakespeare sie schuf, lag ihm nicht.

Geboren am 24. März 1926 in der norditalienischen Gemeinde Sangiano nahe dem Lago Maggiore, wuchs Fo zwischen Fischern, Schmugglern und Geschichtenerzählern auf. Von ihnen lernte er das Schauspielern und Erzählen lieben. Später im Theater verkörperte er lüsterne Päpste, skurrile Politiker und redegewaltige Trunkenbolde.

«Ich bin seine Basis»

Sein aussergewöhnliches Talent und seine politische und soziale Theaterarbeit wurden in Stockholm mit dem Nobelpreis gewürdigt – und die versammelte Literaturwelt staunte. Das Komitee aber hatte gute Gründe und bezeichnete ihn als Schriftsteller, «der in Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler die Macht geisselt und die Würde der Schwachen und Gedemütigten wieder aufrichtet».

Dafür zahlte er einen Preis: Fo wurde rund 40 Mal wegen Beleidigung und Verhöhnung der Mächtigen vor Gericht geladen. Mehrmals wurde er gleich von der Bühne abgeführt.

Über 70 Stücke hat er mit seiner 2013 gestorbenen Frau Franca Rame geschrieben, weshalb Fo stets von «unserem Nobelpreis» sprach. Sie standen oft gemeinsam auf der Bühne, waren fast 60 Jahre lang ein eingespieltes Paar, im wörtlichen wie im sprichwörtlichen Sinne. Bereits seit Ende der 1960er Jahre feierte das Paar Erfolge, die vor allem Fo schnell über die Grenzen der Heimat hinaus berühmt machten.

«Dario ist ein Monument, ich bin seine Basis», pflegte Franca zu sagen. Denn ohne Basis könne eine Statue nicht stehen. Noch Jahre nach Rames Tod sagte Fo in Interviews, er träume jede Nacht von ihr.

Auch ein Maler

Mehr als 30 Werke Fos wurden ins Deutsche übersetzt, darunter «Mistero Buffo» (1969), «Die offene Zweierbeziehung» (1983), «Sex? – Aber mit Vergnügen!» (1994) und «Der Teufel mit den Titten» (1997) – die Titel verraten, wie schmunzelnd, beissend und obszön es da manchmal zugeht. Ob Mafia oder Waffenindustrie, Kirchenstaat oder Umweltsünden: Fo hatte sie alle im Visier.

Das traditionelle Theater der Commedia dell'Arte und deren gesellschaftskritische Monologe inspirierten den Italiener mit der ausdrucksstarken Mimik. Politik war stets zentral in seinem Leben, er kannte keine Tabus, die Provokation war sein täglich Brot. Selbst ein Schlaganfall im Sommer 1995 brachte ihn nicht zum Schweigen: 2006 kandidierte er zum zweiten Mal – vergeblich – für das Amt des Bürgermeisters in Mailand.

Kaum bekannt war, dass Fo auch über 75 Jahre lang zeichnete und malte. Beide Talente verbanden sich oft zu einem Ganzen, wie er einmal erklärte. «Ich kann nicht schreiben, wenn ich nicht gleichzeitig die Möglichkeit habe, zu zeichnen, zu malen.» Seinen Künsten blieb er bis ins hohe Alter verbunden. (wst/sda/dpa)

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