Auslöser zur Diskussion ist ein Tweet, den der ORF-Journalist Lukas Tagwerker am Dienstag absetzte. Dieser zeigt den Screenshot einer Mitteilung des Generaldirektors des Österreichischen Rundfunks, Alexander Wrabetz.
Darin werden Journalisten des ORF aufgefordert, im privaten Umfeld darauf zu verzichten, öffentliche Äusserungen und Kommentare in sozialen Medien zu machen, «die als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äusserungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und Polemik gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter oder Mitglieder zu interpretieren sind».
Um meinen tollen Job beim öffentlich-rechtlichen Radio zu behalten, darf ich also in Hinkunft nichts mehr öffentlich äußern, was als "Kritik" interpretiert werden kann. Aber auch nicht als "Zustimmung, Ablehnung oder Wertung". Also: kein Kommentar. #orfwiewir #FreedomOfSpeech pic.twitter.com/rQ7rF5mcET
— Lukas Tagwerker (@LukasTagwerker) 26. Juni 2018
Ausserdem solle es unterlassen werden, öffentliche Äusserungen und Kommentare in sozialen Medien zu machen, «die eine voreingenommene, einseitige oder parteiische Haltung zum Ausdruck bringen, die Unterstützung derartiger Aussagen und Initiativen Dritter sowie die Teilnahme an derartigen Gruppen, sofern damit die Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des ORF konterkariert würde».
Dem aber nicht genug. Der Mitteilung zufolge gelten selbst Likes und Shares gewisser Posts als entsprechende Meinungsbekundungen und sollen vermieden werden.
Tagwerker unterlässt es in seinem Tweet, die Mitteilung zu kommentieren. Er fügt der Meldung allerdings den Hashtag #FreedomOfSpeech hinzu. Die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten. Zahlreiche Personen antworten empört.
Also dürfen Sie privat nur mehr - sorry für den Ausdruck - "die Hände falten und die Gosch'n halten". Wäre interessant zu wissen, ob der Arbeitgeber tatsächlich so weit in die Privatsphäre eingreifen kann/darf...echt ein Armutszeugnis, wenn das so durchgeht
— Stefan T. (@stetre76) 26. Juni 2018
Weitere Twitter-User fragen, wie weit sich das auswirkt:
Dürft Ihr dann noch wählen gehen oder ist das auch schon zu viel Parteilichkeit?
— sabina raith (@mond_vieh) 26. Juni 2018
Und viele andere zweifeln an der Legitimität dieser Vorschriften:
Wie kann man sich denn überhaupt schon rein begrifflich im privaten Umfeld öffentlich äußern?
— tom (@goiken) 26. Juni 2018
Gegenüber dem Nachrichtenportal Der Standard sagte ORF aus, dass es sich bei dieser Mitteilung nur um einen Entwurf der angekündigten Social-Media-Guidelines handle. Man orientiere sich an internationalen Vorbildern wie der New York Times. Im Mittelpunkt stehe die Absicherung der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Objektivität und Äquidistanz des ORF.
Es sei ein Irrtum gewesen, dass das Dokument bereits an einen Teil der Mitarbeiter verschickt worden sei. Noch nicht einmal der Stiftungsrat habe die neuen Social-Media Regeln gesehen. Dieser werde erst am Donnerstag im Plenum erwartet. Über den Text seien im Augenblick noch Gespräche im Gange. (doz)