«Generation Kopf unten»: Wie Städte Smartphone-Usern das Leben retten (oder zumindest erleichtern)
Vor einigen Monaten schockierte die Lausanner Polizei mit einem Präventions-Video mit ziemlich viel schwarzem Humor. Auch watson berichtete darüber:
Tatsache ist: Immer öfter kommt es zu Unfällen mit Fussgängern, die gedankenverloren auf ihr Handy starren, im Gehen eine SMS schreiben und dann in ein Tram, ein fahrendes Auto – oder, im besten Fall – «nur» in eine Strassenlaterne prallen.
Es gibt sogar schon eine Video-Sammlung mit den besten (echten) Fails dazu:
Während die Politik die Handynutzung am Steuer sanktioniert, ist es bei Fussgängern ein bislang unterschätztes Phänomen. Die Unfälle durch «Distracted Walking», zerstreutes Gehen, sind in den USA in den letzten Jahren stark angestiegen.
– Jüngere Altersgruppen sind insgesamt häufiger abgelenkt als ältere.
– Am wenigsten Handy-Nutzung gibt es in Amsterdam, am meisten in Stockholm. (egg)
Zwar zeigen Studien, dass sich die Schrittgeschwindigkeit durch Lesen oder Texten reduziert – statt normal 1,3 Meter pro Sekunde auf einen Meter pro Sekunde – doch nicht selten enden die Kollisionen tödlich.
Die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), die US-Bundesbehörde für Strassen- und Fahrzeugsicherheit, führt ein halbes Dutzend tödlicher Unfälle pro Jahr direkt auf die Nutzung tragbarer elektronischer Geräte wie Kopfhörer oder Smartphones zurück.
So reagieren verschiedene Städte auf das Problem:
Seoul
In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, in der das Problem besonders akut ist, sollen Hinweisschilder die Passanten vor Kollisionen warnen. «Sicher laufen» steht auf dem Stoppschild-ähnlichen Verkehrszeichen geschrieben.
Insgesamt 300 Warnschilder hat die Stadtverwaltung an den verschiedensten Orten der Metropole aufstellen lassen. «Wir haben diejenigen Orte mit der grössten Zahl junger Fussgänger ausgewählt, weil die Mehrheit der Smartphone-Nutzer Teenager oder um die 30 Jahre alt sind», sagte der Projektverantwortliche der Stadt Seoul, Kim Ooc-Kyeong, der AFP.
250 der Schilder wurden auf dem Asphalt markiert. Das Kalkül der Verkehrsplaner ist, dass die «Smartphone-Zombies» eher auf den Boden als auf die Strasse schauen. Die Massnahme wird jedoch nicht von allen als effektiv erachtet. Einige Bürger bemängelten, die Hinweisschilder seien zu klein, als dass sie bemerkt würden.
Stockholm
Die schwedischen Designer Jacob Sempler und Emil Tiismann haben in Stockholm ähnliche Schilder platziert.
Hayward (Kalifornien)
Die Stadt Hayward in Kalifornien hat Verkehrstafeln aufgestellt mit der Aufschrift: «Kopf hoch. Überquere die Strasse. Update erst dann Facebook.»
Köln/Augsburg
In Köln wurden vor wenigen Monaten Bodenlampen installiert, die die «Generation Kopf unten» vor Unfällen warnen soll. An mehreren Tram-Haltestellen wurden in den Boden LED-Lichtleisten eingebaut, die rot aufleuchten, wenn sich die Strassenbahn nähert. «Sie sind im 60-Grad-Winkel ausgerichtet und so beim Blick nach unten eigentlich nicht zu übersehen», sagte Stephan Anemüller von den Kölner Verkehrs-Betrieben der Rheinischen Post. In Augsburg wird derzeit ein ähnliches System getestet.
Hongkong
Hongkong versucht schon seit 2013 Passanten in der U-Bahn durch Lautsprecheransagen auf die Gefahren der Smartphone-Nutzung hinzuweisen.
Antwerpen
Die belgische Stadt Antwerpen hat sich eine besonders innovative Lösung einfallen lassen: Sie hat in einer belebten Einkaufsmeile eine «Text-Walking-Lane», eine eigens markierte Spur für Fussgänger (ähnlich einem Veloweg) eingerichtet, die sich mit dem Smartphone in der Hand fortbewegen möchten.
Chongqing
In Chongqing, China, there are cell phone walking lanes. #wow pic.twitter.com/PLNKWAJq9v
— Dan Pontefract (@dpontefract) 14. September 2014
Damit folgt Antwerpen dem Beispiel der chinesischen Stadt Chongqing, die einen ähnlichen Sektor («cellphone lane») auf dem Trottoir ausgewiesen hat. Dort gilt: Vorfahrt für Fussgänger mit Handy. Zumindest ist man auf dem Gehstreifen vor Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmern oder Schildern sicher.
Bonus: Utah Valley University
Ok, diese Treppe an der Utah Valley University ist als Gag der Marketing-Abteilung gedacht. Aber wer weiss, wie bald es tatsächlich soweit ist ...
