Der von der spanischen Justiz verfolgte katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont ist in Deutschland festgenommen worden. Nach Angaben der Polizei wurde der abgesetzte Regionalpräsident am Sonntagmittag bei der Einreise aus Dänemark auf einer Autobahnraststätte an der A7 bei Schleswig gestoppt. Der 55-Jährige wurde am Nachmittag in das Gefängnis in Neumünster gebracht.
Grundlage dafür sei ein europäischer Haftbefehl, sagte ein Sprecher des Landespolizeiamtes in Kiel. In Spanien wird gegen Puigdemont wegen des verbotenen Unabhängigkeitsreferendums vom Oktober unter anderem wegen Rebellion ermittelt. Bei einer Rückkehr in die Heimat droht ihm die sofortige Inhaftierung.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig hat das Verfahren übernommen. Es werde jetzt zunächst geprüft, ob ein Antrag auf «vorläufige Festhaltung» gestellt werde, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Ralph Döpper der Nachrichtenagentur Reuters. Darüber habe das zuständige Amtsgericht zu entscheiden.
Nach einem Festhaltebeschluss müsse dann die Generalstaatsanwaltschaft Auslieferungshaft beantragen. Wenn das Oberlandesgericht diese beschliesse, werde wiederum von seiner Behörde geprüft, ob der Auslieferung Gründe entgegenstünden, etwa unzumutbare Haftbedingungen. Das alles sei Sache von Tagen, gegebenenfalls sogar von Wochen, sagte Döpper.
Puigdemont könne verschiedene Rechtsmittel einlegen. Der Staatsanwalt schloss nicht aus, dass gar das deutsche Bundesverfassungsgericht ins Spiel kommen könnte.
Der Oberste Gerichtshof Spaniens hatte am Freitag Strafverfahren gegen Puigdemont und weitere zwölf Regionalpolitiker eröffnet. Gegen sieben Separatisten, die sich ins Ausland abgesetzt hatten, wurden neue Haftbefehle erlassen, darunter auch gegen Puigdemont. Ihnen drohen in der Heimat bis zu 30 Jahre Haft.
Nach dem von Madrid für illegal erklärten Unabhängigkeitsreferendum sowie einem Beschluss zur Abspaltung Kataloniens von Spanien war Puigdemont Ende Oktober 2017 von der spanischen Zentralregierung als Regionalpräsident abgesetzt worden. Unmittelbar nach seiner Amtsenthebung setzte sich Puigdemont nach Brüssel ab, um der spanischen Justiz zu entkommen.
Schon damals hatte Spanien einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont beantragt. Aber noch während in Belgien die Anhörungen liefen, zog das Oberste Gericht in Spanien diesen Anfang Dezember überraschend zurück. In Belgien und anderen Ländern konnte er sich daher frei bewegen. Der neue Antrag folgte nach spanischen Medienberichten am Freitagabend.
Puigdemont hatte sich in den vergangen Tagen zu Gesprächen im finnischen Parlament aufgehalten, am Freitag hielt er eine Rede an der Universität Helsinki. Anschliessend wollte er nach Angaben seines Sprechers über Dänemark und Deutschland zurück nach Belgien reisen. Finnland hatte sich auf spanischen Antrag bereit erklärt, Puigdemont zu verhaften, doch kam die Entscheidung offenbar zu spät.
Kräfte der Landespolizei Schleswig-Holstein nahmen Puigdemont am Sonntag um 11.19 Uhr auf einer Raststätte nahe der Autobahnabfahrt Schleswig-Schuby fest. Zuvor hatten die Sicherheitsbehörden nach DPA-Informationen einen Tipp bekommen.
Nach Informationen des Magazins «Focus» soll der spanische Nachrichtendienst Puigdemont die ganze Zeit im Visier gehabt haben. Als er sich von Finnland in Richtung Deutschland aufgemacht habe, hätten die Spanier die Fachabteilung «Sirene» beim deutschen Bundeskriminalamt informiert. Diese habe dann den entscheidenden Hinweis an die Polizei in Schleswig-Holstein gegeben.
Die Partei Die Linke forderte, Puigdemont sofort wieder frei zu lassen. Die Festnahme sei eine «Schande», erklärte der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko.
«Puigdemont wurde auf Grundlage des EU-Haftbefehls festgenommen, weil er in Spanien wegen »Rebellion« angeklagt ist.» Rebellion sei aber kein europäischer Straftatbestand und gehöre nicht zu den 32 Delikten, nach denen auf Grundlage des EU-Haftbefehls ausgeliefert werden muss, sagte Hunko.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki, ein erfahrener Jurist, schloss daher in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Montagsausgabe) aus, dass es zu einer Auslieferung wegen dieses Straftatbestands kommen wird. Eine Auslieferung aus anderen Gründen sei aber denkbar.
Die spanische Justiz blockiert derzeit mit der Verhängung mehrerer Haftbefehle gegen katalanische Separatistenführer die Regierungsbildung in Katalonien. Das Regionalparlament in Barcelona unterbrach am Samstag die Wahl von Jordi Turull zum neuen katalanischen Präsidenten, weil Turull am Vortag festgenommen worden war. Auch im Ausland erhöht Spanien die Fahndungsdruck auf Anführer der Separatistenbewegung.
Aus Protest gegen die Festnahme Puigdemonts rief die Separatistenorganisation ANC für den frühen Sonntagabend zu einer Kundgebung auf. Die Demonstranten wollten von der Vertretung der Europäischen Kommission zum deutschen Konsulat in Barcelona marschieren. (sda/dpa/reu/afp)