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US-Wahlen 2024

TV-Duell von Donald Trump und Kamala Harris: Showdown in «Philly»

In this combination photo, Democratic vice presidential candidate Sen. Kamala Harris, D-Calif., speaks during a debate, Oct. 7, 2020, in Salt Lake City, left, and Republican presidential candidate for ...
Kamala Harris und Donald Trump sind sich noch nie persönlich begegnet. Jetzt geht es gleich um die Wurst.Bild: keystone

Showdown in «Philly»: So bereiten sich Harris und Trump auf die Debatte vor

Am Dienstag treffen sich Kamala Harris und Donald Trump zu ihrem ersten und vielleicht einzigen Fernsehduell im US-Wahlkampf. Beide können sehr viel gewinnen, aber auch alles verlieren.
09.09.2024, 16:4710.09.2024, 10:59
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Auf diesen Showdown hat die amerikanische Wählerschaft gewartet: Vizepräsidentin Kamala Harris und Ex-Präsident Donald Trump kreuzen am Dienstagabend in Philadelphia verbal die Klingen. Es ist die erste und bislang einzige geplante Fernsehdebatte zwischen der demokratischen Präsidentschaftskandidatin und ihrem republikanischen Widersacher.

Gleichzeitig ist es die erste persönliche Begegnung zwischen Harris und Trump. Sie symbolisiert auch den «Umschwung» im US-Wahlkampf, denn Ende Juni hatte sich Trump noch mit Präsident Joe Biden gestritten. Dieser zeigte eine derart schwache Vorstellung, dass er sich unter grossem Druck seiner Partei zugunsten seiner Vizepräsidentin zurückzog.

President Joe Biden, right, and Republican presidential candidate former President Donald Trump, left, participate in a presidential debate hosted by CNN, Thursday, June 27, 2024, in Atlanta. (AP Phot ...
Joe Bidens Absturz in der CNN-Debatte mit Donald Trump am 27. Juni stellte das Präsidentschaftsrennen auf den Kopf.Bild: keystone

Kamala Harris’ Einstieg in den Wahlkampf verlief fulminant und löste bei der Wählerschaft der Demokraten eine Euphorie aus. In der breiten Bevölkerung ist sie kaum angekommen, wenn man sich auf die Umfragen abstützen kann. Das Rennen zwischen ihr und Trump ist nach wie vor sehr eng. Auch deshalb hat das Fernsehduell eine enorme Bedeutung.

Der Austragungsort

Die Debatte findet am Dienstag um 21 Uhr Ortszeit (Mittwochmorgen 3 Uhr unserer Zeit) im National Constitution Center in Philadelphia statt. Einen symbolträchtigeren Ort kann man sich kaum vorstellen, denn das architektonisch eher zweifelhafte Gebäude auf der Independence Mall ist eine Art Schrein für die Verfassung der Vereinigten Staaten.

Philadelphia war die erste Hauptstadt der vor bald 250 Jahren gegründeten Republik und ist die grösste Stadt in Pennsylvania. Der Bundesstaat mit seinen 19 Elektorenstimmen könnte die Wahl am 5. November entscheiden. Entsprechend intensiv wird der Wahlkampf betrieben. In Pennsylvania ereignete sich am 13. Juli auch das Attentat auf Donald Trump.

Die Modalitäten

Die Debatte dauert 90 Minuten und wird ohne Live-Publikum übertragen, vom Fernsehsender ABC. Trump war darüber gar nicht glücklich, am Ende aber fügte er sich. Hilfsmittel sind nicht erlaubt. Harris und Trump werden an einem Pult stehen und dürfen sich einzig Notizen machen. Am Ende erhalten sie je zwei Minuten für ein Schlusswort.

In einem Punkt hat sich Trumps Wahlkampfteam durchgesetzt: Am Ende jedes Statements wird das Mikrofon abgeschaltet. Kamala Harris hatte für offene Mikrofone plädiert in der Erwartung, Trump werde ihr konstant reinreden, wie in der ersten Debatte mit Joe Biden 2020. Biden konterte damals mit der denkwürdigen Bemerkung «Halt endlich die Klappe, Mann!».

Die «Titelverteidigerin»

Democratic presidential nominee Vice President Kamala Harris arrives in Pittsburgh International Airport, in Coraopolis, Pa., Thursday, Sept. 5, 2024, where she is expected to prepare for the first pr ...
Kamala Harris nach der Ankunft in Pittsburgh, wo sie für die Debatte trainiert.Bild: keystone

Für viele Amerikaner ist Kamala Harris eine unbekannte Grösse. Sie stieg spät ins Rennen ein, und 2019 hatte sie vor Beginn der demokratischen Vorwahlen das Handtuch geworfen. In der jüngsten Umfrage der «New York Times» erklärten 28 Prozent der Befragten, sie wüssten zu wenig über die 59-Jährige. Diesen Nachteil muss sie in der Debatte angehen.

Einfach wird es nicht, denn als Bidens Vizepräsidentin ist sie quasi die «Titelverteidigerin». Sie muss die Politik des unbeliebten Präsidenten vertreten und sich gleichzeitig so gut es geht davon distanzieren. Entsprechend ausgiebig bereitet sich Harris vor. Sie hat sich gemäss «New York Times» für fünf Tage in einem Hotel in Pittsburgh «verschanzt».

Dort werde der Ablauf geprobt. Der Politikberater Philippe Reines spielt wie 2016 für Hillary Clinton das Trump-Double, inklusive eckigen Anzugs und langer Krawatte. Als ehemalige Staatsanwältin mit Erfahrung im Kreuzverhör ist Kamala Harris eigentlich gut gerüstet, doch sie hat keine Debatte bestritten, seit sie 2020 gegen Vizepräsident Mike Pence antrat.

Ihre Priorität ist demnach, sich als abgeklärt und präsidial zu präsentieren und gleichzeitig Trump so zu reizen, dass er die Beherrschung verliert. «Sie sollte sich nicht von ihm ködern lassen, sondern ihn ködern», rät Hillary Clinton, die Trump vor acht Jahren als frauenfeindlichen Rassisten attackiert hatte. Diese «Falle» will Harris offenbar vermeiden.

Der Herausforderer

FILE - Republican presidential nominee Donald Trump, left, and Democratic presidential nominee Hillary Clinton speak during the second presidential debate in St. Louis, Oct. 9, 2016. (AP Photo/John Lo ...
Die Debatten zwischen Donald Trump und Hillary Clinton vor acht Jahren waren hitzig.Bild: keystone

Donald Trump bereitet sich für seine Verhältnisse recht diszipliniert auf den Schlagabtausch mit Kamala Harris vor. Zwar absolviert er kein eigentliches Debatten-Training, doch er ist laut der «New York Times» engagierter am Werk als 2016 und 2020. Auf eine Harris-Darstellerin verzichte er, doch er lasse sich vom Abgeordneten Matt Gaetz mit harten Fragen «löchern».

Allerdings muss Trump einige Hindernisse überwinden. Das vielleicht grösste ist eine offenbar tiefe Verachtung für seine Rivalin. Während er Hillary Clinton als kluge und harte Arbeiterin respektiert habe, halte er die Kalifornierin für unterbelichtet. Privat äussere er sich abschätzig über Harris. Er wird versuchen müssen, die Abneigung zu unterdrücken.

Der 78-Jährige dürfte seine erste Amtszeit als «goldenes Zeitalter» präsentieren, in dem die Welt in Ordnung war. Während Joe Biden und seine Vizepräsidentin ein Chaos angerichtet hätten. Bei mindestens zwei Themen aber ist er angreifbar: Abtreibungen und die «Big Lie», wonach er vor vier Jahren um den Wahlsieg betrogen worden war.

Trump eiert bei diesen Themen, denn eine klare Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung befürwortet im Grundsatz den Schwangerschaftsabbruch und betrachtet Joe Biden als legitimen Präsidenten. Berater und Unterstützer drängen ihn deshalb laut der «New York Times», in der Debatte nicht rüpelhaft aufzutreten, sondern als «happy Trump».

Die Frage ist, ob er das durchhalten könnte. Nach dem Attentat wollte er versöhnlicher und staatsmännischer agieren. Bei seiner Nominationsrede am Parteitag der Republikaner in Milwaukee gelang ihm dies während einer halben Stunde. Danach liess er sich wieder zu den üblichen Pöbeleien hinreissen. Es ist die vielleicht grösste Chance von Kamala Harris.

Donald Trump scheint die Gefahr erkannt zu haben. Er soll privat mehrfach einen Rückzug von der Debatte erwogen haben, doch dies wäre als Zeichen der Schwäche interpretiert worden. Ob es weitere Begegnungen geben wird, ist unklar. Bislang ist nur eine zwischen den Vize-Anwärtern J.D. Vance und Tim Walz geplant, am 1. Oktober in New York.

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Kamala Harris hält am Parteitag ihre Nominationsrede
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Kamala Harris hält am Parteitag ihre Nominationsrede
Kamala Harris vor einer riesigen Menschenmenge bei ihrer Nominationsrede im United Center in Chicago, Illinois.
quelle: keystone / mike segar / pool
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Trump sagte Bidens Rücktritt bereits vor zwei Wochen voraus
Video: watson
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81 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kei Luscht
09.09.2024 17:29registriert Dezember 2015
"Beide können sehr viel gewinnen, aber auch alles verlieren." Nein, eben nicht. Nur Harris kann verlieren. Bei Trump scheint man sich nach 8 Jahren an jeden Blödsinn gewöhnt zu haben. Ausserdem verliert er keine Wähleranteile, egal, wie bescheuert und abscheulich er sich benimmt. Verstehe das, wer wolle.
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Kato123
09.09.2024 17:30registriert Mai 2024
Wenn Harris defizite/schwierige Situation in Bezug auf die Migration von Mexico zugiebt und verspricht mehr zu tun,wäre das mal gut.
Ansonsten vertraue ich auf die Intelligenz von Ihr und Ihrem Team.
Die kennen Trump und ihr Amerika besser als die meisten von uns.
Ich wünsche ihnen nur das Beste!!!
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Schlaf
09.09.2024 17:35registriert Oktober 2019
Trump besitzt die totale Narrenfreiheit. Er kann sich praktisch alles erlauben, konnte er schon vor 8 Jahren. Zu verlieren haben vor allem die Demokraten.
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