Richterin Wolf traut ihren Augen kaum, als die Angeklagte am vergangenen Freitag im Gerichtssaal erscheint. Abgesehen von einem T-Shirt scheint die junge Frau nichts zu tragen. Im Gespräch mit der Richterin erklärt sie, dass sie seit drei Tagen im Gefängnis sitze, ohne dass sie Gefängniskleidung erhalten habe. Auch sei ihr der Zugang zu Hygieneprodukten verweigert worden.
Wolf ist sichtlich geschockt. «Bitte? Das ist unerhört. Ist das echt?». Die Richterin am Jefferson District Court in Louisville greift zum Telefon und stellt die Gefängnisleitung zur Rede.
«Es tut mir ausserordentlich Leid, Ich will sie nicht in Verlegenheit bringen», entschuldigt sich Wolf bei der Angeklagten. Die Frau musste vor Gericht antraben, weil sie bei einem Resozialisierungsprogramm wegen Ladendiebstahls geschwänzt hatte.
«Ich behalte sie hier, bis sie angemessen bekleidet ist, um ins Gefängnis zurück zu gehen. Das ist unerhört.»
In den sozialen Netzwerken wird die Reaktion der Richterin gefeiert.
Gegenüber der Washington Post sagte der stellvertretende Gefängnisdirektor, dass es üblich sei, Gefängnisinsassen erst ab einer Haft von mehr als 72 Stunden mit Gefängniskleidung auszustatten. Ansonsten lasse man sie in den Kleidern, mit denen sie gekommen sind.
Die Vorwürfe, dass der jungen Frau Hygieneprodukte verweigert worden seien, wies der Direktor zurück. Es gebe in den Schlafräumen des Gefängnisses eine «Vielzahl» von Hygieneprodukten und es sei nicht erwiesen, dass sie [die Frau] überhaupt um irgendwas gebeten habe.
Anstelle der geforderten 75 Tage Haft verurteilt die Richterin die Frau zu einer Busse von 100 Dollar. Am Ende entschuldigt sie sich noch einmal bei der jungen Frau.
(wst)