Fillon, Macron, Le Pen und wohl Mélenchon und Hamon – das sind die Namen, die in den internationalen Medien in Bezug auf die Französische Präsidentschaftswahl stets auftauchen. Doch es gibt sechs weitere Franzosen, die die für die Kandidatur nötigen 500 Unterstützer-Unterschriften gewählter Amtsträger vorlegen konnten. Ihnen geben Umfragen aber keine grosse Chancen aufs höchste Amt der République.
(Alphabetisch geordnet)
Die 47-jährige Nathalie Arthaud, Kommunistin und Dozentin für Wirtschaft und Management, vertritt die trotzkistische Linkspartei Lutte Ouvrière (Arbeiterkampf).
Arthauds Hauptziel ist die «Machtübernahme durch die Arbeiterklasse» und das Ende des Kapitalismus. Arthaud will es Unternehmen ausserdem verbieten, ihren Angestellten zu kündigen: «Il faut Interdire les licenciements» (Entlassungen gehören verboten), das sei die Lösung im Kampf gegen die hohe Arbeitslosenquote, meint Arthaud. Zudem setzt sie sich für eine transparente Unternehmensführung ein. So sollen Angestellte beispielsweise Einsicht in die Buchhaltung ihres Arbeitgebers erhalten. Umfragen sehen sie bei 0,5 Prozent.
Asselineau, 59, hat eine langjährige Karriere als hoher Beamter hinter sich. 2007 gründete er die EU-kritische Union Populaire Républicaine (Republikanische Volksunion), die er präsidiert.
Er fordert nicht nur den Austritt aus dem Euro und der EU, den Frexit, sondern auch, dass sich Frankreich aus der Nato zurückzieht. Asselineau beeindruckte mit seinem Wissen zu EU-Abkommen während der Debatten jeweils Publikum und Gspändli. Tatsächlich kennt er die Abkommen, die er so verabscheut, perfekt auswendig. Asselineau fordert ausserdem das sofortige Ende des Ausnahmezustands. Er wird von der Seite Conspiracy Watch überwacht, weil er sich mehrfach als Anhänger von Verschwörungstheorien zeigte. So glaubt er beispielsweise, dass hinter dem Erfolg vom Front National die CIA steckt.
Asselineau ist ein Internet-Phänomen. Seine Anhänger sind sehr aktiv und wissen, wie sie ihren Kandidaten in den Sozialen Medien fördern können. Umfragen sehen ihn bei 1 Prozent. Er scheint diesen Erhebungen aber nicht zu trauen:
Mit seinen 75 Jahren ist Cheminade der älteste der Kandidaten. Es ist auch bereits das dritte Mal, dass er sich für seine Partei Solidarité et progrès (Solidarität und Fortschritt) für das Amt im Élysée bewirbt.
Cheminade war bis zu seiner Pensionierung ein hochrangiger Beamter im Wirtschaftsministerium. In seinem Programm spielt der Kampf gegen die seiner Meinung nach herrschenden «Finanz-Oligarchie» eine grosse Rolle. So fordert er unter anderem eine «echte Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken.» Zudem will auch er aus der EU austreten. Er träumt von einem «Europa der Nationen und Projekte». Cheminade ist der einzige Kandidat, dessen Projekt ein Raumfahrtprogramm umfasst: Er fordert die Besiedlung von Mars und Mond. Wie Asselineau gilt auch Cheminade als Verschwörungstheoretiker. So sagte er beispielsweise, dass es gewisse Verbindungen zwischen der Bush-Administration und den Terroranschlägen vom 11. September 2001 geben könnte. Seine Umfragewerte liegen bei unter 0,5 Prozent.
Für die gaullistische Partei Debout la France (Steh auf, Frankreich) tritt ihr Parteivorsitzender Nicolas Dupont-Aignan, 55, an.
Dupont-Aignan ist ein ehemaliger Beamter im Erziehungswesen und vertritt ähnliche Positionen wie der Front National. Er gilt als grosser Kandidat der Kleinen, weil er beim ersten Wahlgang gemäss Umfragen auf knapp vier Prozent der Wähler kommen könnte. Dupont-Aignan vertritt einen ökonomischen Patriotismus und plädiert für strikte Einwanderungskontrollen. Zudem will er ein Gesetz einführen, das besagt, dass Kandidaten nicht vorbestraft sein dürfen. Dupont-Aignan sorgte im März für Schlagzeilen, als er während eines Live-Interviews das Studio des TV-Senders TF1 verliess. Damit protestierte er gegen die Entscheidung des Senders, nur die fünf in den Umfragen bestplatzierten Kandidaten zu ihrer TV-Debatte einzuladen.
Der 61-jährige Lassalle kommt aus einer Familie von Schäfern und engagiert sich besonders für die ländliche Bevölkerung Frankreichs. Er gehört keiner Partei an, politisiert aber in der Mitte des politischen Spektrums.
Lassalle fordert mehr Macht für die Gemeinden, will erneuerbare Energien fördern und setzt sich ein für ein «starkes Europa». Jean Lassalle bemüht sich jeweils, politische Diskussionen unterhaltsamer zu gestalten – oder er tut dies, wie Kritiker sagen, unabsichtlich. Als Nicolas Sarkozy 2003, damals Innenminister, im Unterhaus eine Rede hielt, unterbrach ihn Lassalle kurzerhand und hielt ein Ständchen. Diese Performance legte er ein, um gegen die Schliessung einer Polizeistation zu protestieren. Lassalle sorgt auch mit einer gewissen Verwirrtheit und unverständlichen Formulierungen, die er in TV-Shows an den Tag legt, bei seinen Kritikern immer wieder für Lacher. Seine Anhänger jedoch schätzen die «Menschlichkeit», die Lassalle ausstrahlt. Laut Umfragen wird er auf 1 Prozent der Stimmen kommen.
Die Partei Nouveau Parti Anticapitaliste (Neue Antikapitalistische Partei) hat Philippe Poutou als Kandidat aufgestellt, der seit 1999 als Mechaniker bei Ford arbeitet.
Der 50-Jährige fordert die Beseitigung von Frankreichs Präsidialsystem. Und wie Nathalie Arthaud plädiert auch er für ein Verbot von Entlassungen. Zu seinen umstrittensten Forderungen – besonders nach dem jüngsten Anschlag auf Polizisten – gehört die Entwaffnung der Polizei. Poutou setzt sich zudem für den Ausstieg aus der Atomkraft und eine 32-Stunden-Woche ein. In diversen TV-Auftritten zeigte sich der Arbeiter jeweils schlagfertig und voller Tatendrang – und im legeren T-Shirt. Umfragen sehen ihn trotzdem nur bei 1,5 Prozent.
Für les Républicains (die Republikaner) tritt der ehemalige Premierminister François Fillon, 63, an. Der konservative Fillon war lange als Favorit gehandelt worden.
Fillon will Frankreichs Wirtschaft umkrempeln. Er setzt auf liberale Wirtschaftsreformen, will die 35-Stunden-Woche abschaffen, 500'000 Stellen im öffentlichen Dienst streichen und die Staatsausgaben um 100 Milliarden Euro senken. Diese Sparmassnahmen kommen nicht bei allen gut an, besonders seit Fillon wegen dem «Penelope-Gate» und teuren Luxus-Anzügen unter Beschuss steht. Gegen ihn wird nun unter anderem wegen Veruntreuung von Staatsgeldern ermittelt. In den letzen Umfragen ist Fillon auf 19,8 Prozent abgerutscht.
Für den Parti Socialiste, die Partei des amtierenden Staatspräsidenten François Hollande, tritt der frühere Minister für Bildung, Hochschulen und Forschung, Benoît Hamon, 49, an.
Hamon wurde in der Vorwahl der Sozialisten, die Ende Januar 2017 stattfand, überraschend bestimmt. Zu seinen Grundforderungen gehört ein bedingungsloses Grundeinkommen. Ausserdem will Hamon den Mindestlohn und die Sozialleistungen anheben, neue Unternehmenssteuern einführen und den Umweltschutz stärken. Ihm kam der Erfolg Mélenchos in den letzten Wochen teuer zu stehen. Heute sehen ihn Umfragen mit Schätzungen von 7,5 Prozent ohne Chancen auf die Stichwahl.
Für den Front National bewirbt sich wie bereits 2012 die Parteivorsitzende und ehemalige Anwältin Marine Le Pen, 48.
Marine machte den FN salonfähig, schmiss im gleichen Atemzug den Gründer der Partei, ihren Vater Jean-Marie, 88, aus der Partei. Le Pen will die Franzosen in einem Referendum über einen EU-Austritt abstimmen lassen und die Einwanderung drastisch beschränken. Zudem sieht sie vor, einen weitgehenden Wirtschaftsprotektionismus durchzusetzen. Wie Fillon ist auch Le Pen kein unbeschriebenes Blatt. Die Justiz ermittelt derzeit wegen einer Scheinbeschäftigungsaffäre im EU-Parlament gegen sie. Der Vorladung der Polizei ist Le Pen nicht nachgekommen. Sie behauptet, das Betrugsverfahren werde gegen sie instrumentalisiert. Gemäss den aktuellen Umfragen (22,2 Prozent der Stimmen) ist davon auszugehen, dass sie die Stichwahl erreichen wird. Dort würde sie ihrem Kontrahenten aber unterliegen.
Emmanuel Macron, der frühere Wirtschaftsminister unter François Hollande und ehemalige Investmentbanker bei Rothschild & Cie., tritt für seine eigens gegründete Bewegung En marche! (Vorwärts!) an.
Macron gilt als Wirtschaftsliberaler, Pro-Europäer und ist überraschend zum Favoriten geworden. Er will unter anderem den Arbeitsmarkt, die Arbeitslosenversicherung und das Rentensystem überarbeiten. Weiter verspricht er mehr Freiheit für Unternehmen, gleichzeitig aber auch mehr Schutz für Arbeitnehmer. Kritiker sagen, Macron sei «mit allem und jedem» einverstanden, nehme keine klaren Positionen ein, und sei eine Art neuer François Hollande. Auch wegen seiner vorgängigen Karriere als Banker wird er oft angegriffen. Bei der Bevölkerung aber kann sich Macron über breite Unterstützung freuen. Er gilt mit Umfragewerten von 23,3 Prozent derzeit als Favorit.
Macron ist ein in der Klatschpresse beliebtes Sujet, da er mit seiner ehemaligen Lehrerin verheiratet ist. Brigitte Macron ist über 20 Jahre älter als ihr chéri und war zum Zeitpunkt ihres Kennenlernens mit einem Mann verheiratet, mit dem sie drei Kinder hat.
Hier noch ein Foto von Macron und Brigitte. Für die, dies interessiert.
Für die Partei La France insoumise (Unbeugsames Frankreich) wird ihr Parteivorsitzender Jean-Luc Mélenchon antreten. Der einstige Sozialist sieht sich als den wahren Vertreter der französischen Linken und liess sich stark von der Kampagne Bernie Sanders inspirieren.
Der 65-Jährige schlägt unter anderem ein 100 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm vor und will die EU-Verträge neu verhandeln. Sollte das nicht klappen, will er aus der EU austreten. Weiter fordert er eine neue Verfassung für eine Sechste Republik, die die von ihm so bezeichnete «Präsidial-Monarchie» ersetzen und ein gestärktes Parlament hervorbringen soll. Ausserdem möchte er den Nato-Austritt Frankreichs und die Schaffung eines Initiativ-Rechts für die Bürger. Mélenchon ist sehr aktiv auf Youtube, sein Channel zählt 306’000 Abonnenten. Er griff im Wahlkampf tief in die Technik-Trickkiste und trat zweimal per Hologramm in verschiedenen Städten auf. In Umfragen liegt er bei 19,7 Prozent.
Endgültig entschieden wird die Präsidentschaftswahl am 7. Mai in einer Stichwahl, bei der die beiden Bestplatzierten der ersten Runde gegeneinander antreten.