Herr Holmes, die Republikaner kontrollieren das Weisse Haus und beide Kammern des Kongresses. Trotzdem scheitern sie regelmässig, etwa bei der Gesundheitsreform. Weshalb ist ihnen noch kein grosser Wurf gelungen?
Das ist eine Folge der Spaltung der Partei in unterschiedliche Flügel. Diese Uneinigkeit führt dazu, dass die Republikaner bei wichtigen Vorlagen wie der Gesundheitsreform nicht genügend Stimmen zusammenbringen. Im Senat reicht es, wenn einige wenige Senatoren wie etwa John McCain oder Susan Collins mit den Demokraten stimmen, um wichtige Vorlagen zu Fall zu bringen. Das erzürnt dann wiederum den Bannon-Flügel, welcher Verrat am Präsidenten und seinen Zielen durch das Partei-Establishment wittert.
Sie sprechen Steve Bannon an, den ehemaligen Chefstrategen Donald Trumps. Er gilt als rechter Nationalist.
Diese Einschätzung höre ich in Europa oft. Die Einordnung aufgrund der eigenen Kategorien «links –rechts» oder «Neonazi – Nicht-Neonazi» greift zu kurz. In Europa wird völlig missverstanden, was Bannons Ziel ist.
Was will er erreichen?
Bannon und sein Flügel versuchen, eine populistisch-nationalistische Agenda durchzusetzen und so eine neue republikanische Partei zu erschaffen. Seine politischen Gegner sind in erster Linie nicht die Demokraten, sondern das republikanische Establishment. Bannons Agenda ist eine Fusion aus linken und rechten Positionen, wie das beim Populismus fast immer der Fall ist.
Worin besteht diese Agenda?
Bannon vertritt eine nationalistische, nativistische Anti-Einwanderungspolitik. Diese kombiniert er mit einer globalisierungskritischen Anti-Freihandelspolitik, die auch vom Sozialisten Bernie Sanders stammen könnte.
Und wo ist Donald Trump innerhalb der republikanischen Partei zu verorten?
Trump besiegte Hillary Clinton, indem er traditionell demokratisch wählende, weisse Arbeiter in Pennsylvania, Wisconsin oder Michigan durch seine Anti-Freihandel-Rhetorik für sich gewann. Dadurch profitierte er vom weit verbreiteten Unmut über die Globalisierung.
Also ist Trump auf Steve Bannons Linie?
Nein, Trumps Politik ist eine Kombination aus verschiedenen Strömungen innerhalb der Republikaner. Beispiel Aussenpolitik: Trump macht wie gesagt zu 60 oder 70 Prozent traditionelle republikanische Aussenpolitik. Trumps Skepsis gegenüber dem Freihandel weicht zwar davon ab, wird aber von seinen wichtigsten aussenpolitischen Vertretern nicht geteilt.
In weniger als einem Jahr wird in den «Midterm Elections» das ganze Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Wie schätzen Sie die Aussichten der Republikaner ein?
Das Versagen der Republikaner trotz ihrer Mehrheit im Kongress frustriert viele Amerikaner. Die Frage wird sein, wem sie bei den Wahlen dafür die Schuld geben. Kann der «Trumpismus» Wahlen gewinnen, wenn Trump – wie bei den «Midterms» – selber nicht auf dem Wahlzettel steht? In Virginia versuchte der republikanische Kandidat für das Amt des Gouverneurs, Trumps Rhetorik zu kopieren, obwohl er aus dem Partei-Mainstream kommt. Die Folge war, dass mehr Demokraten an die Urne strömten, während viele Republikaner zuhause blieben.
Es gibt also keine Formel, dank der die Republikaner gewinnen werden?
Politik ist immer schwierig vorherzusagen. Das hat Trump mit seinem Sieg bewiesen. Eine Ideallösung wäre sicherlich, wenn Establishment-Republikaner lernen würden, mit den Bannon-Anhängern zu reden und zu verstehen, was diese wollen – ohne sich dabei dem Nationalismus Bannons anzubiedern.
Wie müssen sie sich dabei anstellen?
Wichtig ist, dass sich das Partei-Establishment nicht so anhört, als würde es nur für die Wall Street und die Grosskonzerne politisieren. Ein armer Wähler im ländlichen Kentucky will von den Republikanern nicht hören, dass der Aktienmarkt einen Höhenflug hat – er besitzt keine Aktien. Und den Demokraten wird er seine Stimme nicht geben, weil die Partei von einer Elite aus den grossen Städten kontrolliert wird und die Menschen auf dem Land für bedauernswerte Rassisten voller Vorurteile hält. Solange keine der beiden Parteien einen Zugang zu diesem Wählersegment findet, wird keine eine nachhaltige Mehrheit erreichen.
Themenwechsel: Welche Auswirkungen haben die Russland-Ermittlungen durch den Sonderermittler Robert Mueller?
Die prominenteste Anklage bisher richtet sich gegen Trumps Ex-Kampagnenchef Paul Manafort. Ihm werden allerdings Dinge vorgeworfen, die nicht im Zusammenhang mit Trumps Kampagne stehen. Die Demokraten hoffen darauf, dass Mueller bald Personen aus dem engsten Umfeld des Präsidenten anklagt. Ich halte Mueller – wie die Mehrheit der Amerikaner – für einen integren Mann, der sich nur durch die vorgefundenen Beweise leiten lässt. Aber die ganze Ermittlung und die Berichterstattung dazu findet natürlich in einem hoch politisierten Kontext statt.
Wie zeigt sich das?
Ich lese beispielsweise jeden Morgen die «Washington Post». Da gibt es quasi täglich eine Frontgeschichte zu den Russland-Ermittlungen – egal, ob es sich um etwas Berichtenswertes handelt oder nicht. Selbst wer sich eine objektive Meinung zu den möglichen Russland-Verstrickungen machen möchte, wird also scheitern. Keine Seite vertraut mehr der andern. Das ist das traurigste an der US-Politik heutzutage: Wir schaffen es kaum noch, über die Parteigrenzen hinweg miteinander zu reden. Diese Polarisierung hat ein absurdes Ausmass angenommen.
Woran denken Sie?
Nehmen wir die Anschuldigungen gegen den republikanischen Senatskandidaten Roy Moore in Alabama. Nach heutigem Wissensstand ist davon auszugehen, dass Moore ein Raubtier ist, das sich an Minderjährigen vergangen hat. Und trotzdem gibt es konservative, tiefgläubige Christen, anständige Menschen, die ihn aus politischen Gründen weiterhin verteidigen. Wäre Moore ein Demokrat, käme ihnen das niemals in den Sinn.
Wie erklären Sie sich dieses Verhalten?
Ich denke, das hat mit Misstrauen gegenüber den parteiisch agierenden Medien zu tun. Die «New York Times» etwa unterstellte John McCain im Wahlkampf 2008 eine aussereheliche Affäre. Der Vorwurf stellte sich später als haltlos heraus. Deshalb glauben die Leute nun auch den Vorwürfen gegen Moore nicht.