Das seit 1994 geltende North American Free Trade Agreement (NAFTA) mit den Nachbarn Kanada und Mexiko will Trump zerreissen oder wenigstens neu verhandeln. So kündigte es der Immobilienunternehmer zumindest im Wahlkampf an.
Für Kanada wäre das ein harter Schlag. 75 Prozent seiner Exporte zum südlichen Nachbarn fallen unter dieses Abkommen, das einen privilegierten Zugang zur weltgrössten Volkswirtschaft garantiert.
David MacNaughton, der kanadische Botschafter in Washington, versteht Trumps Äusserungen als Wunsch, den NAFTA-Vertrag zu verbessern. Wenn der künftige Präsident darüber reden möchte, setze sich Kanada mit an den Tisch. «Alles kann verbessert werden, wir sind offen für Diskussionen», betont er.
Das bekräftigte auch der kanadische Premierminister Justin Trudeau. «Ich denke, dass es wichtig ist, dass wir offen sind für Gespräche über Handelsabkommen», sagte Trudeau am Donnerstag in Ottawa. «Wenn die Amerikaner über NAFTA reden wollen, bin ich mehr als froh, darüber zu reden», fügte er hinzu. Beide Länder streiten beispielsweise über kanadische Holzexporte. Die US-Konkurrenz spricht von unfairen Subventionen.
Mit noch bangerem Blick schaut Mexiko auf die politische Entwicklung im Norden. Trump hat Importzölle von bis zu 35 Prozent auf mexikanische Exporte angekündigt: Er macht die in Mexiko eröffneten Fabriken von US-Unternehmen für den Niedergang heimischer Industriebranchen mitverantwortlich. Mehr als 80 Prozent der Ausfuhren des lateinamerikanischen Landes gehen zu dem wirtschaftlich stärkeren Nachbarn.
Zwar erklärte auch Mexiko Gesprächsbereitschaft - nicht aber eine komplette Neuverhandlung. Die mexikanische Aussenministerin Ruiz Massieu erklärte am Mittwochabend im Fernsehsender CNN, NAFTA habe den drei Ländern «grossartige Erfolge» beschert. Das Abkommen könne aber noch nutzbringender für die beteiligten Staaten gestaltet werden. «Wir sind bereit, darüber mit der neuen US-Regierung und auch mit Kanada zu reden», sagte Ruiz Massieu. Sie wolle das vor 22 Jahren geschlossene Abkommen aber nicht neu verhandeln, betonte sie. Es müsse vielmehr darüber nachgedacht werden, «ob wir es modernisieren sollten».
«Auf Mexiko kommen sehr harte Zeiten zu», sagt Analystin Gabriela Siller von der mexikanischen Bank BASE. Präsident Enrique Peña Nieto hat mit Trump bereits vereinbart, ihn noch vor dessen Vereidigung am 20. Januar zu treffen.
Er sieht in Trumps Siegesrede - in denen der künftige Präsident mildere Worte als üblich fand - eine «gemeinsame Grundlage» für die künftige Partnerschaft. «Der Dialog, um Abkommen zu schliessen, ist immer noch der beste Weg für Mexiko», sagt Nieto. «Meine Regierung wird nach Möglichkeiten suchen, von denen beide Nationen in dieser neuen Phase der bilateralen Beziehungen profitieren.»
Für einen Abschluss des transatlantischen Handelsabkommens TTIP zwischen der Europäischen Union und den USA sieht EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker derzeit keine Möglichkeiten mehr. «Ich sehe das nicht als etwas, das in den nächsten zwei Jahren passieren würde», sagt er.
Die Wirtschaft schätzt das ähnlich ein. «Der Präsident wird wohl TTIP einstellen», erwartet Allianz -Chef Oliver Bäte. «Doch steht zu hoffen, dass irgendwann ein neuer Anlauf zur stärkeren Marktintegration zwischen der EU und den USA erfolgt.»
Auch die deutschen Autobauer sehen nach Trumps Wahl dunkle Wolken aufziehen. «Es steht zu befürchten, dass die USA unter ihrem neuen Präsidenten ebenso wie China vor allem auf ihre eigene Wirtschaft schauen - zulasten internationaler Beziehungen und Handelsströme», erklärt der Präsident des Branchenverbandes VDA, Matthias Wissmann.
Ob das Abkommen unter einer Präsidentin Hillary Clinton grössere Chancen gehabt hätte, wäre angesichts der grossen Widerstände in vielen EU-Ländern fraglich. Schon das zwischen EU und Kanada unterzeichnete Ceta-Abkommen kam nur unter grossen Mühen zustande.
Gegner fürchten, dass durch die Abkommen bisher gültige soziale und ökologische Standards unterlaufen und Konsumentenrechte geschwächt werden - zugunsten weniger Grosskonzerne. Die beiden grössten und wichtigsten Wirtschaftsräume der Welt mit 800 Millionen Konsumenten verhandelt seit 2013 über TTIP.
Auch in Asien geht die Sorge um, dass Trump den Freihandel einschränkt und die 2015 vereinbarte Trans-Pazifische-Partnerschaft (TPP) aufkündigt. Der Republikaner bezeichnete das Abkommen zwischen den USA, Australien, Japan, Mexiko und acht anderen Ländern im Wahlkampf als «Desaster» und «Vergewaltigung unseres Landes».
Der Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell, dämpfte nach der Wahl die Hoffnung, dass über den Vertrag noch vor Trumps Amtseinführung abgestimmt wird. «Das kommt nicht mehr in diesem Jahr», betont er.
Japan machte bereits deutlich, TPP nicht neu verhandeln zu wollen. China - das nicht an TPP - könnte der Nutzniesser sein. Die Volksrepublik hofft darauf, dem Abkommen Konkurrenz zu machen. Es will ein Free Trade Area of the Asia Pacific (FTAAP) und das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) entgegensetzen - ohne Beteiligung der USA.
Der amtierende Präsident Barack Obama hofft derweil immer noch auf einen erfolgreichen Abschluss. «Der Kongress sollte die Vorteile der Trans Pacific Partnership ausnutzen», sagt der Sprecher des Weissen Hauses, Josh Earnest. 18'000 Steuern, die andere Länder auf US-amerikanische Produkte erhöben, würden damit verschwinden. (sda/reu)