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Pizzeria für Arme: «Ohne Spenden müssen wir bald aufgeben»

Elvira und Gino Ramadani führen die Pizzeria Toscana.
Elvira und Gino Ramadani führen die Pizzeria Toscana.bild: watson
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Wirt der Pizzeria für Arme: «Ohne Spenden werde ich die Aktion bald abbrechen müssen»

Viele dachten, es sei ein Marketing-Gag, lange gehe die Aktion nicht. Doch auch nach vier Monaten tischt die Pizzeria Toscana in Greifensee ZH noch Gratis-Essen auf für Menschen mit kleinem Geldbeutel. Jetzt hat das Restaurant die 1000er-Marke geknackt. Ein Grund zum Feiern. Allerdings nicht nur. Das Geld wird knapp und knapper. 
22.09.2016, 09:4023.09.2016, 17:43
Felix Burch
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Seit vier Monaten servieren Sie nun beinahe täglich Gratis-Essen für Gäste mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten. Hat die Aktion ihr Restaurant verändert? 
Gino Ramadani:
Grundsätzlich arbeiten wir so weiter, wie wir es immer tun. Allerdings durften wir durch unser Angebot viele liebe Menschen kennenlernen. Es sind die grosse Zahl kurzer, herzlicher Gespräche, die uns motivieren, weiterzumachen. 

Können Sie uns ein Beispiel speziell schöner Begegnungen erzählen?
An einem Freitagabend spazierte ein mir unbekannter Mann in unsere Pizzeria. Er packte seine Gitarre aus und begann zu spielen für die Gäste, ohne dass er etwas dafür wollte. Ein anderes Mal hatte ich eine Gruppe bei mir, die während dem Essen ständig Fotos schoss. Sie sagten, sie seien seit Ewigkeiten nicht mehr in einem Restaurant gewesen. Dieser Tag sei für sie wie Weihnachten. Mehr als einmal wollten Leute ein Foto mit mir, das sie später auf Facebook stellten. 

Unter den Gästen, die Ihr Angebot nutzen, sind auch IV-Bezüger, Sozialhilfeempfänger und Obdachlose. Hat sich noch nie ein Gast darüber beschwert?
Nein, das ist bisher noch nicht vorgekommen.

Die Pizzeria Toscana in Greifensee ist DIE Pizzeria für arme Menschen

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Die Pizzeria für arme Menschen
Die Pizzeria Toscana ist eine Quartier-Beiz in Greifensee ZH.
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Gibt es Gäste, die Ihre Grosszügigkeit ausnutzen und Tag für Tag zu einem Gratis-Essen erscheinen?
Vielleicht nicht gerade täglich. Aber es gab schon solche, die sehr oft kamen und unser Angebot missbrauchen. In solchen Fällen greife ich jeweils ein und erkläre ihnen mit klaren Worten, dass das nicht geht. Die Betroffenen hatten immer Verständnis dafür und kamen künftig weniger. 

Wie viele haben bisher gratis gegessen bei Ihnen?
Soeben haben wir das tausendste Gratis-Essen vergeben. Darauf sind wir stolz. Darauf habe ich mit meiner Frau und meinen Angestellten angestossen. Wir durften Gäste aus allen Teilen der Schweiz begrüssen. Und weil auch deutsche Medien über uns berichteten, kamen sogar Leute aus Süddeutschland. Im Durchschnitt kommen zwischen fünf und zehn Personen pro Tag, die ein Gratis-Essen einnehmen.  

«Bis Weihnachten, bis Ende Jahr, machen wir auf jeden Fall weiter. Was danach geschieht, kann ich noch nicht sagen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.»

Die 1000er-Marke ist auf der einen Seite ein freudiges Ereignis, andererseits aber bestimmt auch eine finanziell grosse Hypothek. Wie fangen Sie die auf?
Das stimmt. Durch die Gratis-Essen haben wir bisher einen Einnahmeverlust von rund 25'000 Franken eingefahren. Die Kosten dafür betragen 10'000 Franken. Allerdings kommen auch Gäste zu uns, die uns vorher nicht kannten. Das darf man nicht vergessen. 

In diese Reihe würde die Pizzeria auch passen: 31 Szenen, die uns den Glauben an die Menschheit zurückgeben

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31 Szenen, die uns den Glauben an die Menschheit zurückgeben
Bild: imgur
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Trotzdem. Wie kann ein so kleiner Betrieb das verkraften?
Zugegebenermassen wird es langsam eng. Anfangs haben wir einige Spenden bekommen. Das hat uns geholfen. Solche Spenden fehlen jetzt. Kriegen wir nicht bald eine grössere Spende, war es das wohl. Meine Schmerzgrenze liegt bei einem Einnahmeverlust von 50'000 Franken. 

Falls Sie in Zukunft keine Gratis-Pizzen mehr servieren können; sind Sie dann gescheitert?
Auf keinen Fall. Ich habe etwas gegeben und es in Form von Menschlichkeit tausendfach zurückbekommen. Bis Weihnachten, bis Ende Jahr, machen wir auf jeden Fall weiter. Was danach geschieht, kann ich noch nicht sagen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. 

Wer Lust hat, Gino Ramadani und sein Team zu unterstützen – hier die Kontoangaben:

Pizzeria in Greifensee tischt Gratis-Essen auf – inzwischen kommen bis zu 10 Hungrige pro Tag
Diese Einzahlungsscheine liegen in der Pizzeria auf.

Hier gibt es noch mehr Pizza. Die Längste der Welt misst 1,8 Kilometer

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Längste Pizza der Welt misst 1,8 Kilometer
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quelle: epa/ansa / cesare abbate
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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Licorne
22.09.2016 10:15registriert Januar 2014
Ein guter Mann mit einer grossen Tat. Ich wünsche ihm viele zahlende Gäste.

Mir kommt da dennoch irgendwie dieser Cartoon in den Sinn..
Wirt der Pizzeria für Arme: «Ohne Spenden werde ich die Aktion bald abbrechen müssen»
Ein guter Mann mit einer grossen Tat. Ich wünsche ihm viele zahlende Gäste.

Mir kommt da dennoch irgendwi ...
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pun
22.09.2016 14:15registriert Februar 2014
Die Pizzeria könnte eine "kauf eine Pizza extra"-Aktion machen. Finanzkräftige Gäste könnten einfach eine Pizza mehr bezahlen, die dann dem/der nächsten Bedürftigen zugute kommt.

Sowieso aber ist klar, dass da grosse Menschen mit noch grösseren Herzen dahinterstehen. Hut ab!
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urwe
22.09.2016 16:53registriert Juli 2014
"Wir durften Gäste aus allen Teilen der Schweiz begrüssen. Und weil auch Deutsche Medien über uns berichteten, kamen sogar Leute aus Süddeutschland." Was ich hier nicht ganz verstehe: Die Anreise kostet ja auch Geld. Da könnte man für das Reisegeld ja auch einfach irgendwo in der Region essen gehen?
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