Der Tag begann medial spektakulär. Der «Guardian» berichtete nämlich, dass man jetzt endlich die alten Knochen analysiert habe und zu schauerlichen Erkenntnissen gelangt sei. Nein, die Knochen stammen nicht von den Teilnehmenden einer Reality-Sendung, die man vor zehn oder zwanzig Jahren spärlich bekleidet auf einer Insel oder in einem Container vergessen hatte.
Sie gehörten viel älteren Inselbewohnern, solchen aus der Bronzezeit nämlich, die man irgendwo in England in den 70er-Jahren ausgegraben hatte. Die Knochen ergaben Dutzende von Menschen. In einem Massengrab. Das war aufsehenerregend. Trotzdem vergassen die Archäologinnen und Archäologen ihren Fund sofort wieder.
Bis heute. Jetzt haben sie sich nämlich darangemacht und merkten, shit, shit, shit – die Knochen wurden abgenagt! Und zwar von menschlichen Gebissen! Es muss sich also um eine kannibalische Orgie gehandelt haben, sehr wahrscheinlich zur Abschreckung von Feinden, und die Lieblingsnahrung der Kannibalen waren Kinder. Sprengt das gerade auch ein bisschen eure Vorstellungskraft? Früher war wirklich alles viel, viel schlechter!
Nur der «Bachelor» war besser.
Oder etwa nicht?
Oder wo genau kann man den massiven Wurm lokalisieren, der in dieser Staffel drin war? Kollege Toggweiler, der nur eine Folge inhalieren musste, sagte sinngemäss, dass man mit anständigen Leuten kein funktionierendes Trash-TV machen könne. Und Kollegin Rothenfluh, die sich viele Folgen antun musste, hat den Glauben an die TV-gemachte Liebe verloren.
Vielleicht ist auch einfach die Zeit solcher Dating-Formate für immer vorbei. Vielleicht ging sie zu Ende, als plötzlich alle, die mitmachten, noch irgendeinen Fuss im Influencer-Business drin hatten. Überraschungen und Emotionen brauchen eine gewisse Unschuld und Naivität. Die hat man nicht, wenn man immer schon an die sozialmediale Verwertungskette denkt. Selbstbeherrschung ist der Tod der Spontaneität. Ein zur Schau gestelltes Füdli hat echt keinen Unterhaltungswert mehr, und Tattoos sind keine abendfüllende Lektüre.
Vielleicht war es Dennis, der immer redete, als habe er eine KI verschluckt, und dessen angebliche Entflammtheit bei der Übergabe der allerletzten, finalen Rose klang, als käme sie aus einer Konserve, die seit Jahrzehnten abgelaufen ist. Vielleicht lag es an den Ladies (fertig mit den «Ladys», ich beschliesse das jetzt einfach so), denen man kaum je eine Gefühlsbezeugung abnahm, alles nur gespielt, alles nur fake.
Nur eine war von Anfang an eine Feine. Vönooos, um es mit Dennis zu sagen. Also Venance. Die einst ins Wallis adoptierte Stuntfrau und Tänzerin, die alleinerziehende Mutter, die Brustkrebs-Überlebende. Die junge Frau, die schon fünf Leben gelebt zu haben scheint, die Unverstellte, die so gerne nicht mehr zurückgelassen werden möchte. Ich war von ihrem ersten Auftritt an im Team Venance. Und jetzt ist sie also die Gewinnerin der letzten Rose.
Sie hat Amina, Mabel und Michèle ausgestochen. Und dies, obwohl sie zum Schluss hin so gar nicht mehr die Venance von früher war, die mit dem lautesten Mundwerk von allen, zum Schluss hin wurde sie immer wortkarger und unglücklicher vor lauter Verliebtheit.
Ich hoffe ganz, ganz, ganz fest für sie, dass Dennis ihre Bedürftigkeit nach Liebe vertreiben kann wie der Walliser Bergfrühling den letzten Schnee, dass er sie über die Gletscherspalten des Daseins trägt und behütet und «das Wilde, Ufregende und Explosive», das er an ihr bewundert, nicht zu zähmen versucht. Diese Frau hat es verdient, dass man sie bedingungslos verwöhnt, verstanden?!
Und wehe, ich erfahre morgen, dass sie schon wieder nicht mehr zusammen sind. Wehe! Wobei, ich werde es eh nicht erfahren, das gibt's jetzt nämlich nur noch via Podcast, und Podcasts mag ich noch weniger als Essig. Habe ich schon mal erwähnt, wie wenig ich Essig mag? Also den einheimischen, in der Nase so unangenehm stechenden Essig, mit dem man einzig Kalk entfernen sollte? Da mache ich wie unser Dani Huber gegenüber von Zwiebeln ein Vampir-Verschreckungs-Kreuz.
Aber lassen wir den Essig und das wichtigste und zugleich ekligste Glied in seiner Verwertungskette, die Salatsauce, und kommen wir direkt zu einem enorm wichtigen Alltagsphänomen unserer Tage: Saucen.
Gerade sagt nämlich eine sehr junge Frauenstimme in der watson-Küche mit Nach- und Hochdruck: «Diversify your sandwich, Michael!» Und der gemeinte Michael antwortet mit: «Sauce isch so s'sauzige Equivalänt zu Frosting.» Geiler Dialog. Und wo, fragen sich die Stimmen aus der Küche weiter, beginnt eigentlich der Übergang von Suppe zu Sauce? Eine grosse Frage der Menschheitsgeschichte. Interessant wäre da auch der Standpunkt der Kannibalen aus der Bronzezeit.
P.S. vom Dienstag, 17. Dezember: Venance und Dennis sind nicht mehr zusammen. Zurück in der Schweiz unterschieden sich ihre Welten und Werte dann doch zu sehr. Ach je.
dann schaue ich sie vielleicht nächstes Jahr.. oder eher doch nicht.