Ein Schrei gellt durch unser sonst so fröhliches Grossraumbüro: «Matteeeeeoooo!!!! Neeeeeiiin!» Die Stimme dahinter: gebrochen. Des Glaubens an das Gute im Menschen, an die Möglichkeit wahrer, unverbrüchlicher Liebe verlustig gegangen. Wem gehört die arme, um all ihre Hoffnungen gebrachte Stimme denn? Oh! Mir! Und was ist mir zugestossen? Das Undenkbare denk! Bachelorette Larissa hat Matteo verstossen! Ausgeschlossen aus der finalen Runde ihrer Rosenkäfer.
Was haben wir hier letzte Woche noch frohlockt über die Bernerin und den Burgdorfer, darüber, wie ultraverliebt sie am liebsten ineinander gekrochen wären, in die heimelige Heimat, die sie einander zu bieten versprachen. Paarwerdende Perfektion schien sich da über Aare und Emme abzuzeichnen.
Wahrscheinlich war sie zu perfekt. Wahrscheinlich hätte es uns stutzig machen müssen, dass Larissa immer wieder betonte, wie sehr Matteo dem Image des perfekten Mannes entspreche, wie sehr sich jedes Mami über einen Schwieger-Matteo freuen würde. Wahrscheinlich hätte uns jede Psychologin, jeder Beziehungskolumnist straight away darauf hingewiesen, dass sich in Larissas Wortgebrauch bereits ein gewisser Widerstand gegen Matteos Perfektion manifestierte. Eine winzige rebellische Distanz, die sich schliesslich zu einer wahren Dornenhecke auswuchs.
Anders ist es nicht zu erklären, dass Larissa nun mit Lars und Alessio in die Dreamdates und die angrenzende Entscheidung geht. Okay, Juju und den deutschen Moritz hat sie neben Matteo auch noch entlassen, Juju hat eh nix mehr bedeutet. Moritz hatte wenige Tattoos, Matteo gar keine. Und möglicherweise lag's ja daran, denn auch Larissa frönt bekanntlich der permanenten Körpertapete.
Was gibt es bei Lars und Alessio nicht alles zu sehen! Lars hat einen Schmetterling auf den Hals tätowiert, aber was befindet sich eigentlich auf den Schmetterlingsflügeln? Es sieht aus wie Eier mit einem Sprung! Sind es etwa Dracheneier im Moment vor der Schlüpfung? Oder heisst es «im Moment vor dem Schlupf»? Und klingt «Schlupf» nicht irgendwie nach Schupfart? Jenem Ort also, wo Alessio herkommt? Der ja im Ursprungskern AUCH ein Berner ist?
Schupfart habe ich euch hier schon einmal vorgestellt. Es ist ein Winzdorf im aargauischen Fricktal und besitzt einen Flughafen! Gipfel der Mondänität! Da bernert Alessio also in Schupfart jahrelang vor sich hin, ist ein Aussenseiter unter Aargauern und ein Single noch dazu; alles, was er an zwischenmenschlichen Kontakten hat, ist ein Tattoo-Studio in Zuzgen oder Zunzgen oder Zeiningen oder Zeihen und wie die Ortschaften dort alle heissen. Ein Tattoo-Studio also. Und ein Fitness-Studio. Das natürlich auch. Vielleicht in Gelterkinden, dem Dorf, wo Baschi König ist. Logisch, dass das Gelterkinder Fitness-Studio ausschliesslich Baschi spielt. Gelegentlich kommt der «MusicStar»-Barde auch einmal vorbei, aber er ist, ganz unter uns, nicht so sehr der Pumphengst.
Da also geht Alessio ein und aus und wird über die Jahre zu dem starken Mann mit dem weichen Kern, der er jetzt ist. Und eines Tages findet er ausgerechnet in unserer beliebten nationalen Kuppelshow seine Herzensbernerin. Und tatsächlich gibt es auch zwischen Larissa und Alessio diese schier animalische dialektale Magie, das dunkel grundierte Gurren von Wildtauben, das abgründige Schnurren von Raubkatzen ...
Alessio und Larissa wollen einander, das ist schon seit den frühsten Folgen dieser Eros-Epos-Posse klar. Jetzt, in Folge acht, reisst Larissa dem Alessio gar das Hemd vom Leib, um ihn und seine Tattoos noch besser zu spüren. Sie verschlingen einander mit Mündern und Ouge, und die Müntschi wollen kein Ende nehmen.
Und auch in der achten «Nacht vo de Rose» haben Alessios Gedanken eine subtile kannibalische Färbung.
Liebe geht halt durch den Magen.
Weshalb Matteo und Alessio in einer hübschen Szene auch Spaghetti Carbonara miteinander kochen. Beide haben schliesslich italienische Elternteile und sprechen Berndeutsch. Und stehen komplett auf Larissa. Alessio muss fast heulen, weil er sein Mami so vermisst, das ihm nicht nur das Kochen, sondern überhaupt alles Gute im Leben beigebracht hat. Und er hat so seine beziehungstechnische Küchenphilosophie:
Aus ureigenster und bald zwanzigjähriger, glücklicher Erfahrung kann ich dazu nur sagen: Alessio hat recht.
Trotzdem wäre Matteo eine ausgezeichnete Wahl gewesen. Gerade langfristig. Also auch für jene fernen Tage, in denen die Tattoos der anderen langsam grünstichig vor Alter werden. Aber hey, Larissa hat Matteo «ausgesetzt auf den Bergen des Herzens», um es mal mit Rilke zu sagen.
Okay, okay, ich weiss auch, dass kein Rilke-, sondern das grosse Kafka-Jahr ist, aber ich konnte mit Kafka nie so viel anfangen, er hat einfach meine «Gfühl und Emotione» (Larissa) nicht sonderlich berührt. So, wie mich auch Larsens Schmetterling mit den gesprungenen Dracheneiern nicht berührt. Bin ich Lars gegenüber voreingenommen? Ja. Wir sind hier schliesslich nicht im Film «Lars and the Real Girl», wo so ein Lars von Ryan Gosling gespielt wurde.
Lange konnte ich übrigens von dem Schriftzug auf Alessios Brust bloss «epes» entziffern und malte mir aus, dass dies eigentlich «Crêpes» heissen müsse, dass dabei aber der Accent circonflexe vergessen gegangen sei, was bei der einigermassen enigmatischen Rechtschreibung der Tattoo-Szene ja durchaus der Fall sein könnte. Es heisst aber «The eyes They never liE». Also «Die augen Die lügen niE». Kafkaesk, oder?