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Modekönig Karl Lagerfeld von Chanel ist tot

epa07380352 (FILE) - German designer Karl Lagerfeld waves as models present creations from his Spring/Summer 2019 Women's collection for Chanel at the Grand Palais during the Paris Fashion Week,  ...
Als wärs ein Strand ins Jenseits: Im Oktober 2018 tritt Lagerfeld zum letzten Mal an einer Modeschau auf.Bild: EPA

König Karl ist tot – merci für ein Leben in Schönheit und Überfluss

Karl Lagerfeld war Herr über 70 iPods, eine Luxuskatze und das Modeimperium Chanel. Jetzt ist er im Alter von 85 Jahren gestorben.
19.02.2019, 14:3420.02.2019, 08:52
Simone Meier
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«Paris dreht sich um Hellgrau. Das ist für mich die Farbe von Paris», sagte er im vergangenen Sommer über seine neue Kollektion. Sie war elegant, nicht wirklich grau, eher unendliche Facetten von Silber, sie war wandelbar, raffinierte Schlitze liessen sich öffnen, verlängerten Arme und Beine. «Ein Bein ist im Profil am schönsten», sagte er und hatte damit natürlich recht.

Die Knochigkeit des Knies, die Imperfektion eines Oberschenkels werden minimiert, wenn so ein kommunes Bein von der Seite gezeigt wird statt von vorn.

Als er am Morgen des 19. Februars in einem Pariser Spital stirbt, da macht ihm seine Stadt die Freude, sich ganz in die Farbe zu hüllen, in der er sie so gerne sah: Es ist ein verregneter, ein hellgrauer Tagesanfang.

Karl Lagerfeld, ein Leben in Bildern

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Karl Lagerfeld
Karl Lagerfeld mit Claudia Schiffer bei der Verleihung des «Elle Fashion Star» am 19. Juli 2007 in Berlin.
quelle: dpa-zentralbild / soeren stache
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Lagerfelds eigene modische Markenzeichen waren sein weisser Zopf und seine schwarze Sonnenbrille gewesen, ohne die er seit 1967 nie mehr aus dem Haus gegangen war. Wieso, verriet er der Männerbeilage der «Zeit» erst vor vier Jahren: «Ich war mit einer Bekannten in einem Nachtclub. Da kam so ein Knilch, mit dem hatte sie mal ein Verhältnis gehabt. Wie der mich mit ihr sah, wollte er ihr ein Glas an den Kopf schmeissen. Er traf aber mein Auge.» Zum Glück war ebendieses Auge, sein kostbarstes Werkzeug als Designer, durch eine Brille geschützt.

German fashion designer, artist, and photographer Karl Lagerfeld poses next to a photo of his cat "Choupette" during the inauguration of the show "Corsa Karl and Choupette" at the  ...
Choupette, die wahre Chefin im Hause Lagerfeld.Bild: DPA

Karl Lagerfeld, der 1933 als Sohn des steinreichen Hamburger Dosenmilchfabrikanten Otto Lagerfeld zur Welt kam und seit 1983 das Modehaus Chanel leitete, war sein Leben lang ein Ästhet der Sonderklasse. Ein Deutscher, der als feinnerviger Pariser wiedergeboren wurde. Eine selbsternannte Reinkarnation des Sonnenkönigs. Ein Frauenverschönerer. Schmucksüchtig.

Er war auch Besitzer einer Katze namens Choupette, die ein Eigenleben als Celebrity zu führen begann, mehrere Social-Media-Accounts und einen Bodyguard besass, im Privatjet reiste und für Opel und japanische Kosmetik warb.

Als Zwanzigjähriger zog er mit seiner Mutter nach Paris, wurde erst Modeillustrator und gewann dann mit dem Entwurf eines Mantels einen Wettbewerb. 1954 machte er eine Schneiderlehre bei Pierre Balmain, es folgten Anstellungen bei Chloé, Fendi und schliesslich Chanel, wo er Coco Chanels Erbe äusserst lukrativ verwaltete und klug modernisierte.

ARCHIV - 30.11.1953, ---: Der erst 16-jährige (nach anderen Angaben 21-jährige) Hamburger Mode-Student Karl Lagerfeld 1954 mit einem Model beim Vorführen des Cocktail-Mantels. Im Hintergrund seine Mod ...
Karl Lagerfeld mit 21 in Paris.Bild: DPA

Wenn er nicht Mode kreierte, war er ein Bücherverschlinger: «Ich habe nichts gegen Fernsehen oder Internet, aber nichts wird je die Lektüre verdrängen können.» Es war schier unmöglich, in seiner Pariser Wohnung, wo er seit dem Tod seines Partners Jacques de Bascher 1989 vorwiegend allein lebte, etwas anderes als Bücher zu finden, 300'000 will er besessen haben. Sie lagen, sie türmten sich, Modebücher selbstverständlich, aber auch Kunst, Literatur, Philosophie, Theorie, von allem alles, von allem im Überfluss. Wie er das in seinem Leben eh am liebsten hielt.

Als etwa der iPod auf den Markt kam, war er davon so begeistert, dass er sich gleich siebzig Stück anschaffte, mindestens neun davon waren jeweils in Betrieb.
ARCHIV - 02.05.1977, Hamburg: Modeschoepfer Karl Lagerfeld neben einem Model in einem Plissee-Kleid aus Lagerfelds Chloe-Kollektion. Der deutsche Modeschoepfer Karl Lagerfeld ist gestorben. Das teilte ...
1977 in Hamburg – hier gab es die Sonnenbrille schon seit zehn Jahren.Bild: dpa

Die Liebe zum besonders schön gefertigten Buch verband ihn über Jahrzehnte mit dem Göttinger Verleger Gerhard Steidl, dessen Unternehmen zwei Standbeine hat: Günther Grass und Karl Lagerfeld. Denn bei Steidl liess Lagerfeld restlos alles drucken, was Chanel brauchte, jede Hochglanzbroschüre, aber auch jede Lidschatten- und Lippenstiftverpackung. Später lancierten sie gemeinsam die Buchreihe LSD wie «Lagerfeld, Steidl, Druckerei Verlag» und ja, auch LSD.

Lesen sei die bewusstseinserweiternde Droge schlechthin, sagte er.

Die Musen des Karl Lagerfeld

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Die Musen des Karl Lagerfeld
Sie gilt als die erste Muse von Karl Lagerfeld: Das französische Supermodel Inès de la Fressange war von 1983 bis 1990 das Gesicht von Chanel. Für Lagerfeld verkörperte sie die modern-konservative Pariserin schlechthin. Dann kam es zum Streit und zur Trennung. Lagerfeld soll danach über seine erste Ikone gesagt haben, sie sei «schön, aber nicht fotogen, und ausserdem nicht sexy genug». Der Streit ist allerdings längst beigelegt. Bei seiner Prêt-à-porter-Schau 2011 holte er de la Fressange zurück und lief Arm in Arm neben ihr über die Bühne (im Bild). ... Mehr lesen
quelle: epa/epa / ian langsdon
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Oft suchte er die Nähe zur Popkultur, nie zum Trash. Er engagierte Beth Dito für seine Show – später überwarfen sie sich wieder, Beth Dito nannte ihn «einen abgemagerten älteren Herrn, der sich in viel zu enge Klamotten zwängt». Er designte ein Album-Cover für die Band Chicks on Speed, arbeitete mit Florence Welsh von Florence and the Machine. Über Heidi Klum aber sagte er: «Ich kenne sie nicht. Claudia (Schiffer, d. Red.) kennt die auch nicht. Die war nie in Paris, die kennen wir nicht.»

Zu Heidis damaligem Mann Seal meinte er: «Ich bin kein Dermatologe, aber seine Haut möchte ich nicht haben.»
Actress and model Lily-Rose Depp and Chanel artistic director and honoree Karl Lagerfeld attend the 2nd Annual WWD Honors hosted by Women's Wear Daily at The Pierre Hotel on Tuesday, Oct. 24, 201 ...
Mit Chanel-Model Lily-Rose Depp, Tochter der Vanessa und des Johnny.Bild: Evan Agostini/Invision/AP/Invision

Karl Lagerfeld war in solchen Dingen erstaunlich undezent und undiplomatisch, er scherte sich einen Dreck um die Meinung von moderateren Gemütern, er nannte Selfies «elektronische Masturbation» und sagte über den deutschen Designer Wolfgang Joop, der es nie nach Paris, sondern nur nach Potsdam hinaus schaffte: «Er sieht aus wie eine alte Geisha. Sein Drama ist, dass er nicht Ich ist. International kennt ihn doch keiner. Er kann alles gut imitieren, aber er hat keinen eigenen Stil.»

Doch wenn er arbeitete, wenn er zusammen mit seinen Schneiderinnen – ganz normalen älteren Damen – seine neuen Entwürfe in Kleider umsetzte, war er kein König, kein Exzentriker.

Dann stand er selbst ganz im Dienst jener höheren Macht, deren getriebener Diener er war, der Mode. Eine ungnädige Herrin. «Die Mode ist vergänglich, gefährlich und ungerecht», sagte er. Sein Beitrag dazu war schön. So schön. Nur dumm, dass es im Jenseits kaum so elegant und hellgrau glitzrig aussehen dürfte wie in seinem Pariser Diesseits. Merci monsieur.

Die Modewelt trauert: Karl Lagerfeld ist tot

Video: undefined/Keystone SDA
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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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goschi
19.02.2019 15:22registriert Januar 2014
sollte man einen Menschen, der derart offensiv und leider auch einflussreich das Bild des anorexen Models prägte und gar forderte wirklich derart über den Klee loben?

Wenige andere Menschen kann man mit diesem in höchstem Masse ungesunden und auch die Psyche von unendlich vielen jungen Mädchen schädigenden Bild derart in Verbindung setzen wie Karl Lagerfeld. Er ist quasi dessen Verkörperung gewesen.

Wenn schon jetzt überall ein Loblied nach dem anderen als Abgesang angestimmt wird, wäre als Kontrast ein kritischer Artikel - gerade von Ihnen Frau Meier - viel wünschenswerter.
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Flunderchen
19.02.2019 16:05registriert Mai 2016
Muss ihm nicht danken, hat er denn etwas sinnvolles getan für die Welt? Hat er sie verbessert?
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Groovy
19.02.2019 19:48registriert Januar 2014
Wo cares... wer nur der Verpackung huldigt, hat irgendwie die Essenz des Lebens nicht begriffen.
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