Er ist der neue Hoffnungsträger von täglich 1,3 Millionen SBB-Reisenden und 33'000 Mitarbeitenden: Der 57-jährige Freiburger Vincent Ducrot übernimmt bei den SBB ab April 2020 das Zepter von CEO Andreas Meyer. Und bekleidet damit den wohl prestigeträchtigsten Chefposten des Landes.
Die Wahl des Direktors der Freiburgischen Verkehrsbetriebe zum SBB-Chef ist bemerkenswert. Er zeugt von einem Kurswechsel in der SBB-Teppichetage um 180 Grad. Denn mit Ducrot ernennt der Verwaltungsrat einen Bähnler alter Schule als obersten Chef. McKinsey-Manager-Typen à la Meyer sind nicht mehr gefragt.
Als «sehr umgänglich und nahbar» wird Ducrot von Leuten beschrieben, die mit ihm zusammengearbeitet haben. «Er ist das pure Gegenteil von Meyer», so ein Insider zu watson.
Ein Blick auf das Linkedin-Profil von Ducrot zeigt, weshalb. Als Profilbild verwendet Ducrot kein Hochglanz-Foto wie andere Spitzenmanager. Sondern ein banales Selfie, das ihn lachend in seinem Büro zeigt.
Ducrot kennt die SBB aus dem Effeff. Der ausgebildete Elektroingenieur trat 1993 in den Dienst der Bundesbahnen und arbeitete dort zuerst in der Informatik.
Als ÖV-Delegierter der Landesausstellung Expo.02 sorgte der Weggefährte des früheren SBB-Generaldirektors Benedikt Weibel dafür, dass an manchen Tagen bis 300'000 zusätzliche Passagiere in die vier Expo-Städte gelangen.
Danach ging es auf der Karriereleiter steil aufwärts. Von 1999 bis 2011 war er Chef der prestigeträchtigen SBB-Fernverkehrssparte. Für kurze Zeit leitet er interimistisch den gesamten Personenverkehr der Bundesbahnen.
2011 verliess er als letzter Kadermann aus der Weibel-Ära die SBB und wechselte zu den Freiburger Verkehrsbetrieben (TPF). Dort trieb er die Digitalisierung voran. 2016 lancierten die TPF als erstes ÖV-Unternehmen die revolutionäre App Fairtiq, die mittels Tracking-Verfahren automatisch immer das günstigste ÖV-Ticket wählt. Inzwischen haben auch die SBB mit «Easyride» die Technologie von Fairtiq in ihre App integriert.
Ducrot hat jedoch einen gewichtigen Tolggen im Reinheft. Unter seiner Führung wurde die zwei Milliarden Franken teure Beschaffung des FV Dosto aufgegleist. Ducrot unterzeichnete den Kaufvertrag. Der sechs Jahre verspätete «Schüttelzug» hat sich inzwischen zum grössten Beschaffungsflop in der Schweizer ÖV-Geschichte entwickelt. Welche Rolle Ducrot bei der Bestellung des FV-Dosto tatsächlich spielte, ist jedoch nicht klar. Das Auswahl-Prozedere fand hinter verschlossenen Türen statt.
Zehn Jahre später ist es nun am neuen SBB-Chef Ducrot, den FV-Dosto endlich richtig auf die Schiene zu bringen und dafür zu sorgen, dass die SBB-Reisenden nicht mehr in überfüllten und verschmierten Zügen durchs Land fahren müssen.
Hier will Ducrot seine Prioritäten setzen: Im Bahnbetrieb sei es zentral, mit Qualität zu überzeugen: «Sicherheit, Pünktlichkeit, Sauberkeit stehen für mich an erster Stelle», lässt sich Ducrot in einer SBB-Mitteilung zitieren. «Dazu gehört auch eine gute Kundeninformation für die Reisenden, insbesondere im Störungsfall».
Zudem muss Ducrot so rasch als möglich das verlorene Vertrauen der SBB-Mitarbeitenden in die Führungsetage zurückgewinnen und den Service-Public-Gedanken wieder verankern.
Ob bei den Lokführern, Unterhalt oder Zugbegleitern, bei den SBB fehlt es nach unzähligen Reorganisationen und Fehlplanungen an allen Ecken und Enden an Personal. «Die Chefs sind meilenweit von der Realität entfernt», sagte die Vizepräsidentin der Eisenbahnergewerkschaft SEV kürzlich im watson-Interview.
Nun liegt es also an Ducrot, mit einem realistischen Blick dafür zu sorgen, dass sowohl die Belegschaft als auch die Passagiere wieder stolz auf die SBB sein können. 13 Jahre wie Meyer wird Ducrot übrigens die SBB nicht führen. Voraussichtlich in acht Jahren geht der sechsfache Familienvater in Pension.
SBB-Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar gab Ducrot bei der Präsentation schon eine erste Aufgabe auf den Weg: Ducrot solle in den nächsten Jahren gezielt einen jungen Nachfolger oder eine Nachfolgerin aufbauen, dies sei eine essentielle Aufgabe eines CEO. Auch in diesem Punkt hat der amtierende Chef Andreas Meyer offensichtlich versagt.
Sein LinkedIn Profilbild ist für mich aber eher Zeichen einer Miserablen Handykamera und von einem Selfie-Skill-Niveau nahe dem meiner Mutter als von Jovialität. Ist aber vlt auch Interpretationssache 😂
Hoffentlich wird es jetzt wieder ein bisschen besser.