Über 300 junge Männer und Frauen bewerben sich jedes Jahr bei der Schweizer Luftwaffe – sie wollen Pilot oder Pilotin werden. Auf die wenigen, die die Eignungsprüfung bestehen, wartete bisher eine sehr lange Ausbildung. Sieben Jahre dauerte es bis zum vollwertigen Kampfjet- oder Helikopter-Piloten. Doch: Das war einmal.
Die Führung der Schweizer Armee hat entschieden, die Ausbildung um zwei Jahre zu verkürzen und umzustrukturieren. Und zwar beinahe ab sofort: Bereits jene, die im September ihre Ausbildung beginnen, werden nur noch fünf Jahre ausgebildet. Die Verkürzung erfolgt komplett zulasten der theoretischen Ausbildung. Bislang musste jeder zukünftige Militärpilot drei Jahre Aviatik an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) studieren – eine akademische Ausbildung, die zukünftig wegfällt.
«Die Luftwaffe reagiert auf die sich wandelnden Bedürfnisse der Jugendlichen, um auch zukünftig genügend motivierte junge Schweizerinnen und Schweizer für den Beruf der Militäraviatik zu begeistern», schreibt Armeesprecherin Delphine Allemand auf Anfrage von watson. Anders ausgedrückt: Wer heute Pilot werden will, möchte möglichst schnell im Cockpit sitzen und abheben.
Von einem Nachwuchsproblem will die Luftwaffe zwar nichts wissen. Die Anzahl Bewerber sei in den letzten zehn Jahren stabil geblieben, so Allemand. Es gebe nach wie vor ein grosses Interesse an der Luftfahrt.
Die verkürzte Ausbildung ist in erster Linie wohl vor allem für die Armee selber attraktiv. Oder wie es Thomas Hurter, Nationalrat der SVP und früher selber Kampfjetpilot, formuliert: «Wer Pilot werden will, muss ins Cockpit und nicht seine besten Jahre, in denen er körperlich am leistungsfähigsten ist, mehrheitlich auf der Schulbank verbringen. Die Luftwaffe braucht die Piloten in ihrem besten Alter. Studieren können sie auch nachher noch.»
Denn vielfach würde bereits ab dem 35. Lebensjahr die körperliche Leistung eines Piloten abnehmen, so Hurter, der in der Schweizer Armee Aufgaben als Fluglehrer wahrnimmt.
Auch GLP-Nationalrat Beat Flach begrüsst den Entscheid. Der Vergleich mit anderen Ländern zeige, dass eine Ausbildung von fünf Jahren durchaus genüge. Zweifel hegt SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, die wie Flach und Hurter in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats sitzt. «Ein Kampfjet ist immer mit mehr Technologie ausgestattet. In dem Wissen habe ich gewisse Zweifel, ob es geschickt ist, bei der theoretischen Ausbildung zu sparen.»
Die Armee selber verneint, dass durch die Änderung zukünftig schlechtere Piloten den Steuerknüppel in der Hand halten. Ganz im Gegenteil: Die Armeesprecherin spricht von einem qualitativen Mehrwert. Denn durch den Wegfall der akademischen Ausbildung hätten nun auch zukünftige Helikopterpiloten die Möglichkeiten, umfassendere Erfahrungen im Schulflugzeug PC7 zu sammeln.
Die Anforderungen, der Auswahlprozess und die Offiziersausbildung zukünftiger Piloten blieben in der heutigen Form bestehen. Auch die Gesamtkosten bleiben nach Angaben der Armee «etwa gleich», wobei sich die Investitionen in die Piloten jedoch schneller auszahlten.
«Ein akademisches Studium ist keine Voraussetzung für gute fliegerische Fähigkeiten», heisst es auch an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, an der die zukünftigen
Armeepiloten bisher studierten. Ein abgeschlossenes Studium sei aber sicher eine gute Voraussetzung, um später mehr Verantwortung zu übernehmen.
Der Aviatik-Studiengang an der ZHAW ist durch den Wegfall der zukünftigen Armeepiloten nicht gefährdet. Rund 90 Personen schreiben sich jedes Jahr neu für den Studiengang ein, der sich mehrheitlich an zukünftige Ingenieure richtet. Darunter waren bisher jeweils zwischen fünf und 16 Militärfluganwärter der Luftwaffe.