Jeder Velofahrer kennt die Situation. Man radelt gemütlich auf dem Veloweg. Plötzlich kommt von hinten ein schnelles E-Bike oder ein Rennvelo angebraust und überholt zackig. Das Problem: 375 Unfälle gab es im vergangenen Jahr auf Velowegen. Bei jedem fünften Unfall crashte ein E-Bike-Fahrer mit einem anderen Velo oder E-Bike.
Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) sieht nun Handlungsbedarf. Präsident Ruedi Blumer fordert in der «Aargauer Zeitung» Tempo 30 auf Velowegen: «Das Problem sind die grossen Geschwindigkeitsunterschiede.» Dies besonders auf engen Velowegen in der Stadt, die noch in vielen Schweizer Städten Standard sind.
Es geht aber auch anders, wie ein Blick nach Bern zeigt:
Die Stadt Bern hat 2016 die erste, gut drei Kilometer lange «Velobahn» eröffnet. Diese führt vom Hauptbahnhof Richtung Wankdorf. Bis 9000 Biker verkehren auf dieser bis drei Meter breiten Velospur pro Tag in beide Richtungen. Als Vorbild dienen den Bernern die XXL-Velowege in der dänischen Velo-Metropole Kopenhagen.
Neben baulichen Massnahmen sorgt eine «grüne Welle» bei den Ampeln dafür, dass Radler ohne Stops bei Kreuzungen möglichst rasch vorwärtskommen.
Die Berner Verkehrsdirektorin Ursula Wyss (SP) treibt die «Velo-Offensive» in Bern voran. «Bei drei Meter breiten Velowegen entschärft sich der Konflikt zwischen langsamen und schnellen Velos». Denn die Biker könnten einander einfacher überholen.
Für sie ist aber klar: Auch schnelle E-Bike-Fahrer müssten vor dem Verkehr geschützt werden. «Die beste Lösung ist, Velowege baulich von den Hauptstrassen abzutrennen».
Hier sieht sie in allen grossen Schweizer Städten Nachholbedarf. Auch in Bern. Darum plant die Bundesstadt weitere Velohauptrouten nach Köniz und Ostermundigen. «Es braucht in der Schweiz generell eine bessere Infrastruktur für Velos», so Wyss.
Auf der Velohauptroute vom Bahnhof Richtung Wankdorf hat es laut dem Berner Verkehrsplaner Karl Vogel in den letzten zwei Jahren drei schwerere Velounfälle gegeben. Um die Sicherheit für die Velofahrer weiter zu erhöhen, plant die Stadt beim Bahnhof und auf der Lorrainebrücke Tempo 30 für alle – also auch für Autos – einzuführen.
«Wo es viele Velos, Autos und Lastwagen hat, macht Tempo 30 aus Sicherheitsgründen Sinn», so Vogel. Auf der Lorrainebrücke will die Stadt zudem eine Autospur opfern, damit Velofahrer mehr Platz erhalten.
Bern hat sich zwar selbst zur Velohauptstadt erkoren. Wie sich die Biker auf den neuen Velorouten zu verhalten haben, ist aber noch nicht bei allen angekommen.
Michael Sutter, Präsident von Pro Velo Bern, sagt: «Ich sehe immer wieder Radfahrer, die in der Mitte der Velospur statt am rechten Rand fahren. So bleibt es auch bei einer drei Meter breiten Velospur schwierig, zu überholen».
Insgesamt ziehe er jedoch ein positives Fazit. Von den grünen Wellen profitierten übrigens auch Autofahrer. «Der Verkehrsfluss hat sich insgesamt verbessert», so Sutter.
Von einer Geschwindigkeitsbegrenzung für Velofahrer hält Sutter nichts. «Wenn man genug Platz zum Überholen hat, ist ein Tempolimit nicht nötig.» Es wäre zudem unverhältnismässig, wenn man plötzlich alle Rennvelos und E-Bikes mit einem Tacho ausrüsten müsste.
Auch der Berner Verkehrsplaner Vogel steht einer Tempo-30-Limite auf Velowegen kritisch gegenüber. «Es ist ein grosser Unterschied, ob ein Veloweg übers Land oder durch die Stadt führt. Auf dem Land macht Tempo 30 wenig Sinn».