Kurt Waldmeier, Andreas Pfisterer, Andreas Züblin und Tobias Koch (v.l.n.r.) von Ju Air während einer Schweigeminute an der Medienkonferenz.Bild: KEYSTONE
17.08.2018, 10:5517.08.2018, 16:38
Flug nach Deutschland abgehoben, Rundflug abgesagt
Die Ju-Air hat am Freitagnachmittag den Flugbetrieb nach dem Absturz einer Junckers Ju-52 am 4. August mit 20 Todesopfern wieder aufgenommen. Kurz nach 16 Uhr startete wie vorgesehen eine der zwei verbleibenden Maschinen der Ju Air, geflogen von Chefpilot Andreas Pfisterer, nach Bensheim in Deutschland. Die Passagiere - eine Gruppe aus Deutschland - reisten mit dem Bus nach Dübendorf und fliegen dann zurück. Das Flugzeug trägt einen Trauerflor.
Auf dem Weg Richtung Norden: Die HB-HOS der Ju-Air.Bild: screenshot flightradar24
Einer um 18 Uhr 30 geplanter, einstündiger Rundflug ab Dübendorf musste jedoch wegen einer Gewitterprognose abgesagt werden. Er hätte von Ju-Air-Chef Kurt Waldmeier selbst durchgeführt werden sollen. Dies sagte Waldmeier am Freitagvormittag vor den Medien in Dübendorf ZH.
Testflug am Morgen
Am Morgen hatten CEO Waldmeier und Chefpilot Pfisterer mit der nach Deutschland fliegenden Maschine einen Testflug durchgeführt. Er selbst habe kein seltsames Gefühl im Cockpit. Es sei «ein Gefühl von Freiheit», eine Ju zu fliegen, sagte er zu Keystone-SDA. Chefpilot Pfisterer sprach von einem «Gefühl der Erlösung», dass die Ju wieder fliegen kann.
eim Testflug wurden insbesondere die vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) empfohlenen Systeme getestet (siehe Punkt 3). Zudem haben Bazl-Inspektoren die «Tante Ju» untersucht.
Waldmeier legte an der Medienkonferenz Wert auf die Feststellung, dass der Flugbetrieb einzig aufgrund von Fragen der Sicherheit wieder aufgenommen worden sei: «Wirtschaftliche Faktoren haben keine Rolle gespielt.» Für einen Teil der Menschen sei der Zeitpunkt falsch, aber es gebe wohl keinen richtigen Zeitpunkt.
Auflagen erfüllt, Untersuchung dauert an
Das Bazl hatte der Ju-Air am Donnerstag erlaubt, den Flugbetrieb ab Freitag unter drei Auflagen wieder aufzunehmen. So müssen die Oldtimer-Flugzeuge erstens eine Flughöhe einhalten, die über der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestflughöhe liegt. Zweitens müssen sie ein GPS-Datenaufzeichnungsgerät an Bord haben. Und drittens müssen die Passagiere während des ganzen Flugs angeschnallt bleiben. Sie dürfen nicht mehr im Flugzeug herumgehen und das Cockpit besuchen.
Die Untersuchung der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) kann bis zu einem ersten Zwischenergebnis mehrere Wochen oder gar Monate dau
Die Geschichte der «Tante Ju»
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Die Geschichte der «Tante Ju»
Am Piz Segnas oberhalb von Flims in Graubünden ist am 4. August 2018 ein mehrplätziges Flugzeug abgestürzt. Beim Flugzeugtyp handelt es sich um eine Junkers Ju-52, ein Oldtimer, der in den 1930er in Deutschland entwickelt und bis Anfang der 1950er Jahre gebaut wurde. (Bild: ju-air.ch)
Gespräche mit allen Teammitgliedern geführt
Seit dem Unglück vom 4. August haben die Verantwortlichen der Ju Air mit allen Teammitgliedern Gespräche geführt - von der Pilotin über das Kabinenpersonal bis zu den Check-in-Agenten.Alle sind laut Waldmeier unter anderem zu ihrer Flugtauglichkeit befragt worden. Einige der Mitarbeitenden brauchten eine Pause, sagte er. Auch einer der 24 Piloten sei noch nicht bereit, wieder zu fliegen. Man betrachte das als Zeichen der Stärke und lege es nicht negativ aus.
Kaum Annulierungen
Die Nachfrage nach Flügen mit den beiden verbleibenden Ju-Flugzeugen mit Jahrgang 1939 ist ungebrochen. Gemäss Waldmeier halten 80 Prozent der Passagiere an ihren Buchungen für die aktuelle Saison fest. 10 Prozent hätten ihren Flug verschoben, und 10 Prozent hätten ihn annulliert, weil sie verunsichert seien. Dennoch seien rund 40 Prozent der Flüge gefährdet, weil ein Flugzeug weniger zur Verfügung steht. (cbe/sda)
Liveticker der Medienkonferenz zum Nachlesen
Chefpilot Andreas Pfisterer, der heute mit einer Ju-52 nach Deutschland fliegt: «Es wird sicher ein spezielles Gefühl sein, aber auch ein Gefühl der Erleichterung, dass der Flugbetrieb wieder losgeht. Ich werde mich vor dem Abflug bei den Passagieren für ihr Vertrauen bedanken.»
Die Fragerunde ist abgeschlossen. Jetzt können die anwesenden Medienschaffenden die zwei noch verbleibenden Ju-52 von Ju Air besichtigen. Wir liefern gleich Bilder aus dem Flugzeuginnern.
Bei einem Treffen im Theoriesaal der Ju Air am Donnerstag haben sich die rund 20 versammelten Piloten gemäss CEO Waldmeier kritische Fragen gestellt. Doch bis auf einen Piloten hätten sich alle bereit gefühlt, wieder zu fliegen. Der Pilot, der sich noch mehr Zeit gewünscht hat, bis er wieder eingesetzt wird, habe professionell gehandelt, ergänzt Sprecher Christian Gartmann: «Die Frage nach dem fit to fly stellt sich jeder Pilot vor jedem Flug, nicht bloss nach einem Absturz. Wir rechnen es ihm positiv an, dass er von sich aus mitgeteilt hat, dass er sich noch nicht in der Lage fühlt, zu fliegen.»
Bild: KEYSTONE
Chefpilot Andreas Pfisterer (rechts) fliegt heute mit einer Gruppe aus Deutschland an ein Segelflugwochenende nach Bensheim südlich von Frankfurt am Main. Es werde sicher ein spezielles Gefühl sein auf dem ersten Flug. Allerdings auch ein Gefühl der Erlösung. Er werde sich bei den 17 Passagieren für das der Ju Air entgegengebrachte Vertrauen bedanken, sagt Pfisterer: «Wir haben mit allen gesprochen und sie haben alle gesagt: Ja, wir wollen fliegen.»
Eine Journalistin des Aviatik-Magazins Cockpit will wissen, ob sogenannte «Stall-Übungen» für den Umgang mit Strömungsabrissen durchgeführt werden. Laut Chefpilot Andreas Pfisterer gehören diese zur Grundausbildung und werden im Rahmen von «Refresh»-Ausbildungen regelmässig aufgefrischt. Die Stall-Übungen werden in verschiedenen Flugzeugmodifikationen durchgespielt. Sie finden jeweils über unbewohntem Gebiet statt.
Eine Reporterin des Blicks will wissen, ob allenfalls eine Gewichtsverlagerung durch sich frei bewegende Passagiere zum Absturz geführt haben könnte. Ju Air-Sprecher Christian Gartmann stellt klar, dass die Ju Air keine Spekulationen kommentieren würden. Die Passagiere durften sich bisher jeweils nach dem Start im Flugzeug frei bewegen, allerdings nur im Gang. In den 36 Jahren des Flugbetriebs habe das nie zu Problemen geführt.
Im Hangar der Ju Air auf dem Flugplatz Dübendorf sind auf einem Tisch 20 Kerzen für die Todesopfer des Absturzes vom 4. August aufgestellt.
Bild: watson/cbe
Die abgestürtzte Ju-52 mit dem Kürzel HB-HOT sei Ende Juli während mehreren Tagen penibel überprüft worden. Dabei seien keinerlei Mängel festgestellt worden.
Cheftechniker Andreas Züblin erläutert die Wartung der Ju-52. Die Ju Air übertreffe dabei die gesetzlichen Anforderungen. So werde etwa bei den Maschinen nach 35 Flugstunden eine Kontrolle durchgeführt statt erst nach 50 Stunden.
Während der für heute Abend geplante Rundflug von Dübendorf aus Wettergründen abgesagt wurde, sind für morgen Samstag 5 Rundflüge geplant. Mit der Maschine, welche heute Nachmittag nach Bensheim in Deutschland geflogen wird, sind morgen sogar 6 Rundflüge geplant.
Andreas Pfisterer, der den heute um 16 Uhr startenden Flug einer Ju-52 nach Deutschland fliegen wird, informiert über die Selektion und die Ausbildung der Piloten bei der Ju Air. Erst nach 200 Flugstunden als Kopilot an der Seite eines erfahrenen Piloten darf ein Pilot eine Ju fliegen. Derzeit umfasst das Ju-Air-Piloten-Korps 24 Mitglieder, darunter eine Frau.
CEO Kurt Waldmeier betont, dass es keine wirtschaftlichen Gründe für eine Wiederaufnahme des Flugbetriebs gebe. Die Sicherheit stehe bei Ju Air an erster Stelle. Die gestern vom Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL verfügten zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen habe man vollständig erfüllt. Der Flugbetrieb der Ju Air sei immer sicher gewesen und werde das auch immer bleiben.
Zwar seien 80 Prozent der Buchungen von vor dem Absturz bestehen geblieben. Bei 10 Prozent der Buchungen hätten Kunden um eine Verschiebung gebeten. Weitere 10 Prozent seien annuliert worden. Trotzdem sind 40 Prozent der Flüge gefährdet, weil der Ju Air seit dem Absturz eines ihrer bisherigen drei Flugzeuge fehlt.
Aufgrund der Wetterlage habe er sich dazu entschieden, den geplanten Rundflug von heute Abend 18 Uhr 30, den er als Pilot selber geflogen wäre, abzusagen sagt CEO Kurt Waldmeier.
Gemeinsam mit Chefpilot Andreas Pfisterer und Cheftechniker Andreas Züblin habe er mit allen Piloten, Flugbegleiterinnen, Mechanikern, Check-In- und Administrationsmitarbeitern gesprochen. Es müsse niemand auf einen Flug, der sich dazu nicht in der Lage fühle.
Er sei sich bewusst, dass der Entscheid über den Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Flugbetriebs nicht für alle richtig sei. Es gebe dafür aber keinen objektiv richtigen Moment. Es gelte Fragen der Pietät, aber auch der operationellen Sicherheit zu berücksichtigen.
Die Medienkonferenz eröffnet CEO Kurt Waldmeier. Mit dem Absturz habe eine neue Ära für die Ju Air begonnen. Denn zuvor hatte man in den 36 Jahren währenden Geschichte der Ju Air kein einziges Todesopfer und keine Verletzten beklagen müssen. Heute gedenke man nicht nur den schönen Momenten dieser Geschichte, sondern vor allem den Toten vom 4. August.
Zu Beginn der Medienkonferenz ruft Sprecher Christian Gartmann die Anwesenden zu einer Schweigeminute in Gedenken an die Verstorbenen auf. Am Donnerstagabend hatten die Verantwortlichen der Ju Air gemeinsam mit rund 150 freiwilligen Helfern der Fluggesellschaft eine Gedenkfeier für die 20 Todesopfern des Absturzes vom 4. August durchgeführt.
In Dübendorf informiert die Spitze von Ju Air informiert über die heutige Wiederaufnahme des Flugbetriebs, knapp zwei Wochen nach dem Absturz einer Junckers Ju-52 am Piz Segnas in Graubünden.
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