Die Wanderskala wurde neu bewertet – das ist der Grund
Jeder, der hin und wieder wandert, kennt sie: die SAC-Wanderskala. Mit T1 bis T6 werden die Schwierigkeiten von Wanderrouten beurteilt (T steht für Trekking). Bisher galt die Faustregel: T1 findet man auf Wanderwegen (gelb), T2 und T3 auf Bergwanderwegen (rot), T4 bis T6 für Alpinwanderwege (blau). Unzählige Wanderinnen und Wanderer nutzen diese Klassifizierung in der Vorbereitung auf Touren.
Der Schweizer Alpen-Club SAC hat die Wanderskala jetzt überarbeitet und neu gestaltet. Grafische Elemente und einfachere Formulierungen sollen die Lesbarkeit und Verständlichkeit verbessern. Die Wanderskala soll weiterhin auch helfen, Unfälle zu reduzieren.
Marco Volken, Hauptautor des Lehrbuchs zum Thema Wandern und Mitverantwortlicher der Wanderskala, hat uns erklärt, was angepasst wurde – und weshalb.
Marco Volken, die Wanderskala war doch tipptopp, warum habt ihr die überarbeitet?
Marco Volken: Die Wanderskala wurde 2002 eingeführt und seither nur wenig verändert. Es war an der Zeit, diese verständlicher und lesbarer zu machen. Es soll eine bessere Abbildung der Realität im Gelände erreicht werden.
Wurde inhaltlich etwas verändert?
Nein, wir haben keine Änderungen vorgenommen, die rechtlich relevant wären. (Anm. d. Red.: siehe Infobox)
🥾 Die Wanderweg-Kategorien (gelb, rot, blau) sind nicht mehr scharf abgegrenzt einzelnen T-Graden zugeordnet, sondern fliessen ineinander über, was die Realität im Gelände besser abbildet.
🥾 Die Kurzbeschreibungen zu den T-Graden (Wandern, Bergwandern, anspruchsvolles Bergwandern etc.) wurden entfernt, da solche zusätzlichen Begriffe auch in anderen Schwierigkeitsskalen (etwa beim Felsklettern) nicht existieren.
🥾 Die Angaben zur erforderlichen Ausrüstung wurden entfernt.
🥾Die bisherigen Beispieltouren wurden durch neue, zeitgemässe Beispiele ersetzt.
Auf den ersten Blick sehe ich, dass ihr die Abgrenzung von Wanderweg, Bergwanderweg und Alpinwanderweg nicht mehr fix an die T-Grade gekoppelt habt, sondern die Übergänge fliessend sind. Das fand ich vorher klarer.
Das ist näher an der Realität. Und eine BFU-Studie zeigte kürzlich, dass viele Schweizerinnen und Schweizer die Bedeutungen der Farben (gelb, rot, blau) erstaunlicherweise nicht kennen. Die Wanderskala (T1 bis T6) hat einen leicht anderen Ansatz und eignet sich für jede Art von Routen inklusive schwierigem, weglosem Gelände.
Was hat es eigentlich mit diesen Farben der Wegweiser auf sich?
Das sind die farblichen Markierungen der Schweizer Wanderwege. Sie sind ein guter Einstieg. Die T-Skala wird dann detaillierter.
Was wird denn bei der Beurteilung überhaupt beachtet?
Die vier Kriterien sind Geländeschwierigkeit (technisch), Ausgesetztheit (psychisch), Orientierungsschwierigkeit und Absturzgefahr.
Was ist mit der Ausrüstung?
Die haben wir bewusst rausgenommen. Eine T4-Passage kann ein grobes Blockfeld sein, aber auch eine glatte Felsplatte. Da sind manchmal leichte Schuhe ausreichend, manchmal braucht man mehr Halt. Wir wollen auch keine Ausrüstungstipp-Skala, da sind die Wanderinnen und Wanderer zu individuell. Grundsätzlich gilt: Je höher die Schwierigkeit, je schlechter die Wegqualität und je rauer und instabiler das Gelände, desto eher empfehlen sich stabile Bergschuhe mit hohem Schaft und torsionsfester Sohle.
SAC-Wanderskala: So sehen die Wege bei T1 bis T6 aus
Was wird neben der Ausrüstung auch nicht (mehr) thematisiert?
Nicht relevant sind: die Länge der Route, die Abgeschiedenheit, die Höhenlage, die Häufigkeit der Begehung, die Ernsthaftigkeit (Länge der schwierigen Passagen etc.) und übrige Gefahren wie Wettersturz, Steinschlag, Lawinen und so weiter.
Warum sind die nicht drin?
Es geht um eine Schwierigkeitsskala, nicht um eine Gefahrenskala. Wichtig auch: Was landläufig unter Wandern und Bergwandern gemeint ist, spielt sich alles im Bereich T1 bis T3 ab. Routen ab T4, und erst recht jene um T5 und T6, erfordern in aller Regel Fähigkeiten, die ins Alpinistische reichen. Das gilt auch fürs Pendant bei der Wanderweg-Markierung, also für die weiss-blau-weiss signalisierten Alpinwanderwege.
Wurden mit der Anpassung der Wanderskala auch konkret Wanderwege neu beurteilt?
Nein, die Kriterien und Farbmarkierungen der offiziellen Wanderwege hängen nicht mit der Wanderskala zusammen. Sie bleiben unverändert – und haben sich ja auch bewährt. Grundsätzlich sind für die offiziellen Wege die Kantone, die Fachstellen der Wanderwege und das Bundesamt für Strassen zuständig.
Mir fällt immer wieder auf, dass ehemals weiss-rot-weisse Wanderwege weiss-blau-weiss übermalt wurden. Oder auch umgekehrt. Wie kommt das?
Das kann man nicht pauschal sagen. Vielleicht hat sich die Wegführung geändert. Grundsätzlich ist es auch so, dass weiss-rot-weisse Wege häufiger kontrolliert werden. Bei weiss-blau-weissen setzt man mehr auf Eigenverantwortung, vielleicht entsprach die Farbwahl früher nicht den Gegebenheiten und wurde dann korrigiert.
Es gibt das Gerücht, dass weiterführende Wege rund um Touristenhotspots eher schwieriger beurteilt werden, weil man damit auch unerfahrene Berggänger schützen will. Ist da was dran?
Nein. Es gibt keine «Rabatte» oder «Zuschläge» bei der Beurteilung von Wanderwegen. Die Kategorien gelten unabhängig vom Standort. Sonst würde die Glaubwürdigkeit leiden. Aber vielleicht stellt man an solchen Orten eher mal noch ein zusätzliches Warnschild auf, für all jene, die unser Farbsystem nicht kennen.
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Wenn man von Sargans auf den Gonzen wandert, ist der Weg da als T4 klassifiziert. Wirklich schwierig ist aber nur eine kurze Stelle mit zwei senkrechten Leitern. Warum wird dann der ganze Weg höher eingestuft?
Wege werden immer von Abzweigung zu Abzweigung bewertet. Die höchste Schwierigkeit ist dafür entscheidend. Aber ja, für genau solche Szenarien lohnt es sich, sich beispielsweise mit Tourenberichten vorzubereiten. Auch wenn der Weg T4 ist. Wenn die Schwierigkeit nur ein kurzes Stück betrifft, traut man sich das vielleicht eher zu, als wenn man weiss: Der ganze Wegabschnitt erfordert jetzt höchste Konzentration.
Erhoffen Sie sich weniger Unfälle durch die neue Wanderskala?
Das wäre natürlich schön. Die Überarbeitung hatte das nicht als Hauptziel. Aber vielleicht geschieht dies als Nebeneffekt. Wenn die Wanderskala bekannter wird. Dann wäre schon einiges getan.
Reto Fehr
Man muss die Schweiz verdammt gut kennen, wenn man sie besser kennen will als Reto Fehr. Mit seiner Tour dur d'Schwiiz radelte er 2015 alle damals 2324 Gemeinden ab. Entstanden ist daraus das preisgekrönte Buch Tour dur d'Schwiiz. Als einer von wenigen besuchte er somit schon jede Gemeinde der Schweiz. In der Folge absolvierte Reto die Ausbildung zum Wanderleiter des Schweizer Bergführerverbandes SBV und ist in seiner Freizeit meist in der Natur unterwegs, wozu er dich auf seinem Instagram-Account immer mal wieder mitnimmt. Als Mitglied des Rätsel-Kollektivs geoblog.ch lässt er die User zudem mehrmals wöchentlich die Schweiz in Bildern entdecken.