
Heidi Z'graggen setzt sich bei den SVP-Parlamentariern überraschend deutlich durch.Bild: KEYSTONE
27.11.2018, 18:2327.11.2018, 19:24
Die Chancen der CVP-Kandidatin Heidi Z'graggen, Bundesrätin Doris Leuthard zu beerben, sind weiter gestiegen. Nach dem Hearing hat die SVP-Fraktion am Dienstag entschieden, mehrheitlich die Urner Regierungsrätin zu unterstützen.
Z'graggen kam auf 38 Stimmen, ihre Konkurrentin Viola Amherd auf 10. Das gab Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) nach der Fraktionssitzung bekannt. 7 Wahlzettel waren nach seinen Angaben leer eingelegt worden. Die übrigen Mitglieder der 74-köpfigen Fraktion hatten aus terminlichen Gründen nicht an der Sitzung teilgenommen.
Das ist eine Überraschung, denn Z'graggen gehört im Gegensatz zu Amherd nicht dem Bundesparlament an. Dass die Urner Justizdirektorin einen so grossen Vorsprung auf die langjährige Walliser Nationalrätin herausholen würde, konnte nicht unbedingt erwartet werden.
EU-Skepsis bei Z'graggen
Z'graggen überzeugte die SVP jedoch mit ihren politischen Ansichten. «Wir haben gespürt, dass eine gewisse Skepsis gegen eine zu enge Anbindung an die EU vorhanden ist», sagte Aeschi. Zudem sei Z'graggen in wirtschaftspolitischen Fragen liberal und wolle nicht zu viele Regulierungen einführen.
Die Ersatzwahl für den frei werdenden CVP-Sitz verspricht mit dem Entscheid der SVP-Fraktion Spannung. Bei der Nomination hatte die CVP-Fraktion unerwartet klar den Zuger Ständerat Peter Hegglin übergangen und an seiner Stelle die in Bundesbern weniger bekannte Urner Justizdirektorin aufs Ticket genommen.
Erinnerung an die Hardlinerin
Etwas weniger überraschend ist die Unterstützung der SVP-Mehrheit für FDP-Kandidatin Karin Keller-Sutter. Auch sie bekam 38 Stimmen, der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki kam auf 16 Stimmen. Die St. Galler Ständerätin Keller-Sutter galt von Anfang an als Favoritin für die Nachfolge von Bundesrat Johann Schneider-Ammann.

Karin Keller-Sutter im Gespräch mit Adrian Amstutz und Christoph Blocher.Bild: KEYSTONE
Ihre Politik überzeugte auch die SVP-Fraktion. Keller-Sutter habe als St. Galler Regierungsrätin immer eine sehr klare Linie in der Migrations- und Asylpolitik verfolgt, sagte Aeschi. «Wir hoffen, dass sie diese klare Linie auch in den Bundesrat tragen wird».
Aeschi hob auch die grosse Regierungserfahrung der beiden Kandidatinnen hervor. Zudem komme Keller-Sutter aus der Ostschweiz, die schon lange nicht mehr im Bundesrat vertreten gewesen sei. Und der Kanton Uri wäre überhaupt zum ersten Mal in der Landesregierung vertreten.
Begrenzte Begeisterung über FDP-Ticket
Die Grünen und die Grünliberalen wollen erst kommende Woche entscheiden, wem sie ihre Stimmen geben. Die GLP will sich dabei an die offiziellen Tickets halten, wie Fraktionschefin Tiana Moser (ZH) vor den Medien sagte.
Wichtig sei der GLP, dass die neuen Bundesratsmitglieder im Gremium für Offenheit gegenüber Europa, Klimaschutz und Frauen einstünden. Mit Blick darauf halte sich die Begeisterung über das FDP-Ticket in Grenzen.

Balthasar Glättli und Karin Keller-Sutter am Dienstag in Bern. Bild: KEYSTONE
Z'graggen selbst gab sich nach den Hearings bei der SVP, den Grünen und der GLP am Dienstag überzeugt, nicht nur mit Gemeinsamkeiten gepunktet zu haben. Sie habe ihre politischen Haltungen vertreten.
«Gegen den Föhn arbeiten»
Von ihren Bundesratsqualitäten scheint sie jedenfalls überzeugt. «Wenn man eine Regierung führen soll, wenn man Lösungen gemeinsam finden soll, dann muss man hinstehen und hier und da gegen den Föhn arbeiten», sagte die Urnerin.
Die Tatsache, dass sie als einzige der vier Kandidierenden nicht dem Bundesparlament angehört, hat Z'graggen nicht als Nachteil empfunden. Sie sei eine Macherin, sagte sie. Als Regierungsrätin sei sie auch mit der Bundespolitik vertraut.
Ein positives Fazit zog auch die zweite CVP-Kandidatin Viola Amherd. Es seien sehr interessante Gespräche in einer guten Atmosphäre gewesen. Sie habe ihre Positionen vertreten, ohne sich zu verbiegen. Das sei sowieso aussichtslos. «Man kennt mich im Haus.»

Dürfte vor allem bei den linken Parlamentariern punkten: CVP-Kandidatin Viola Amherd.Bild: KEYSTONE
«Nie Versprechungen machen»
Gefragt, ob sie den Fraktionen Versprechungen gemacht habe, sagte Amherd: «In der Politik sollte man nie Versprechungen machen.» Sie werde sich aber mit aller Kraft in den Dienst des Bundesrates stellen, versprach sie.
Karin Keller-Sutter sagte nach dem letzten Hearing des Nachmittags - bei der GLP -, es sei interessant gewesen. «Ich habe die Antworten gegeben, die ich aus eigener Überzeugung geben konnte.» Ähnlich hatte Keller-Sutter auch die Anhörung bei den Grünen kommentiert.
Die thematischen Schwerpunkte seien in den Gesprächen mit den drei Fraktionen unterschiedlich gewesen, bilanzierte Keller-Sutter. Zur Frage, ob sie ihrer Favoritenrolle gerecht geworden sei, sagte Keller-Sutter: «Das wurde ich nicht gefragt.»
Hans Wicki schliesslich sagte nach den Gesprächen, es sei überall interessant gewesen, und er habe gute Antworten gegeben. Kommenden Donnerstag habe er einen Termin bei Alliance F, sagte der einzige offiziell nominierte Mann im Rennen. Er gehe gerne hin, denn: «Wer ist schon nicht gerne bei Frauen?» Er sei gerne bei Frauen. (cma/sda)
Doris Leuthard – ihre Karriere im Rückblick
1 / 32
Doris Leuthard – ihre Karriere im Rückblick
quelle: keystone / anthony anex
Johann Schneider-Ammann – ein kurzer Rückblick
1 / 13
Johann Schneider-Ammann – ein kurzer Rückblick
quelle: keystone / gian ehrenzeller
Das könnte dich auch interessieren:
Im Rahmen des «European Green Deals» sagt die EU-Kommission dem grünen Etikettenschwindel den Kampf an. Schwammige Werbebegriffe wie «umweltschonend» sollen verschwinden. Die Schweiz zögert.
«Erfrischend natürlich» prangt auf der Eistee-Flasche. «Umweltneutral» verspricht die Verpackung der Sonnencreme. Selbst Fliegen geht «CO₂-neutral». Unternehmen und Dienstleisterinnen wissen: Das Umweltbewusstsein der Kundschaft steigt. Was grün angepriesen wird, verkauft sich besser.