Das Abstimmungswochenende ist abgehakt. Die drei eidgenössischen Vorlagen wurden im Sinne des Bundesrats entschieden. Nun geht es Schlag auf Schlag: Am Montag begann die Wintersession von National- und Ständerat. Einige gewichtige Geschäfte stehen auf dem Programm. Höhepunkt ist die Bundesratswahl von nächster Woche.
Der Endspurt für die Nachfolge von Doris Leuthard (CVP) und Johann Schneider-Ammann (FDP) hat damit begonnen. Etwas mehr als eine Woche verbleibt für die drei Bewerberinnen und den «Quotenmann», um sich den Parlamentariern zu empfehlen. Die Ausgangslage ist unterschiedlich: Bei der FDP hat sich an der seit Wochen bestehenden Konstellation rein gar nichts geändert.
Karin Keller-Sutter hat das Ständeratspräsidium am Montag dem Walliser Jean-René Fournier (CVP) übergeben. Nun kann die 54-Jährige unbelastet den Höhepunkt ihrer politischen Karriere anpeilen. Ein Scheitern scheint ausgeschlossen. Selbst die linkslastigen Publikationen Republik und WoZ haben wohlwollende Porträts über die rechtsbürgerliche St.Gallerin veröffentlicht.
Ihr Kontrahent, der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki, markiert unverdrossen den Optimisten. «Ich bin überzeugt, dass ich noch weiter aufholen kann, so dass es am Schluss nur noch eine reine Geschlechterfrage ist», sagte er im Interview mit der NZZ vom Samstag. Nur um sogleich einzuräumen, dass es grosse Unterschiede zwischen Keller-Sutter und ihm «jedenfalls nicht» gebe.
Bei gleicher Qualifikation müssten das Geschlecht und die grössere Erfahrung den Ausschlag geben, und da spricht alles für die erste FDP-Bundesrätin seit 30 Jahren. Wickis Trumpf ist seine Führungserfahrung in der Privatwirtschaft, doch auch das wird nicht reichen. Vielmehr wäre es fast schon eine Blamage, wenn KKS das absolute Mehr nicht bereits im ersten Wahlgang erreichen würde.
Ganz anders sieht es bei der CVP aus, deren einziger Sitz am 5. Dezember zuerst neu besetzt wird. Mit dem reinen Frauenticket, bestehend aus der Walliser Nationalrätin Viola Amherd und der Urner Regierungsrätin Heidi Z'graggen, ist der Fraktion ein Coup gelungen. Eine klare Favoritin zeichnet sich bislang nicht ab, wobei Amherd einen Startvorteil geniesst.
Die 56-Jährige ist seit 13 Jahren im Parlament und besetzt als Vizepräsidentin ihrer Fraktion und faktische «Chefin» im Nationalrat ein gewichtiges Amt. Der «SonntagsBlick» bezeichnet das CVP-Ticket als «Wettstreit einer Insiderin gegen eine Outsiderin». Viola Amherds grösstes Handicap ist ihr Ruf als Vertreterin des linken Parteiflügels. Er trifft bei genauer Betrachtung nur bedingt zu.
Für Heidi Z'graggen eröffnet er dennoch die Möglichkeit, im rechten Lager zu punkten. In der «NZZ am Sonntag» erhielt sie Lob aus prominentem Munde: Christoph Blocher hatte als Justizminister mit ihr bei der Planung des Ferienresorts von Samih Sawiris in Andermatt zusammengearbeitet. «Ich habe Heidi Z'graggen damals als bestimmte Führungspersönlichkeit kennengelernt», sagte er.
Blocher ist noch immer der wichtigste Taktgeber in der SVP. Wenn er Z'graggen lobt als «eher pragmatische Frau, die nicht nur in Theorien oder bürokratischen Abläufen denkt», ist dies ein Fingerzeig an die Fraktion. Weil die 52-jährige Urnerin beim Bau des Sawiris-Resorts die Umweltverbände an Bord holen konnte, hofft sie auch auf Stimmen aus dem rotgrünen Segment.
Grosse Erwartungen darf sie nicht haben. Ihre mangelnde Bekanntheit in Bern bleibt ihr grösster Nachteil. Die Bundesversammlung ist in der Regel nicht sonderlich geneigt, Aussenseiter in den Bundesrat zu befördern. Die überforderte Ruth Metzler (CVP) und die eigensinnige Micheline Calmy-Rey (SP), die als Regierungsrätinnen gewählt wurden, haben viele in nicht allzu guter Erinnerung.
«Amherd ist im Bundeshaus besser vernetzt, und die Parlamentarier wissen, worauf sie sich bei ihrer Wahl einlassen», bringt es der «SonntagsBlick» auf den Punkt. Für Z'graggen, die seit dem Wochenende faktisch in Bern wohnt, werden die Hearings vor den Fraktionen deshalb zum Pièce de Résistance. Sie muss überzeugend auftreten, ohne anbiedernd zu wirken.
Die ersten Anhörungen finden am Dienstag statt, bei SVP, GLP und Grünen. Eine Woche später folgen SP und BDP, ausserdem werden CVP und FDP die Kandidierenden der jeweils anderen Partei vorladen. Danach folgt die ominöse «Nacht der langen Messer» und mit ihr die vielleicht letzte Möglichkeit, um sich die Stimmen von unentschlossenen Parlamentariern zu sichern.