Das macht Mut: Die Zahl der positiv auf das Coronavirus getesteten Fälle in der Schweiz ist auf 100 gesunken. Es sind gute Voraussetzungen für die für den 11. Mai geplante zweite von vorläufig drei Lockerungsetappen. Der Bundesrat muss heute konkretere Angaben liefern. In seiner Sitzung von letzter Woche hat er einige Dinge geklärt, viele aber noch offen gelassen.
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So ist nun klar, dass die meisten Läden in der Schweiz am 11. Mai öffnen dürfen, unter Beachtung der Hygiene- und Abstandsregeln. Der Bundesrat musste dafür einen zu wenig durchdachten Beschluss der Vorwoche korrigieren. Andere Branchen und Bereiche warten hingegen weiterhin und teilweise sehnlich darauf, dass der Bundesrat ihnen eine mögliche Perspektive aufzeigt.
Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer forderte in der «NZZ am Sonntag» eine raschere Öffnung: «Wir laufen in die schlimmste Rezession seit 90 Jahren. Es wird eine Konkurswelle geben, die Arbeitslosigkeit wird rasch auf vier oder fünf Prozent ansteigen, die Arbeitsplatzsicherheit wird sinken.» Er hoffe, dass der Bundesrat heute Mittwoch seine Entscheide «nachbessert».
Die Zeit ist knapp, denn die nächste ordentliche Bundesratssitzung ist wegen der Sondersession des Parlaments erst für den 8. Mai terminiert, also drei Tage vor dem zweiten Öffnungsschritt. In diesen Punkten muss der Bundesrat für Klarheit sorgen:
Die obligatorischen Schulen sollen am 11. Mai den Betrieb wieder aufnehmen. Die Verunsicherung bei Eltern und Lehrkräften ist teilweise gross, wozu auch die gelinde gesagt nicht ganz stringente Kommunikation von Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) zum Ansteckungsrisiko von Kindern beigetragen hat. Heute will der Bundesrat sein definitives Schutzkonzept vorlegen.
Es wird sich zeigen, ob die in einem ersten Entwurf enthaltene Aufhebung der Distanzregel für Schülerinnen und Schüler unter 10 Jahren enthalten ist. Andernfalls drohen den Kantonen und Gemeinden organisatorische Probleme. Diese werden ohnehin ein gewichtiges Wort mitreden, weil der Bildungsbereich in der Schweiz weitgehend föderalistisch organisiert ist.
Nicht ganz so drängend, aber sehr kontrovers diskutiert wird die Frage der Maturitätsprüfungen. Die Kantone sind gespalten. Einige wollen sie durchführen, andere darauf verzichten, darunter die meisten Westschweizer Kantone, beide Basel, Bern und Zürich. Der Bundesrat muss klären, ob er den «Wildwuchs» tolerieren will, denn die Maturität ist ein eidgenössisches Zeugnis.
Zu Beginn der Coronakrise sorgte der «Kantönligeist» für Ärger bei Veranstaltern von Konzerten und anderen Events. Der Bundesrat stoppte ihn, als er am 16. März die «ausserordentliche Lage» verhängte. Nun gibt es neue Spannungen. Die Rede ist von einem «Corona-Graben» zwischen der Deutschschweiz auf der einen und der Romandie sowie dem Tessin auf der anderen Seite.
Sie wurden von der Epidemie stärker getroffen und waren erst für einen härteren Lockdown. Jetzt fordern sie eine langsamere Öffnung. Der Bundesrat muss entscheiden, ob er ihnen Sonderregeln gewähren will. Allerdings hat das Tessin nach anfänglichen Bedenken Coiffeursalons und Gartencenter am Montag geöffnet, und auch in der Westschweiz gab es einen Grossandrang.
Ein gewisser Wildwuchs herrscht auch beim Contact Tracing, wo jeder Kanton seine eigene Linie verfolgt und nicht alle gleich gut vorbereitet sind. Am 11. Mai soll die offizielle App des Bundes veröffentlicht werden. Im Hinblick darauf ist noch einiges zu klären, und nicht zuletzt dürfte der Informationsbedarf in der Bevölkerung hoch sein.
Im Gastgewerbe war der Frust über den Bundesrat besonders gross. Mit dem «Tourismusgipfel» vom Sonntag konnte er die Gemüter ein wenig beruhigen und sogar eine gewisse Öffnung etwa von Gartenbeizen am 11. Mai in Aussicht stellen. Das ist schon bald, deshalb müssen Ideen auf den Tisch. Weitere Schritte werden wohl erst beim nächsten Treffen am 24. Mai besprochen.
Ein klares Signal sollen heute auch Grossveranstaltungen wie Open Airs erhalten. Mehrere Länder haben sie bereits untersagt. Bundesrat Alain Berset beantragt gemäss einem Tamedia-Bericht ein Verbot bis Ende September. Vorerst weiter unklar dürfte die Lage für Kinos, Theater und Clubs bleiben.
Eine Arbeitsgruppe mit Fachexperten aus Verbänden, Vertretern der Kantone und der Gemeinden, des Bundesamtes für Gesundheit und des Bundesamtes für Sport erarbeitet ein Konzept zur Lockerung der Massnahmen im Bereich der Sportaktivitäten aus. Über eine entsprechende Änderung der Covid-Verordnung wird der Bundesrat vermutlich schon heute beraten.
Sportministerin Viola Amherd stellte letzte Woche in Aussicht, dass ab Anfang Mai gewisse Sportarten ohne direkten Körperkontakt wieder betrieben werden dürfen, also vielleicht schon ab nächster Woche. Auch Mannschaftstrainings könnten noch im Mai wieder aufgenommen werden. Hoffnung auf einen baldigen Restart der Super League dürften dennoch verfrüht sein.
Vor drei Wochen stellte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga der von der Krise schwer getroffenen Luftfahrtbranche Hilfe in Aussicht. Heute dürfte sie kommuniziert werden. In «Geheimverhandlungen» am Wochenende habe man sich auf vom Bund abgesicherte Kredite von 1,5 Milliarden Franken für die Swiss geeinigt, berichten die Tamedia-Zeitungen.
Für flugnahe Betriebe seien 500 Millionen Franken vorgesehen. Wichtig sei, dass das Geld in der Schweiz bleibe, da die Swiss und die meisten dieser Unternehmen sich in ausländischem Besitz befinden, so der Bericht. Eine Verknüpfung mit ökologischen Massnahmen scheint nicht vorgesehen zu sein, worüber sich die Klimastreikbewegung in einer Mitteilung «entsetzt» zeigt.
Ich dachte, die Coronakrise bringt Entschleunigung und wieder mehr Besonnenheit.