Bundesrat gibt am Montag Erklärung zur Corona-Pandemie ab – die Themen der Session
Die Schweiz hat ab nächster Woche wieder ein Parlament, das mitreden und mitentscheiden will. Die 200 Nationalrätinnen und 46 Ständeräte wurden aufgerufen, am kommenden Wochenende die Koffer zu packen und nach Bern zu reisen.
Die Themen, die auf der Traktandenliste stehen werden, sind brisant. Es geht um Milliarden-Frankenbeträge und um die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen in der Schweiz. Nicht zuletzt geht es auch um die Gewaltentrennung, einem Eckpfeiler der Demokratie. Die Krisen-Sitzung wird als historische «Corona-Session» in die Geschichtsbücher eingehen.
Eröffnet wird sie am Montag im Nationalrat um 10 Uhr mit einer «Erklärung des Bundesrates zur Corona-Pandemie». Die Rede wird Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga halten. Dieses Mittel ergreift die Landesregierung sonst im Zusammenhang mit Kriegen, zuletzt 2003 wegen der Irak-Krise, wie Parlamentssprecher Mark Stucki bestätigt.
Wir erklären dir die wichtigsten Punkte zur ausserordentlichen Session. Der Artikel wird fortlaufend aktualisiert.*
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Es geht um Milliarden
Anträge des Bundesrates
Die Coronakrise wird das alles dominierende Thema sein – es wird eine milliardenschwere Session: Das Parlament muss neben dem Corona-Einsatz der Armee, auch diverse Nachtragskredite bewilligen. Gemeint sind all jene Ausgaben, die zur Stützung der Wirtschaft vom Bundesrat beschlossen wurden. Dieses Geld muss vom Parlament gesprochen werden, und zwar als «nachträgliche Ausgaben» im Staatsbudget – deshalb auch der Name.
Die Beträge sind riesig: 41 Milliarden Franken sollen etwa alleine für die Corona-Kredite für Unternehmen bereitgestellt werden. Weitere sechs Milliarden soll es etwa für die Kurzarbeit und 5,3 Milliarden für den Erwerbsersatz geben. Diese Beiträge dürften unbestritten sein. Für Diskussionen sorgen werden auch die Gelder für die Kultur, sowie die Beschaffung von Masken und Beatmungsgeräte – hier gibt es Kürzungsanträge.
Anträge aus dem Parlament
Die Kommissionen von National- und Ständerat haben in den letzten Tagen eine Reihe von eigenen Vorstössen eingereicht. Diese landen nicht automatisch auf die Traktandenliste. Das Gesetz verlangt nämlich, dass der Bundesrat eine Antwort auf jene Vorstösse (Motion, Postulat, Interpellation) geben muss, bevor sie dem Parlament vorgelegt werden dürfen.
Die Landesregierung drückte aufs Gaspedal und gab am Freitag vor der Session ihre Stellungnahme zu 40 Vorstössen ab. Ein Ausschnitt:
- Kitas: Der Bund soll bei der familienergänzenden Kinderbetreuung auch Geld zur Verfügung stellen. Dies fordern die beiden Bildungskommissionen. Der Bundesrat lehnt diese Vorstösse ab.
- Humanitäre Hilfe und Asyl: Gefordert werden 100 Mio. Franken für drei internationale Organisationen. Zudem soll der Bundesrat sich für die Verteilung der Geflüchteten auf den griechischen Inseln einsetzen. Beide Vorstösse haben gute Chancen: Die Regierung empfiehlt sie zur Annahme.
- Mieten: Zwei Vorstösse wollen KMUs unter die Arme greifen: Einerseits sollen gewisse Betriebe nur noch 30 Prozent der Miete bezahlen müssen, zudem wird ein «Mieterlass-System» gefordert. Beide Vorstösse lehnt der Bundesrat ab, er unterstützt jedoch eine dritte Forderung betreffend Zahlungsfristen.
- Corona-Kredite: Mehrere Vorstösse fordern den Null-Prozent-Zins und die Verlängerung der Zahlungsfrist für die Corona-Kredite. Der Bundesrat hält von diesen Ideen nichts: Er empfiehlt sie zur Ablehnung. Firmen dürfen hingegen darauf hoffen, dass sie den Kredit länger nicht als «Fremdkapital» in ihren Büchern verzeichnen müssen.
- Medien: Eine geforderte Soforthilfe soll die Nachrichtenagentur Keystone-SDA sowie die Zeitungszustellung unterstützen. Für regionale TV- und Radiosender sind zudem 30 Millionen Franken gefordert. Der Bundesrat lehnt beide Vorstösse ab.
- Profiteure während Corona-Krise: Gefordert wurde zudem, dass Firmen, die Kurzarbeit beantragen müssen, keine Dividenden ausschütten dürfen. Zudem sollen Firmen nicht mehrere Corona-Unterstützungshilfen beantragen dürfen. Der Bundesrat lehnt beide Vorstösse ab.
Warum braucht es überhaupt eine «Corona-Session»?
Die Schweiz befindet sich in einer ausserordentlichen Lage. Der Bundesrat regiert seit 16. März alleine per «Notrecht». Die individuellen Freiheiten wurden per Verordnung eingeschränkt, die Wirtschaft lahmgelegt, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.
Der Bundesrat als alleiniger «Krisen-Manager» mag zwar effizient sein, die Verfassung und Gewaltentrennung verlangen aber, dass auch das Parlament mitsprechen kann. Dies, um den «verfassungsmässigen Beitrag zur Überwindung der Krise leisten» zu können.
Das sehen der Bundesrat und 28 Mitglieder des Ständerats so. Sie haben beide Ende März die Einberufung einer ausserordentlichen Session verlangt. Diese findet nun in der ersten Mai-Woche statt.
Wo sich die Parlamentarier treffen und wie viel das kostet
Schon lange ist klar, dass sich das Parlament nicht wie üblich im Bundeshaus treffen kann. Die ehrwürdigen Ratsäle, wo die Volksvertreter stundenlang nah beieinander sitzen, eignen sich für das «Social Distancing» nicht.
Wo dann? Die Suche war nicht einfach. Die Parlamentsdienste haben vier Offerten eingeholt, Anfang April kam dann der Entscheid für die BernExpo beim Guisanplatz in der Bundesstadt. Kostenpunkt: Rund 3,4 Millionen Franken laut aktuellem Budget, davon «weniger als eine Million» für die Miete.
Neues «Bundeshaus» in der Bernexpo
Seit Tagen wird dort auf vier Etagen gebaut und verkabelt. Der Aufwand ist riesig. Ein funktionierendes Parlament braucht nicht nur Tische und Stühle, sondern auch Übersetzungsdienste, Protokollanten und eine Administration.
Dass das Parlament ausserhalb des Bundeshaus tagt, ist übrigens nichts ungewöhnliches: 1993, 2001 und 2006 gab es je eine Session «extra muros» (ausserhalb der Mauern). In diesen Jahren wurde das Bundeshaus renoviert, die Sitzungen wurden je einmal in die italienisch-, französisch- und rätoromanisch-sprachige Schweiz verlagert.
* Updates: Liste der beantworteten Vorstösse eingefügt (1. Mai). Traktandenliste aktualisiert und mit Erklärung des Bundesrates ergänzt (1. Mai).
– Samstag, 2. Mai: Fraktionssitzungen.
– Montag, 4. bis Donnerstag, 7. Mai: Ausserordentliche Session.
