Unter Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern rumort es. Der Bundesrat will ab 11. Mai bzw. 8. Juni den Unterrichtsbetrieb nach und nach wieder hochfahren. Weitere Details nannte er nicht. Fragen zu den Abschlussprüfungen oder zum Infektionsschutz der Kinder bleiben offen.
Die Ungewissheit wurde nicht kleiner, als klar wurde, dass Bildungsminister Guy Parmelin an der gestrigen Pressekonferenz nicht teilnimmt. Der Zürcher Gymi-Schüler und Klimajugend-Frontmann Jonas Kampus spricht von einer «speziellen Situation»: «Eigentlich würde unsere Prüfungsphase am 29. Mai beginnen. Heute Morgen war ich noch am Lernen und fragte mich ständig, ob sich das überhaupt noch lohnt.»
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Was helfen könnte, wäre Klarheit. Das ist auch, was Baselbieter Wirtschaftsmittelschüler Philip Fiechter fodert: «Einfach ins Blaue hinaus zu lernen, ist anstrengend und nagt an unserer Motivation.» Aktuell würde er noch ganz normal für die Prüfungen lernen, so als würden sie Ende Mai stattfinden. «Ich bin aber der Meinung, dass es unfair wäre, wenn unsere Prüfungen stattfinden würden und andere, wie beispielsweise die schriftlichen Lehrabschlussprüfungen, nicht», sagt Fiechter.
Was die beiden Maturanden «unfair» finden, könnte jedoch bald Realität werden, wie Recherchen von watson zeigen. Die Arbeiten hinter den Kulissen laufen auf Hochtouren, mehrere Kantone haben eigene «Task Forces» eingerichtet, um Fragen zu Hygienemassnahmen, Prüfungen oder Unterrichtsmodalitäten zu klären.
Der Hintergrund dieser Arbeit vor Ort: Mehrere kantonale Bildungsdirektoren gehen davon aus, dass der Bundesrat in seinem Beschluss inhaltlich nur den «Präsenzunterricht an der Volksschule» wieder zulassen wird. Weitere Auflagen soll es «von Bern» aus nicht geben, so die Stimmung bei mehreren Regierungsräten. Sie verweisen darauf, dass die Bildung «traditionell in der Zuständigkeit und Kompetenz der Kantone» liege und diese besser auf die örtlichen Unterschiede auf dem Land und in der Stadt reagieren könnten.
In den Kantonen prüfe man deshalb individuell, wie welche Schutzmassnahmen in den Schulhäusern gelten sollen, wenn das Social Distancing für Kinder und Jugendliche quasi aufgehoben wird. Bei den Unterrichtsmodalitäten werde diskutiert, ob man die Klassen «halb oder voll» ins Zimmer lassen werde und ob ein «Split» für Vormittags- bzw. Nachmittagsunterricht möglich sei. Möglich sei auch, dass ähnlich wie in Deutschland jeder Kanton selber entscheidet, wann welche Klasse wieder zum Präsenzunterricht ins Schulhaus muss.
Diese Haltung widerspiegelt sich im Brief, den die Erziehungsdirektorinnenkonferenz (EDK) diese Woche an den Bundesrat verschickte. Darin forderte man, dass den Kantonen per Notrecht erlaubt werden soll, individuell über Durchführung oder Absage der schriftlichen Matura-Prüfungen entscheiden zu können. Auch «Erfahrungsnoten» sollten möglich sein, heisst es im Brief weiter.
Stand heute liegt diese Frage in der Kompetenz des Bundes. Deshalb sorgte auch die Ankündigung des Kantons Zürich, Maturaprüfungen ausfallen lassen zu wollen (falls es der Bundesrat erlaube), für gemischte Gefühle. Vorfreude gab es verständlicherweise bei den Schülerinnen und Schülern. Verwundert reagierten die anderen Kantone, die nun unter Zugzwang stehen.
So berichtet der St.Galler Bildungsdirektor und EDK-Vorstandsmitglied Stefan Kölliker (SVP), dass wegen der Meldung aus Zürich bei ihm das Telefon ständig klingle, weil man wissen wolle, wie das nun in seinem Kanton aussehe. «Ich kann nur sagen, dass wir davon ausgehen, dass die Maturaprüfungen im Juni wie geplant stattfinden werden», sagt Kölliker zu watson.
Bei St.Galler Maturandinnen und Maturanden mag das zwar eine klare Aussage sein. Viele dürften aber ähnliche Kritik haben, wie es der Zürcher Gymi-Schüler Jonas Kampus formuliert:
Beispiele aus Deutschland hätten gezeigt, dass es schwierig sei, diese einzuhalten. Auch sei es anspruchsvoll, sich von der Quarantäne direkt auf die Prüfungssituation umzustellen. «Ich unterstütze deshalb den Antrag der EDK», sagt Kampus.
Andere Gleichaltrige gehen einen anderen Weg: In einer Onlinepetition, die bereits über 40'000 unterzeichnet haben, fordern die Maturanden, dass auf die Abschlussprüfungen verzichtet wird. Sie fordern, dass der Durchschnitt der letzten fünf oder sieben Semester errechnet und als Abschlussnote festgelegt wird. Wer die Note verbessern will, soll eine mündliche Leistung in einzelnen Prüfungsfächern erbringen können.
Intrisische Motivation war einmal.... vor der Schule 🤨.