Und dann kommt sie doch noch, die Antwort von «Hollywood». Und fällt ziemlich dürr aus.
«Die IIPA und unsere Mitglieder geben zur Zeit keinen Kommentar zum neuen Gesetz ab, da es sich nur auf ausländische Glücksspielseiten bezieht», schreibt Eric Schwartz aus Amerika. Schwartz arbeitet für die International Intellectual Property Alliance (IIPA), den mächtigen Vertreter der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Die Organisation verteidigt in der ganzen Welt die Urheberrechte und setzt sich unter anderem auch für Netzsperren ein.
Die E-Mail aus Amerika zeigt; die IIPA übt sich in Zurückhaltung. Das war vor ein paar Monaten noch anders. Denn was im diesjährigen IIPA-Bericht über die Urheberrechtssituation in der Schweiz steht, ist nämlich alles andere als «no comment». Und nimmt direkt Bezug zum Geldspielgesetz.
Die IIPA beklagt im Bericht, dass der Entwurf zum neuen Schweizer Urheberrechtsgesetz keine Netzsperren enthält. «Gemäss der Schweizer Regierung würde dieses Element ‹keine Mehrheit› im Parlament finden», schreibt der Interessensvertreter der amerikanischen Filmindustrie. Allerdings stelle man fest, dass im Frühjahr 2017 das Schweizer Parlament eine Sperrklausel für illegale ausländische Glücksspielseiten verabschiedet habe. Daraus formuliert die Organisation folgende Forderung: «Illegale Urheberrechts-Piraterie sollten eine ähnliche Behandlung erhalten.»
Es war im Abstimmungskampf um das Glückspielgesetz das Hauptargument der Gegner: Die Einführung von Netzsperren würde auch in anderen Bereichen Begehrlichkeiten wecken. Oder wie es einer der Verlierer der Abstimmung auf Twitter schrieb: «Morgen meldet sich die Musikindustrie, dann die Filmindustrie. Der Dammbau beginnt.»
Simonetta Sommaruga bestritt dies immer. Und tat das auch am Sonntag erneut. Gegenüber watson betonte die Bundesrätin: «Im Urheberrecht kommen keine Netzsperren.»
Für den auf Recht im digitalen Raum spezialisierten Anwalt Martin Steiger ist nach Abstimmung vom Sonntag klar: «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Unterhaltungsindustrie jetzt ein weiteres Mal Netzsperren fordern wird.» Und auch klar sei, wer am meisten von Netzsperren profitieren würde: Hollywood und grosse internationale Plattenfirmen. «So zynisch wie es klingt: Die meisten Schweizer Kulturschaffenden haben leider gar nicht die Reichweite, dass sie von Piraterie betroffen wären», sagt der erklärte Gegner des Geldspielgesetzes.
«Vor 10 Jahren hätten Netzsperren auch für den Musikbereich noch etwas gebracht», sagt Christoph Trummer, Co-Präsident von Sonart, dem Schweizer Berufsverband der freischaffenden Musiker und Musikerinnen. «Mittlerweile wäre der Nutzen von Netzsperren geringer.»
Dies begründet Trummer mit dem Erfolg der sehr günstigen legalen Musik-Streamingangebote: «Spotify und Co. mussten bei der Lancierung mit kostenlosen Piraterie-Seiten konkurrenzieren, dazu mit YouTube, das immer noch gratis ist. Dementsprechend wenig zahlt der Konsument heute für Musik.»
Eine Entwicklung, die kaum noch rückgängig zu machen sei, da der Kunde wohl nicht mehr bereit sei, plötzlich wesentlich mehr zu bezahlen. Daran würden jetzt auch Netzsperren nicht mehr viel ändern. «Doch wir kämpfen dafür, dass Musikschaffende zumindest ein wenig mehr vom Kuchen kriegen.»
Die Forderung von Netzsperren hat Sonart losgelassen, im Dienst eines Kompromisses für die geplante Revision des Urheberrechts. Trummer: «Daran ändert auch das Ja zum Geldspielgesetz nichts.» Andere Forderungen hätten derzeit höhere Prioritäten.
Diese Meinung vertraten in den letzten Wochen auch andere Verbände der Schweizer Kulturschaffenden. Der Ruf nach Netzsperren ist in der Schweiz derzeit so gut wie verstummt. Vor zwei Jahren war es noch ganz anders. So waren Netzsperren in der damaligen Vernehmlassungsantwort von Audiovision Schweiz noch eines der drei Kernstücke.
Dass das Thema Netzsperren aber keinesfalls vom Tisch ist, zeigt ein Prozess, der derzeit beim Berner Handelsgericht hängig ist. Und zwar hat der älteste Filmverleih der Schweiz gegen die Swisscom geklagt. Die Forderung der Praesens Film AG: Die Swisscom soll Film-Piraterie-Seiten wie kinox.to sperren.
«Die Praesens Film AG ist nur ein Strohmann», ist Martin Steiger überzeugt. Ein Mittel zum Zweck, um ein Präzedenzfall zu schaffen. Noch ist offen, wann sich die Richter zu einem Entscheid durchringen. Die erste Verhandlung fand bereits im Frühjahr 2017 statt.
Handelsgerichte seien sich eher gewohnt, mit Nachdruck zu vermitteln als zu urteilen, sagt dazu Martin Steiger. Und er lässt sich zu einer Mutmassung hinreissen: «Vielleicht wollte das Gericht die Abstimmung über das Geldspielgesetz abwarten. Das Ja erleichtert möglicherweise einen Entscheid.»