Eine Milliarde Menschen nutzen WhatsApp jeden Tag – und verschicken dabei 55 Milliarden Nachrichten. Fällt WhatsApp mal zwei Stunden aus, dreht das Internet durch. Ich hingegen verliere meine Nerven, wenn die Messenger-App mich mit Nachrichten überschüttet.
Eine Studie besagt: Alle 13 Minuten trifft durchschnittlich eine neue WhatsApp-Nachricht ein. Bei mir sind es bis zu 100 neue Nachrichten am Tag.
In besagten Nachrichten geht es nicht darum, das nächste Treffen zu vereinbaren oder wichtige Informationen zu teilen. Vielmehr tauschen sich meine Freunde und Familienmitglieder in diversen Gruppen-Chats über ihr Abendmenü oder das neuste herzige Katzenvideo aus. Konkretes Beispiel gefällig? Eine Freundin teilt fröhlich mit: «Ich habe gestern ein neues T-Shirt gekauft!» Zum gleichen Zeitpunkt schickt meine Grossmutter im Familien-Chat ein Foto des neu gepflückten Blumenstrausses.
Nun könnte ich zwar die WhatsApp-Chats auf stumm schalten. Doch das Wissen darum, dass mich konstant zig Nachrichten erreichen, lässt mich nicht ruhen. Es könnte ja was Wichtiges sein.
Meine Finger prickeln, wenn ich ein paar Stunden nicht auf das grüne Logo klicke. Sehe ich dann die 50 eingegangenen Nachrichten vor mir, bringt mir das dennoch keine Erleichterung. Ich kriege Kopfweh. WhatsApp und mich verbindet eine Hassliebe.
Deshalb habe mich entschieden, mit WhatsApp Schluss zu machen. Seit Donnerstag, 4. Januar 2018, lebe ich abstinent. Soll heissen, ich bin nur noch per SMS oder Telefon erreichbar. Mindestens ein paar Wochen will ich durchhalten. Das soll mir helfen, abzuschalten.
Zuvor warnte ich meine Lieblingsmenschen und Gruppenchat-Gspänli mit einer Standard-Nachricht:
Da brach die Schockwelle über mich ein:
«Das kann ja nicht wahr sein. Warum?» 😱😱😱
«Ist etwas passiert?» 😦😦😦
«Das geht doch nicht! Wie willst du denn jetzt kommunizieren?» ⁉️⁉️⁉️
«Geht es dir nicht gut?» 😰😰😰
Solche Nachrichten erhielt ich kurz darauf in Scharen – genau das, was ich vermeiden wollte. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Ich musste mich rechtfertigen. Weil ich auf eine App verzichte. Was soll das? Seit wann ist WhatsApp zur gesellschaftlichen Pflicht geworden?
Ich bin nicht die Einzige, die so denkt. Digital-Detox ist immer verbreiteter. Inzwischen gibt es sogar digitale Entschlackungskuren. «Disconect to reconnect» so das Credo.
Geeks sagen es uns sowieso seit Jahren: WhatsApp ist des Teufels. Auch wenn sie dafür andere Gründe als ich geltend machen. Doch trotz der Warnungen drehen die Wenigsten dem Messenger-Dienst den Internetzugang ab.
Eine SMS zu schreiben oder anzurufen, scheint für viele Menschen gar keine Option mehr zu sein. Das musste ich nun am eigenen Leib erfahren.
Seit ich kein WhatsApp mehr habe, erhalte ich kaum noch Nachrichten. Keiner meiner Freunde schreibt SMS.
So wartete ich kürzlich 30 Minuten an einer Haltestelle auf meine Freundinnen. Im Chat hatten sie ihre Verspätung angekündigt und das Treffen auf später verlegt. Dass ich als Einzige diese Nachrichten nicht mehr sah, hatten sie vergessen.
Ausserdem erreichte mich die Einladung zur Einweihungs-Party einer Kollegin nicht und scheinbar auch die Nachrichten einer Freundin, die mich am Wochenende spontan besuchen wollte.
Mein Umfeld lebt sein WhatsApp-Leben weiter – ohne mich.