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GLP-Politiker will Geschlechter abschaffen

«Ein alter Zopf» – GLP-Politiker will Geschlechter abschaffen

Verschwindet das Geschlecht aus dem Pass? Nach GLP-Nationalrat Beat Flach soll der Bund nicht mehr zwischen Mann und Frau unterscheiden.
16.07.2018, 10:1719.07.2018, 14:35
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«Bist du ein Mann oder eine Frau?»: Egal, ob wir neue Schuhe bestellen, ein Abo lösen oder eine Umfrage ausfüllen – wir werden nach unserem Geschlecht gefragt. Auch der Staat gehört zu den Fragenden, und dies kaum sind wir auf der Welt. Die Antwort schreibt er in die Akten und druckt sie auf den Pass und die ID.

Was die meisten nicht hinterfragen, findet GLP-Nationalrat Beat Flach «ein alter Zopf». Geht es nach ihm, sollen das M oder F ganz aus dem Pass und dem Personenstandregister verschwinden. Einen entsprechenden Vorstoss hat er im Nationalrat eingereicht. 

«Es ist ein Unterscheidungsmerkmal, das es heute einfach nicht mehr braucht», begründet Beat Flach gegenüber watson. «Ob wir Männlein oder Weiblein sind, sollte für den Staat keine Rolle spielen. Und hat in den Gesetzen nichts zu suchen.»

Damit greift Flach in die aktuelle Geschlechterdebatte ein. Im Mai hatte der Bundesrat vorgeschlagen, dass Transgender und Menschen mit einer Geschlechtsvariante ihr Geschlecht und ihren Vornamen einfacher im Personenstandregister sollen ändern können. 

«Etwa 60 Prozent der Transmenschen fühlen sich im binären Geschlechtersystem nirgendwo zugehörig.»
Transgender-Aktivist Alecs Recher 

Der Verein Transgender Network Switzerland (TGNS) fordert gar die Einführung eines dritten Geschlechts. «Etwa 60 Prozent der Transmenschen fühlen sich im binären Geschlechtersystem nirgendwo zugehörig», sagte Transgender-Aktivist Alecs Recher in einem Interview zu watson.

In einigen Ländern ist es bereits möglich, sich ein X in den Pass zu setzen anstatt eines M oder F. Beispielsweise in Kanada, Österreich, Bangladesch oder auch Malta.

Den Vorschlag von Flach, ganz auf das Geschlecht zu verzichten, findet Recher aber noch besser als ein drittes Geschlecht. «Damit würde der Druck ganz entfallen, sich für eine Kategorie entscheiden zu müssen.» Auch für Eltern von Intersex-Kindern.

Denn heute sei es so, führt Recher aus: Entweder man habe das Glück und passe in eine geltende Geschlechter-Konvention, «oder das Pech, dass man sich weder als Mann noch als Frau fühlt».

Bei seinem Vorstoss liess sich Beat Flach von einem Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts inspirieren, das im binären Geschlechtersystem einen Verstoss gegen die deutschen Grundrechte sieht. Die Richter schlugen eine Alternative zu einem dritten Geschlecht vor: «So könnte der Gesetzgeber auf einen personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag generell verzichten.»

«Damit schaffen wir gesetzliche Gleichberechtigung auf einen Streich.»
Beat Flach, GLP-Nationalrat

Flach will mit seinem Vorstoss aber noch viel mehr erreichen, wie er in der Begründung schreibt. Der Verzicht auf einen Geschlechtseintrag «würde nicht nur die Diskriminierung von intersexuellen Personen stoppen, vielmehr würde sie auch gesetzliche Ungleichbehandlung von Männern und Frauen verunmöglichen». Denn noch immer gebe es Bestimmungen, die für Mann und Frau unterschiedliche Rechtsfolgen vorsähen.

Konkret meint Flach damit heute gesetzlich verankerte Geschlechter-Unterschiede wie der Militärdienst, die Witwenrente oder auch die Ehe, die bis heute nur zwischen einem Mann und einer Frau möglich ist.

«Damit schaffen wir gesetzliche Gleichberechtigung auf einen Streich», sagt Flach, der darauf hinweist, dass die Folgen zuerst abgeklärt werden müssten. Aber er ist überzeugt: Relevante Unterschiede könnten mit der entsprechenden Formulierung Rechnung getragen werden. «Zum Beispiel indem man von einer schwangeren Person spricht.»

«Personen, die sich nicht für ein Geschlecht entscheiden können, brauchen psychologische Hilfe.»
Verena Herzog, SVP-Nationalrätin

SVP-Nationalrätin Verena Herzog hält von Flachs Vorstoss nichts. «Wenn wir uns dauernd mit den Wünschen kleiner, lautstarker Minderheiten beschäftigen, lösen wir die wichtigen anstehenden Probleme nie.» Auch sie hat einen Vorstoss zum Thema eingereicht. Dieser geht aber in die konträre Richtung.

Sie fordert im Vorstoss, dass sich die Geschlechterangabe im Pass sich an den biologischen und medizinischen Fakten und Realitäten zu orientieren hat. «Wenn sich diese Änderung lediglich auf das persönliche Empfinden abstützen soll, öffnen wir Tür und Tor für Beliebigkeit und Rechtsunsicherheit.» Zudem sagt sie gegenüber watson: «Personen, die sich nicht für ein Geschlecht entscheiden können, brauchen psychologische Hilfe.» Denn: «Es gibt nur zwei Geschlechter – Mann und Frau. Dieses Faktum wird in der Sprachentwicklung seit Jahrtausenden auf der ganzen Welt durch die Bezeichnung geschlechtsreifer Lebewesen bestätigt.»

«Statt endlich etwas gegen die Genitalverstümmelung bei Intersex-Kindern zu unternehmen, machen Politiker lieber Gender-Vorstösse.»
Daniela Truffer, Präsidentin Zwischengeschlecht.org

Grosses Verständnis habe sie aber für Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung, da bei diesen tatsächlich eine Uneindeutigkeit des biologischen Geschlechts vorliegen könne. Doch für intersexuelle Menschen sei die Frage des Geschlechtseintrags nicht vorrangig, sagt Herzog.

Tatsächlich misst die Präsidentin von Zwischengeschlecht.org einem dritten Geschlecht keine grosse Bedeutung zu. Daniela Truffer liess sich von «20 Minuten» einst wie folgt zitieren: «Die meisten Menschen, die keine eindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmale aufweisen, fühlen sich einem der beiden Geschlechter zugehörig.»

Wenig Verständnis hat sie auch für den Vorschlag zur Abschaffung des Geschlechtseintrags. Gegenüber watson sagt Truffer lediglich: «Statt endlich etwas gegen die Genitalverstümmelung bei Intersex-Kindern zu unternehmen, machen Politiker lieber Gender-Vorstösse.»

Eine dritte Option in unserer Rechtsordnung wird geprüft

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183 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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BigFudge28
16.07.2018 10:25registriert März 2016
Selten so ein Schwachsinn gehört.
Sollen wir auch die Nationalität abschaffen, nur weil sich ein paar wenige vielleicht nicht richtig dem geborenen Staat zugehörig fühlen?
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walsi
16.07.2018 10:47registriert Februar 2016
Biologisch von der Natur vorgesehen gibt es zwei Geschlechter, männlich und weiblich, da können sich die Leute auf den Kopfstellen und dagegen wehren wie sie wollen, Fakt ist Fakt. Welche Rolle die einzelnen Geschlechter ausüben wird von der Gesellschaft definiert, ändert aber nichts an der Biologie. Die Gesellschaft kann auch definieren, dass nicht zwischen Mann und Frau unterschieden wird, das ändert aber nichts an dem Fakt, dass es biologische unterschiede gibt. Z.B. Männer sind in der Regel kräftiger gebaut als Frauen.
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Angelo C.
16.07.2018 12:39registriert Oktober 2014
Man fragt sich unwillkürlich beim Lesen solch kruder Ideen, wie dekadent und degeneriert die Menschheit eigentlich noch weiter entarten soll 🙄

Wegen einer (gesamthaft betrachtet) verhältnismässig kleinen Gruppe von Menschen die gesamten Erkenntnisse über das geschlechterspezifische Menschsein über Bord zu werfen, ist nicht nur wenig hilfreich, sondern grenzt an eigentliche Perversion 🤔

Schon rein amtlich und im Hinblick auf wesentliche administrative Infos (Heirat, Todesfall, Hospitalisierung etc) ein nonsens allererster Güte, einer der zum Glück mit jedwelcher Sicherheit NULL Chancen hat.
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