Die Jubelbilder verbreiteten sich am 29. November 2018 rasend schnell: Einmal mehr wurde der Sieg über die SVP – dieses mal bei der Selbstbestimmungsinitiative – mit den strahlenden Gesichtern von Flavia Kleiner und Laura Zimmermann illustriert, den Co-Präsidentinnen der Operation Libero. Die Truppe hatte erneut dazu beigetragen, der wählerstärksten Partei des Landes eine Abstimmungsniederlage zu verpassen.
Die politische Schlagfertigkeit der «Liberos» und «Liberas», wie sich die Mitglieder der Organisation nennen, ist auch den Schweizer Parteien nicht verborgen geblieben. «Die Parteien betrachten die Operation Libero als Jungbrunnen, als Reservoir von jungen, unverbrauchten und engagierten Nachwuchskräften», erläutert der Politikwissenschafter Claude Longchamp. Einzelne Mitglieder seien zwar schon bisher in Parteien aktiv gewesen, oft aber lediglich als Passivmitglieder oder auf lokaler Ebene. Prominente Parteifunktionen hätten die «Liberos» bisher aber nicht übernommen.
Das hat sich jetzt geändert – zumindest bei einer Partei: den Grünliberalen (GLP). Ende Oktober 2018 präsentierte die GLP des Kantons Zürich ein neues Co-Präsidium. Die eine Hälfte davon ist Nicola Forster. Er präsidiert seit zehn Jahren den aussenpolitischen Thinktank Foraus und war 2014 Mitgründer der Operation Libero. Laut dem Magazin war deren Name Forsters Idee. Und am Mittwoch dieser Woche konnte die GLP einen zweiten prominenten «Libero» präsentieren: Stefan Schlegel, Mitglied im nationalen Vorstand und Verantwortlicher für die Gesellschaftspolitik, wurde im Kanton Bern für die grünliberale Nationalratsliste nominiert.
Für Claude Longchamp stellen die beiden GLP-Personalien «eine bedeutende Veränderung» dar: «Es wird eine Dynamik sichtbar, bei der das Personalreservoir der Operation Libero vor allem zur GLP fliesst.» Er beurteilt diese Entwicklung kritisch. Positiv daran sei, dass die SVP der Operation Libero nicht mehr den Vorwurf machen könne, eine Ablegerin der SP zu sein.
Doch für den Politologen überwiegen die negativen Aspekte: «Die Operation Libero hat ihre überparteiliche Unschuld verloren.» Ihre Stärke sei es bisher gewesen, in Abstimmungskämpfen als überparteiliche, sachlich argumentierende Stimme wahrgenommen zu werden. «Sie ist wertvoll als Kommunikatorin gegenüber Leuten im liberalen und linksliberalen Lager, die sich keiner Partei zugehörig fühlen.» Diese Menschen wollten sich aufgrund von Argumenten überzeugen lassen, die nicht von Parteivertretern stammten. Mit der sichtbarer gewordenen Nähe zur GLP schwäche sich diese Wirkung teilweise ab: «Der Vorwurf der Parteilichkeit der Operation Libero kann jetzt glaubwürdiger erhoben werden», meint Longchamp.
Diesen Vorwurf lässt man bei der Operation Libero nicht gelten: «Wir haben von Anfang an grundsätzlich jedes parteipolitische Engagement unserer Mitglieder begrüsst und tun dies weiterhin», sagt Kommunikationschef Silvan Gisler. Die Operation Libero habe sich nie als Alternative, sondern als Ergänzung zu den Parteien verstanden. Sie sei eine Bewegung, die sich bei einzelnen Themen engagiere, die den Mitgliedern besonders wichtig seien. Sie habe aber kein umfassendes Parteiprogramm, das alle Aspekte der Politik abdecke: «Es ist deshalb völlig natürlich, dass sich manche unserer Mitglieder auch in Parteien engagieren.»
Auch von der verlorenen überparteilichen Unschuld will Gisler nichts wissen: «Wir haben immer betont, dass wir überparteilich sind und das ist weiterhin der Fall.» Im nationalen Vorstand und in den Regionalgruppen seien Mitglieder von SP, Grünen, GLP, FDP und BDP aktiv, so Gisler. Die seien bei kantonalen und kommunalen Wahlen auch schon für diese Parteien angetreten. Das jetzt in kurzer Abfolge zwei prominente Köpfe bei den Grünliberalen aktiv geworden sind, sei einfach dem Timing geschuldet. «Die GLP ist zwar bei einzelnen Sachthemen ein wichtiger Verbündeter, aber das sind andere Parteien auch.»
Die Grünliberalen seien die Partei, welche ihm politisch am nächsten stehen, begründet Neo-Nationalratskandidat Stefan Schlegel seine Entscheidung. Aber wegen seinem und Nicola Forsters Parteiengagement sei die Operation Libero «keine GLP-Ablegerin». Die Operation Libero stehe für eine offene Gesellschaft, sowohl was das Zusammenleben anbelangt als auch in der Aussenpolitik». Ob man diese Haltung mit eher linken oder eher rechten Ansichten in anderen Politikbereichen verbinde, sei zweitrangig. Der «überparteilichen Bewegungscharakter» der Operation Libero ist für Schlegel angesichts der parteipolitisch breiten Verortung der Mitglieder nicht in Frage gestellt.
Politologe Claude Longchamp warnt trotz der anderslautenden Beteuerungen aus der Operation Libero: «Mit der Überparteilichkeit der Operation Libero ist es vorbei, wenn noch ein weiterer prominenter Kopf bei den Grünliberalen aktiv werden sollte» – beispielsweise eine der Co-Präsidentinnen.
Diese halten sich auf schriftliche Anfragen über die eigenen Pläne bedeckt. Stand heute planen aber weder Laura Zimmermann noch Flavia Kleiner bei den Nationalratswahlen im Oktober eine eigene Kandidatur. Doch für die Zukunft wollen beide einen solchen Schritt nicht ausschliessen. Laura Zimmermann schreibt, sie schliesse nie etwas kategorisch aus: «Das ist ein Lebensmantra von mir.» Flavia Kleiner stellt sich ein Parlamentsmandat «als herausfordernde und verantwortungsvolle Aufgabe vor», die sie «natürlich nicht» ausschliesse.
Während Zimmermann die entsprechende Frage offen lässt, gibt Kleiner zu, bereits einmal für eine Nationalratskandidatur angefragt worden zu sein. Sie lässt aber offen, von welcher Partei: «Ich bin parteipolitisch noch immer heimatlos. Bei der Gründung des Bundesstaates 1848 wäre ich der FDP beigetreten.»