Wenn Thomas Jansen das Telefon abnimmt, weiss er nie, ob sich ein Hater am anderen Ende der Leitung befindet. Denn Jansen ist der Redaktionsleiter des deutschen Online-Newsportals katholisch.de, das immer wieder einmal Anrufe von wütenden Menschen erhält. Sie sind nicht etwa mit der Arbeit der Redaktion unzufrieden, sondern mit der katholischen Kirche im Allgemeinen. Nun hat Jansen die Hassanrufe in einem Meinungsbeitrag auf seinem Portal thematisiert.
«Bei uns in der Redaktion rufen regelmässig Leute an, die ihrer Verbitterung, ihrem Ärger und ihrer Wut über die katholische Kirche Luft machen wollen», schreibt Jansen im Artikel. «Vieles, aber nicht alles klingt einseitig, unfair oder verzerrt. Bisweilen überschreiten sie auch die Grenze zur persönlichen Beleidigung.»
Er weise die Anrufer dann höflich darauf hin, dass sie bei der falschen Adresse seien, und empfehle manchmal ein Gespräch mit dem örtlichen Geistlichen oder der Deutschen Bischofskonferenz. «Doch eigentlich weiss ich schon, während ich dies sage, dass die Vorschläge in den Wind gesprochen sind.»
Aus seiner Sicht wäre es Zeit für ein Call-Center, das sich dieser Beschwerden annimmt. «Aber warum gibt es kein katholisches Call-Center für Kirchen-Beschimpfer? Ein Dutzend Telefonisten, die sich rund um die Uhr Hasstiraden und Wutausbrüche über Pfaffen und Kirchensteuer-Abzocke anhören?»
Gegenüber watson betont Jansen, der Vorschlag sei ernst gemeint. «Weil viele kirchliche Einrichtungen mit diesem Problem konfrontiert sind».
Das schweizerische Online-Portal kath.ch hat den Beitrag des deutschen Journalisten auf seiner Website zusammengefasst. Und um folgenden Satz ergänzt: «Das geschilderte Phänomen ist auch der Redaktion von kath.ch nicht ganz unbekannt.»
Eine Redaktorin von kath.ch bestätigt, dass es auch bei ihnen solche Anrufe gebe, was aber selten vorkomme. «Nicht so häufig, dass wir selber einen solchen Meinungsbeitrag schreiben würden.»
Bei den Anrufern handelt es sich vielfach um Personen, die aus der Kirche austreten wollen und nicht wissen, wie sie vorgehen müssen. «Manche sagen dabei ihre Meinung zur katholischen Kirche. Wir klemmen das Gespräch dann jeweils schnell ab, weil wir als News-Redaktion dafür nicht zuständig sind.»
Auch beim Bistum Basel ruft schon mal ein «Kirchenhasser» an. Vor allem dann, wenn sich das Bistum politisch engagiere, so Sprecher Hansruedi Huber. Beispielsweise, wenn sich das Bistum zur Flüchtlingskrise oder Klimapolitik äussere. Ein Anrufer meinte einmal: «Kümmert euch um das Auslegen von Bibelstellen und nicht um Politik.»
«Der Ton wird härter», sagt Huber. So erhält das Bistum schon mal einen Drohbrief mit Gewaltandrohungen. Die meisten Kritiker seien aber sachlich und anständig im Ton.
Ein Callcenter für Beschwerden findet der Bistums-Sprecher grundsätzlich gut, aber mache in der Schweiz wenig Sinn. «Die katholische Kirche ist in der Schweiz stark dezentral organisiert. Bei einer zentral organisierten Hotline würde die Kritik gar nicht dort ankommen, wo sie eigentlich hin sollte.» Somit wäre eine solche Hotline in der Schweiz aus seiner Sicht höchstens auf Pfarreiebene sinnvoll.
Feedback sei wichtig, sagt Huber. Selbst wenn man viele wütende Anrufe entgegennehmen müsse. «Niemand hat gerne Hasstiraden, aber auch Hasstiraden sind ein Feedback.» Denn nur so könne die Kirche spüren, was sie bei den Menschen auslöse und eventuell Korrekturen vornehmen.