Der durchschnittliche Schweizer Haushalt drückt monatlich zwölf Prozent seines Einkommens für die Krankenkasse ab – nach Abzug der Prämienverbilligungen. Im Kanton Bern sind es sogar 17 Prozent, wie ein Bericht des Bundes aus dem Jahr 2014 zeigt. Auch die Versicherten in Zürich, Luzern, Solothurn, den beiden Basel, Schaffhausen, St. Gallen, Neuenburg, Genf, Jura und in der Waadt müssen demnach überdurchschnittlich stark bluten.
Für letztere ist nun allerdings Besserung in Sicht: Am Dienstag hat der Waadtländer Staatsrat Pierre-Yves Maillard (SP) angekündigt, dass ab nächstem Jahr kein Haushalt mehr über zehn Prozent des Lohns für die Prämien aufwenden muss. Vor den Medien sprach Maillard von einem «emotionalen Moment», zumal tausende Versicherte Hilfe bekämen, die heute nur mit Mühe ihre Krankenkassenprämien bezahlen könnten.
Geht es nach Maillards Partei sollen die Prämien bald in der ganzen Schweiz auf diese Weise gedeckelt werden. Die Sozialdemokraten brüten aktuell über dem Text einer entsprechenden Volksinitiative. «Unser Fahrplan ist, dass die Delegierten den Initiativtext am Parteitag im Dezember verabschieden können», sagt SP-Gesundheitspolitikerin Barbara Gysi zu watson.
Kritiker bezeichnen den Prämiendeckel als reine Symptombekämpfung – an den steigenden Gesundheitskosten ändere die Massnahme nichts. Ausserdem verweisen sie auf das Preisschild, das an der Forderung hängt. Allein in der Waadt werden die Kosten auf 50 bis 60 Millionen Franken jährlich veranschlagt. Gysi verspricht: «Wir haben uns Gedanken dazu gemacht, wie sich die zusätzlichen Prämienverbilligungen sozialverträglich finanzieren lassen.» Zu den Einzelheiten wolle sie derzeit aber noch keine Angaben machen.
Auch für die SP sei klar, dass es daneben noch weitere Schritte brauche, um die Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen. «Die Familien, die teilweise über einen Fünftel ihres Einkommens für die Prämien ausgeben, brauchen allerdings jetzt Hilfe – wir können nicht warten, bis die Kostendämpfungsmassnahmen greifen, denn ein Wundermittel gegen die Kostenexplosion gibt es nicht.»
Die SP ist nicht die einzige Partei, die im Wahljahr mit einer Gesundheitsinitiative auf Stimmenfang gehen will. Die CVP verlangt, dass die Prämien künftig nicht mehr stärker steigen dürfen als die Gesamtwirtschaft und die Löhne. Ab Herbst will sie auf der Strasse Unterschriften für das Volksbegehren sammeln. Politiker aus FDP und SVP pochen derweil auf mehr Eigenverantwortung: Unter anderem sollen höhere Franchisen dafür sorgen, dass sich die Patienten den Gang zum Arzt zweimal überlegen.
Als die Grundversicherung 1994 obligatorisch wurde, formulierte der Bundesrat das Ziel, dass kein Haushalt mehr als acht Prozent seines Einkommens für die Prämien soll. Diese Schmerzgrenze wird heute – mit Ausnahme von Zug (7%), Obwalden und Appenzell-Innerrhoden (8%) – in allen Kantonen überschritten.
In vielen Haushalten dürften die Krankenkassen-Prämien das Budget heute noch stärker belasten, als dies aus dem Bericht von 2014 hervorgeht. Denn seither sind die Gesundheitskosten weiter angestiegen – und gleichzeitig fuhren viele Kantone ihre Beiträge an die Prämienverbilligungen zurück. Derzeit ist das Bundesamt für Gesundheit (BAG) damit beschäftigt, neuere Daten zur Haushaltbelastung auszuwerten. Wann das Monitoring publiziert wird, ist allerdings noch unklar.
Klar ist: Sinken werden die Prämien nicht mehr. Ein solches Szenario sei «nicht realistisch», sagte BAG-Direktor Pascal Strupler im Frühjahr im watson-Interview. «Die Bevölkerung wird älter, das ist ein Kostentreiber. Auch die Innovationen in der Medizin und in der Pharma sorgen dafür, dass die Kosten weiter steigen.»
Die Massnahmen, die heute auf dem Tisch lägen, könnten lediglich Luft schaffen und dafür sorgen, dass die Kostenkurve künftig weniger steil ansteigt.
(jbu)