Grosskampftag in der Schweizer Politik. Der Bundesrat und die CS-PUK haben nach monatelanger Arbeit doch tatsächlich am selben Tag ihre Ergebnisse präsentiert.
Das musste entsprechend gross diskutiert werden, weswegen das Schweizer Fernsehen höchstrangig zur «Arena» geladen hat.
Mit Ausnahme von GLP-Ständerätin Tiana Moser – auch ohne präsidiales Amt eine gewichtige Stimme in Bundesbern – waren ausschliesslich Parteispitzen zur letzten Debatte vor der grossen Weihnachtsbescherung zugegen. Nachfolgend die Gästeliste:
Nun galt es also, das Beschlossene und Geschehene zu reflektieren. Welche Lehren sind aus dem CS-Debakel zu ziehen? Welchen Institutionen muss man genauer auf die Finger schauen? Hat der Bundesrat mit der EU einen guten Deal aufgegleist? Was bedeutet das ausgearbeitete Vertragswerk für die Zuwanderung? Die Meinungen waren natürlich gegensätzlicher Natur. Quod erat expectandum. Und damit ab in den Ring.
Ob Magdalena Martullo-Blocher den Weg ins «Arena»-Studio joggend hinter sich brachte, ist nicht überliefert. Die Aufwärmphase hatte sie auf jeden Fall bereits hinter sich. Die Sendung war kaum angebrochen, da tat die SVP-Nationalrätin ihren Unmut über die Verträge mit der EU kund:
Martullo-Blocher warnte davor, dass sich die Schweiz mit dem Deal der EU unterwerfe, EU-Recht übernehme und das gute eigene System gegen das viel schlechtere der EU eintausche.
Später in der Sendung holte die SVP-Nationalrätin punkto EU-Recht zum verbalen Rundumschlag aus: «Die EU macht Gesetze, wir müssen sie übernehmen. Wenn nicht, werden wird abgestraft.» Sichtlich enerviert ergänzte sie:
Sie habe gehofft, dass der Bundesrat das Rückgrat habe, dies nochmals zu verhindern. Nun liege es am Parlament und vielleicht am Stimmvolk, über das Abkommen mit der EU zu befinden, so Martullo-Blocher.
Ein wichtiger Punkt. Denn in Stein gemeisselt ist der Deal mit der EU noch lange nicht.
Die Vernehmlassung soll vor der Sommerpause 2025 losgehen, Anfang 2026 kommt das Vertragspaket ins Parlament. Noch offen ist, ob in einem weiteren Schritt nur das Volk oder auch die Kantone zustimmen müssen. Eine Abstimmung wird nicht vor 2028 erwartet.
Anders als Martullo-Blocher ist Thierry Burkart dem Unterfangen mit der EU gut gesinnt. Der FDP-Präsident lobte dabei seinen Bundesrat und Aussenminister. Unter anderem dank Ignazio Cassis liege nun ein im Interesse der Schweiz bedeutend besseres Ergebnis vor als das 2021 beerdigte Rahmenabkommen.
Burkart plädierte für ein nun pragmatisches Vorgehen, das Abwägen von Vor- und Nachteilen. Euphorie sei fehl am Platz. Dies könnte den Auftritt der Bundesräte Cassis, Jans und Parmelin an der Medienkonferenz erklären, die trotz des Deals allesamt auch nicht gerade in Jubelstürme ausgebrochen waren.
Auch SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer kann dem Abkommen viel Positives abgewinnen:
Die Verbindung mit der EU sei eng, jede 15. arbeitstätige Person in der Schweiz ein Grenzgänger oder eine Grenzgängerin. Sorgen macht Meyer lediglich der Lohnschutz, da könne der Bundesrat noch nicht aufzeigen, wie er die gemachten Versprechen zu erfüllen gedenke.
In einem nächsten Schritt kamen in der «Arena» die Kosten zur Sprache. Damit die Schweiz Zugang zum EU-Binnenmarkt erhält, muss sie ab 2030 bis 2036 jährlich 350 Millionen Franken auf den Tisch legen. Bislang waren es 130 Millionen Franken pro Jahr.
Das Geld – es kommt ärmeren EU-Mitgliedstaaten zugute – ist SVP-Nationalrätin Martullo-Blocher ein Dorn im Auge. Die Schweiz habe 33 Freihandelsabkommen mit 44 Partnern, etwas bezahlen müsse sie nirgends. Zudem: «350 Millionen sind nur ein Teil, es wird noch mehr dazukommen.»
Hier kam Gerhard Pfister ins Spiel. Der Mitte-Präsident verwies darauf, dass auch die Schweiz Ausgleichszahlungen kenne. Wichtig ist für Pfister, dass die Schweiz mitbestimmen könne, wohin ihr Geld fliesse:
Doch weder diese Argumentation noch die von Mattea Meyer, wonach die Teilnahme der Schweiz am EU-Binnenmarkt ein Geben und Nehmen sei, konnten Martullo-Blocher überzeugen.
Sie verwies darauf, dass selbst die reichen Länder der EU deutlich schlechter dran seien als die Schweiz. «Die Schweizer Wirtschaftsleistung pro Person ist doppelt so hoch, das Einkommen um 50 Prozent höher, die Erwerbslosigkeit ein Drittel von derjenigen der EU. Wir wollen uns doch nicht nach unten nivellieren.»
Damit konnte wiederum Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone nichts anfangen. Es sei eine Arroganz, zu glauben, die Schweiz komme alleine klar. Allen Unkenrufen von rechter Seite zum Trotz – die EU existiere immer noch und schaffe es, die grössten Herausforderungen, etwa Klimaschutz oder Digitalisierung, zu meistern. Da sei die Schweiz nirgends.
Es ist eine grundlegende Änderung gegenüber dem jetzigen Vertragswerk: die ausgehandelte Schutzklausel zur Begrenzung der Zuwanderung. Anders als beim alten Abkommen kann die Schweiz bei der Personenfreizügigkeit eigenständig Massnahmen ergreifen. Allerdings darf die EU im Gegenzug Ausgleichsmassnahmen beschliessen, die über die Personenfreizügigkeit hinausgehen.
Die SVP kann auch der neu verhandelten Schutzklausel nichts Positives abgewinnen. SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer hingegen verwies auf die Schweizer Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften. «Jede dritte Person, die in einem Spital tätig ist, kommt aus dem Ausland. Wenn man keine Zuwanderung will, macht man den Wohlstand in der Schweiz kaputt.»
Für Mitte-Präsident Gerhard Pfister ist es wichtig, dass die Schweiz nun innenpolitisch ausarbeitet, wann die Schutzklausel aktiviert werden sollte. «Die Schweiz sollte die Kompetenz haben, eine überdurchschnittliche Migration in bestimmten Branchen oder Regionen begrenzen zu können.»
Als Replik auf Meyers Votum betonte Pfister die hohen Löhne, die gewisse ausländische Fachkräfte bezögen:
Dass diese Antwort bislang ausblieb, verortet Thierry Burkart unter anderem bei der SP. Burkart spielte dabei unter anderem auf den vor Monatsfrist abgelehnten Autobahnausbau an.
Nach einer Stunde des Debattierens über das abgeschlossene EU-Vertragspaket durfte die versammelte Politrunde dann auch noch über den PUK-Bericht zum CS-Niedergang urteilen.
SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer nutzte die Gunst der Stunde und fuhr den bürgerlichen Politikerinnen und Politikern an den Karren. 10 von 14 Mitgliedern der PUK kämen von Parteien, die Geld von der CS erhalten hätten und heute von der UBS finanziell unterstützt würden. Und weiter:
Der mit der Bankenspitze «derart eng» verbandelte politische Filz habe mitverursacht, dass die CS in einem Zeitraum mit 30 Milliarden Franken Verlust gleichzeitig 30 Milliarden an Boni auszahlen konnte. «Die CS wusste, dass die Politik nicht genau hinschaut und auch noch die Finanzmarktaufsicht schwächt.»
FDP-Präsident Thierry Burkart liess diesen Angriff nicht auf sich sitzen:
Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister konnte mit Meyers PUK-Generalkritik nichts anfangen: «Jetzt schon zu sagen, das sei ein Bericht von mehrheitlich Lobbyisten, finde ich grob fahrlässig und auch respektlos gegenüber den Mitgliedern der PUK, die sich grosse Mühe gegeben haben.»
GLP-Ständerätin Tiana Moser bestärkte Pfisters Ansichten, indem sie darauf verwies, dass der PUK-Bericht von den Mitgliedern der nach Parteistärke zusammengestellten PUK einstimmig verabschiedet wurde. Eine Einigkeit, welche nicht zwingend sei.
Letztlich waren die Meinungen zum PUK-Bericht schnell gemacht. Für Links-Grün ist die «Kuschel-Politik» der Bürgerlichen schuld, sie habe den Niedergang der Grossbank ermöglicht. Die Bürgerlichen wiederum sehen den Fehler grossmehrheitlich beim Missmanagement der Credit Suisse.
Nach rekordverdächtigen 90 Minuten waren die EU- und PUK-«Arena» und damit ein langer, ereignisreicher Tag zu Ende. Ab dem 10. Januar 2025 werden im Leutschenbach dann wieder die politischen Klingen gekreuzt.
Wir haben gut verhandelt. Sehr gut sogar.
Denken wir daran, dass Frau Martullo nur für ihr eigenes Vermögen spricht, nicht für das Schweizer Volk.
Ein guter Vertrag oder Abkommen ist wenn keine Partei zufrieden ist aber alle können damit gut Leben.
Grundsätzlich finde ich eine gute und stabile Beziehung sehr wichtig. Verunsichert werde ich davon, dass der Arbeitgeberverband und die Gewerbelobby die Verträge begrüssen. Jene Gruppen, die vor Gericht Volksentscheide bekämpfen, damit sie weiterhin Hungerlöhne bezahlen können.
Wenn die die Verträge mit der EU begrüssen, werde ich sehr vorsichtig...