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Die Hexenjagd gegen Sanija Ameti ist nicht zu rechtfertigen

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Sanija Ametis Aktion war nicht zielsicher, doch die Angriffe auf sie sind es erst recht nicht.Bild: watson
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Die Hexenjagd gegen Sanija Ameti ist nicht zu rechtfertigen

Sanija Ameti hat eine bodenlose Dummheit begangen. Aber wem hat sie damit geschadet, ausser sich selbst? Was gegen sie läuft, erinnert an eine mittelalterliche Hexenverbrennung.
10.09.2024, 12:4611.09.2024, 08:15
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Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit mussten die Menschen in Europa viel durchmachen: Kriege, Seuchen (der «schwarze Tod»), Hungersnöte aufgrund von Klimaschwankungen. Die Wissenschaft steckte in den Kinderschuhen, also brauchte man Sündenböcke. Häufig traf es die Juden, aber auch Männer und vor allem Frauen, die der Hexerei bezichtigt wurden.

Die Hexenverfolgung ist eines der trübsten Kapitel der europäischen Geschichte, und die Schweiz war alles andere als vorbildlich. Anna Göldi wurde 1782 in Glarus als letzte Frau in Europa in einem «ordentlichen» Prozess wegen Hexerei verurteilt und hingerichtet. Dabei war damals die Aufklärung gegen den Aberglauben auf dem Vormarsch.

Der Umgang mit Sanija Ameti und dem von ihr losgetretenen «Skandal» erinnert an diese «Tradition». Die 32-jährige GLP-Politikerin und Co-Präsidentin der Operation Libero hat eine unglaubliche und kaum fassbare Dummheit begangen, als sie mit einer Luftpistole auf das Katalogbild eines Gemäldes der Madonna mit Jesuskind feuerte.

Die Falle der asozialen Medien

Sie habe sich «nichts dabei überlegt», beteuert Ameti. Vielleicht war ihr Geballere tatsächlich Ausdruck einer säkularen Gesellschaft, der das christliche Erbe abhandenkommt. Dagegen spricht, dass sie auf Instagram nicht nur das Foto von sich als Schützin postete, sondern auch ihre «Zielscheibe» samt Einschusslöchern. Es wirkt wie eine bewusste Provokation.

Als PR-Profi müsste Sanija Ameti wissen, dass man in den oft asozialen Medien nichts aufschalten sollte, was man irgendwann bereuen könnte. Die mit den meisten Herzen gelikten Kommentare auf watson verweisen auf genau diesen Punkt. So gesehen ist sie selbst schuld, doch das rechtfertigt in keinerlei Hinsicht, was nun gegen sie losgetreten wurde.

Katholische Scheinheiligkeit

Der Begriff Shitstorm ist dafür eine krasse Untertreibung. Es erinnert tatsächlich an eine mittelalterliche Hexenverbrennung. Die Grünliberalen, die sich gerne offen und tolerant geben, wollen sie so schnell wie möglich loswerden. Ihr Job bei der PR-Agentur Farner ist weg. Nur die Operation Libero steht zu ihr, was man ihr hoch anrechnen muss.

Die Häme aus den Reihen der SVP und die Strafanzeige ihrer Jungpartei haben den Beigeschmack eines späten Racheakts für die Niederlagen gegen die «Liberos». Selbst die Bischofskonferenz meldete sich und brachte ihre «tiefe Missbilligung» zum Ausdruck. «Ausgerechnet!», denkt man mit Blick auf die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche.

Erinnerung an Elisabeth Kopp

Medien wie NZZ und Tages-Anzeiger prügeln auf Sanija Ameti ein und lassen keinerlei Unschuldsvermutung gelten. Es wirkt wie ein Nachtreten gegen jemanden, der hilflos am Boden liegt. Denn was hat sie konkret «verbrochen»? Ja, sie hat religiöse Gefühle verletzt. Aber hat sie jemanden umgebracht? Hat sie Existenzen zerstört, ausser der eigenen?

Ihr tiefer Fall erinnert an jenen von Elisabeth Kopp, der ersten Schweizer Bundesrätin, die für einen vermeintlichen Fehltritt – sie wurde juristisch freigesprochen – brutal abgestraft und jahrelang geächtet wurde. Es wäre schlimm, wenn Sanija Ameti Ähnliches drohen würde. Immerhin, es gibt Unterstützer – auch solche, von denen man es nicht erwartet hätte.

So nimmt der Islamkritiker Kacem El Ghazzali die gebürtige Muslima auf X in Schutz. Die Hetzjagd gegen Ameti betrachte er «mit grosser Sorge». Auch er wittert bei einigen Kritikern «ein mittelalterliches Verständnis von Blasphemie und Einschränkung der Meinungsfreiheit». Er sei kein Fan von Sanija Ameti und möge «auch ihre Art des Politisierens nicht»:

«Trotzdem schätze ich sie, weil sie mich herausfordert und zum Nachdenken bringt.»

Diesen Satz von El Ghazzali sollte man allen hinter die Ohren schreiben, die sich über Ameti empören. Und nicht nur ihnen. Er bringt das Drama einer Gesellschaft auf den Punkt, die sich in geschützte Bubbles zurückzieht und unbequeme Meinungen nicht mehr akzeptieren kann. Man muss sie aushalten, auch wenn sie alles andere als zielsicher sind.

Im Fall von Sanija Ameti trifft dies im wahrsten Sinn zu. Mit ihrer geschmacklosen Aktion hat sie viele Menschen brüskiert. Aber es ist unerträglich, dass man sie als moderne Hexe auf dem virtuellen Scheiterhaufen verbrennt. Immerhin bittet sie um «Vergebung», was guter christlicher Tradition entspricht. Irgendwie ist diese auch ihren Hatern abhandengekommen.

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811 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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NihonjinYurian
10.09.2024 13:01registriert März 2019
Ganz einfach: Für viele Christen ist es ermüdend, dass über ihre Religion anscheinend „Witze“ gemacht werden dürfen und Leute auf Jesus schiessen dürfen, während dies für andere nicht gilt. Das Argument bezüglich „man stelle sich vor sie hätte auf x - Propheten einer anderen Religion geschossen“ nervt zwar, hätte allerdings aus genau diesen eigenen Reihen für massiv mehr Unmut gesorgt.

Mir persönlich als Atheist komplett egal, aber die heutige Welt funktioniert so. Selbst vermasselt, 0 Mitleid. Hätte ihr jeder sagen können, dass dies eine Schnapsidee ist.
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Brasser
10.09.2024 12:57registriert Juli 2015
Nun ja, im Austeilen war sie bekanntlich nicht gerade zurückhaltend und sparte auch nicht mit persönlichen Verunglimpfungen, von daher nutzen jetzt natürlich einige ihrer früheren "Zielscheiben" den Moment für eine persönliche Vergeltung ihr gegenüber.
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Sowas
10.09.2024 13:06registriert Februar 2021
Was bitte sehr hat es mit einer Hexenverbrennung zu tun, wenn eine vermeintlich intelligente Person die Konsequenzen ihres Tun‘s zu tragen hat ?
Von einer Politikerin die einen Teil ihres Einkommens aus Steuergeldern bezieht darf man erwarten, dass sie eine Vorbildfunktion lebt und erst denkt und dann handelt.
Jede/r normale Arbeitnehmer/in hat die Konsequenz des Handelns auch zu tragen je nach Vorfall reicht halt ein „tut mir leid“ auch nicht.
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