Wer entscheidet, ob eine Zivil-Maschine beschossen wird? 6 Fragen und Antworten zum El-Al-Zwischenfall
Wer hat die Schweizer Luftwaffe alarmiert?
Informiert haben die französischen Kollegen, wie Luftwaffe-Sprecher Jürg Nussbaum der Nachrichtenagentur SDA sagte. Daraufhin starteten Kampfjets in Payerne VD, nahmen die Linienmaschine an der französischen Grenze in Empfang und begleiteten sie bis zur österreichischen Grenze. Im österreichischen Luftraum blieb die Boeing 747 der Fluggesellschaft El Al nur kurze Zeit, bevor sie den italienischen Luftraum erreichte, wo sie von der dortigen Luftwaffe «abgeholt» wurde.
Wie lange dauert es, bis die Jets bei der Boeing sind?
Das «Projekt Luftpolizeidienst 24» sieht vor, werktags zwischen 8 und 18 Uhr in maximal 15 Minuten zwei bewaffnete F/A-18 in die Luft zu bringen. Nach dem Start erreichen diese ihr Ziel in kurzer Zeit: Man kann also davon ausgehen, dass die Schweizer Jets nach der Alarmierung in 15 bis 20 Minuten bei der El-Al-Maschine waren.
Was ist eine «Live Mission»?
Bei einer «Live Mission» kontrollieren Schweizer Jets stichprobenartig fremde staatliche Flugzeuge, die mit einer diplomatischen Freigabe durch unseren Luftraum fliegen.
Die F/A-18 der Schweizer Luftwaffe
Was ist eine «Hot Mission»?
Eine «Hot Mission» steht an, wenn Flugzeuge die Lufthoheit der Schweiz verletzen oder die Luftverkehrsregeln «in schwerwiegender Weise» brechen – also wenn sie zum Beispiel in Flugverbotszonen eindringen.
Warum wurde die Boeing überhaupt eskortiert?
Es handelt sich um ein Standard-Prozedere, um die maximale Sicherheit zu garantieren: Erst wenn die Piloten ein solches Flugzeug anfliegen, können sie durch Sichtkontakt nachprüfen, ob die Situation in der Maschine so ist wie angegeben. Ausserdem ist erst dann eine Kommunikation mit den anderen Piloten neben dem Funk möglich.
Wer entscheidet, ob ein Verkehrsflugzeug beschossen wird?
In einem Worst Case liegt die Entscheidung für einen Schuss beim Pilot. Eine Ausnahme bildet unter anderem das WEF in Davos: Hier ist der entsprechende Luftraum gesperrt, die F/A-18-Piloten sitzen permanent in ihren Jets und sind bereit für einen Alarmstart. Wenn in so einer Situation ein Ernstfall passieren würde, hätte der Verteidigungsminister das letzte Wort, bevor scharf geschossen würde.
Update: Ein User machte uns auf einen «20 Minuten»-Artikel aufmerksam, in dem Politiker Thomas Hurter sagt: «Der Kampfjet-Pilot kann nicht einfach nach Gutdünken ein Flugzeug vom Himmel holen.»
Auf erneute watson-Nachfrage bestätigte das VBS jedoch: Nach aktueller Gesetzeslage ist der Bundesrat nur dann verantwortlich, wenn der Luftraum eingeschränkt ist. Bei einem Notstand bei luftpolizeilichen Einsätzen im nicht eingeschränkten Luftraum entscheidet dagegen der Pilot.
[In einer vorigen Version stand, die Jets seien beim WEF permanent in der Luft. Wir danken Beat Kuhn diesbezüglich für die Korrektur!]
Nach Auskunft von Luftwaffe-Sprecherin Delphine Allemand fliegen in der Schweiz Militärjets pro Jahr rund 160 Überschallflüge, einzelne davon auch im Rahmen von «Hot Missions» wie jenen vom Dienstag. Die Flüge sind bewilligungspflichtig und werden gemäss Luftwaffe mit Rücksicht auf die Bevölkerung in der Regel nicht über dem Mittelland und nicht unterhalb von 10'000 Metern über Meer durchgeführt. Im Winter darf bei grosser Lawinengefahr kein Überschall geflogen werden. (sda)