Die Drohne schwebt über dem Maisfeld. Beladen ist sie mit einer «Biowaffe», die sie in regelmässigem Abstand über den Pflanzen abwirft. So könnte eine billige SciFi-Story beginnen. Die Szene aber ist Realität. Zu erleben war sie am Donnerstag auf dem Bauernhof von Ana Maria und Markus Lüscher in Schalunen, einem «Krachen» im Berner Mittelland.
Ziel des Einsatzes war der Maiszünsler. Bei der «Biowaffe» handelte es sich um Kugeln aus Maisstärke, gefüllt mit Larven der Schlupfwespe Trichogramma. Sie legt ihre Eier in jene des Maiszünslers und vernichtet den Schädling, bevor er sein Unwesen treiben kann. Dank der Drohne werden die Larven schnell, präzis und ohne lästiges Durchlaufen des Maisfelds ausgebracht.
Landwirtschaft und Hightech sind kein Gegensatz, auch wenn die «Heile Welt»-Werbung der Grossverteiler mit glücklichen Hühnern das Gegenteil vorgaukelt. «Das ist Landwirtschaft aus dem Mittelalter», meint Bauer Markus Lüscher. Er setzt nicht nur auf Drohnen, sondern auch auf GPS, um seine Erträge zu steigern und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu optimieren.
«Dadurch habe ich den Einsatz von Glyphosat massiv reduziert», sagt Lüscher. Der Unkrautvertilger ist in höchstem Mass umstritten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet Glyphosat als «wahrscheinlich krebserregend». In der EU wird über ein Verbot debattiert, und gerade erst hat ein Gericht in Kalifornien Hunderte Klagen gegen den Agrochemiemulti Monsanto zugelassen.
Glyphosat und andere Pflanzenschutzmittel erzeugen bei vielen Menschen Unbehagen. Gleich zwei Volksinitiativen wollen ihren Einsatz reduzieren oder verbieten. Die im Januar eingereichte Trinkwasser-Initiative verlangt, dass nur noch Bauernbetriebe Subventionen erhalten, die auf den Einsatz von Pestiziden oder vorbeugend verabreichte Antibiotika verzichten.
Noch weiter geht die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide». Sie verlangt ein Totalverbot von Substanzen wie Glyphosat oder Neonicotinoiden, die für das Bienensterben verantwortlich gemacht werden. Beide Volksbegehren wurden von kleinen Komitees lanciert, trotzdem kamen sie mühelos zustande. Offenkundig treffen sie einen Nerv.
Dies zeigt auch eine Anfang Woche veröffentlichte Tamedia-Umfrage. Sowohl die Trinkwasser- wie die Pestizid-Initiative kommen auf einen Ja-Anteil von rund 70 Prozent. Dieses Resultat ist mit Vorsicht zu geniessen, denn die Meinungsbildung zu diesem Thema befindet sich bestenfalls im Frühstadium. Vor 2020 wird keine der beiden Initiativen zur Abstimmung gelangen.
Der Schweizerische Bauernverband (SBV) aber ist schon heute alarmiert. Die beiden Initiativen und nicht etwa der Hightech-Einsatz waren der Grund, warum er die Medien am Donnerstag nach Schalunen geladen hat. «Die Landwirtinnen und Landwirte setzen Pflanzenschutzmittel nicht zum Spass ein», lautete die Botschaft. Die Devise sei: «So wenig wie möglich, so viel wie nötig».
Vorgestellt wurde das Berner Pflanzenschutzprojekt, dem rund 30 Prozent aller Betriebe im agrarisch geprägten Kanton angeschlossen sind, darunter der Lüscher-Hof in Schalunen. Ziel sei eine Reduktion der Risiken durch Pflanzenschutzmittel für die Umwelt und eine Sensibilisierung der Landwirtschaft, sagte Michel Gygax vom kantonalen Amt für Landwirtschaft und Natur.
In anderen Regionen gibt es ähnliche Bestrebungen. So sei es gelungen, das Flüsschen Boiron im Waadtland von einem schlechten in einen guten bis sehr guten Zustand zu bringen, sagte Bauernverbandspräsident Markus Ritter. Der St.Galler CVP-Nationalrat setzt auf den Aktionsplan Pflanzenschutz des Bundes, den der SBV «voll und ganz» unterstütze.
Der Verband verwies auch auf das widersprüchliche Verhalten der Konsumenten. Sie empfinden ein Unbehagen gegenüber Pestiziden, aber wehe, Früchte und Gemüse sehen im Laden nicht picobello aus. Ohne biologische und chemische Mittel ist das kaum möglich. Und obwohl der Absatz von Bioprodukten seit Jahren steigt, beträgt ihr Anteil am Gesamtmarkt gerade mal neun Prozent.
«Warum um Himmels Willen kaufen die Leute nicht mehr Bio?», fragte sich Martin Rufer, Leiter Produktion, Märkte und Ökologie beim SBV. Am Ende ist der Preis in den meisten Fällen wichtiger als die Angst vor möglichen gesundheitlichen Folgen. Und auch im Biolandbau gehe es nicht ohne Pflanzenschutz, betonte Rufer. Es kämen einfach andere Mittel zum Einsatz.
«Auch bei Bio-Kartoffeln braucht es Pflanzenschutzmittel», sagt Markus Lüscher, der selber kein Biobauer ist. Grund ist die Krautfäule, die unter anderem die verheerende Hungersnot in Irland Mitte des 19. Jahrhunderts verursacht hatte. Selbst die Urheber der Trinkwasser-Initiative mussten dies einsehen, sie wollen eine Ausnahme für von Biobauern eingesetzte Pestizide.
Diese Initiative könnte nach Ansicht von Bauernpräsident Markus Ritter ohnehin kontraproduktiv wirken und zu einer Entwicklung in zwei Extreme führen. Hier die Betriebe, die auf Direktzahlungen verzichten und ihre Produktion erst recht intensivieren. Dort jene Höfe, die Geld beziehen und dafür weniger Erträge erzielen. Die fehlenden Lebensmittel würden über Importe kompensiert. «Ein Gewinn für die Umwelt lässt sich dabei nicht ausmachen», sagt Ritter.
Der Bundesrat hat die Trinkwasser-Initiative Mitte Juni ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen. Zur Initiative gegen synthetische Pestizide hat er sich noch nicht geäussert. Der Bauernverband macht sich auf eine emotionale Debatte gefasst. Ohnehin steht die Landwirtschaft nach Jahren der relativen Ruhe wieder im Fokus der Politik, etwa im Streit um den Freihandel.
Noch vor den beiden Pflanzenschutz-Vorlagen kommen drei weitere Initiativen vors Volk. Am 23. September wird über die Fair-Food-Initiative und die Initiative für Ernährungssouveränität abgestimmt, am 25. November folgt die Hornkuh-Initiative. Mit diesen Vorlagen hat der SBV weit weniger Probleme als mit der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative.