Schweiz
Religion

Nach Studie: Kirchenaustritt Schweiz verzeichnet viele Austritte

"Heiliggeistkirche" church in Basel, Switzerland, pictured on April 19, 2009. "Heiliggeistkirche" church is a Roman-Catholic church in Basel's Gundeldingen district built in 1 ...
Die katholische Kirche in der Schweiz hat die unabhängige Vorstudie selbst in Auftrag gegeben.Bild: KEYSTONE

«So hoch war die Nachfrage noch nie» – nach Studie treten viele aus der Kirche aus

In einer Minute zum Kirchenaustritt, verspricht der Verein Kirchenaustritt Schweiz auf seiner Website. Von diesem Angebot haben nach Veröffentlichung der Vorstudie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche viele Gebrauch gemacht.
16.09.2023, 14:4717.09.2023, 10:22
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Stefan Amrein aus Sursee hatte in dieser Woche viel zu tun. Er ist der Gründer von Kirchenaustritt Schweiz. Auf seiner Website bietet der Verein ein Gratisformular an, das Leute, die aus der Kirche austreten wollen, herunterladen, unterschreiben und dann an ihre Kirchgemeinde senden können.

Für 29 Franken übernimmt sein Verein die komplette Abwicklung des Austritts. Ein grosses Business sei das für ihn aber nicht. Die meisten nutzten das Gratisformular. «Die kostenpflichtige Version ist nur bei jenen beliebt, die sichergehen möchten, dass sie absolut nichts mehr mit der Kirche zu tun haben», sagt Amrein.

Stefan Amrein, Gründer des Vereins "Kirchenaustritt Schweiz"
Stefan Amrein betreibt die Website Kirchenaustritt Schweiz seit 2010.Bild: zgv

Denn es käme immer wieder vor, dass Austretende von Vertreterinnen oder Vertretern ihrer Kirchgemeinde kontaktiert würden. Manchmal stehe plötzlich der Dorfpfarrer vor der Tür. In anderen Fällen würden sie am Telefon zusammengestaucht. Von Letzterem erzählte ein Austretender Amrein erst vor wenigen Tagen. «Man tritt nicht aus der Kirche aus. Das macht man einfach nicht», habe man ihm seitens seiner Kirchgemeinde gesagt. Ausgetreten ist er dann trotzdem. So wie wohl viele in den letzten Tagen.

«Wir verzeichnen immer wieder eine Zunahme der Gesuche, wenn ein Skandal innerhalb der Kirche publik wird. Aber so hoch wie in den letzten vier Tagen war die Nachfrage noch nie», sagt Amrein. Genaue Zahlen kann er zwar nicht nennen. Das würde sein Verein nicht tracken. Doch so viel kann Amrein sagen:

«Auf unser Gratisformular für den Kirchenaustritt verzeichneten wir in den letzten Tagen bis zu zehn Mal höhere Zugriffszahlen als sonst.»
Stefan Amrein, Gründer des Vereins Kirchenaustritt Schweiz

Schon vor Veröffentlichung der Studie ein Anstieg

Bereits am vergangenen Sonntag stieg die Anzahl Besuche auf seiner Website deutlich. An diesem Tag machte der «SonntagsBlick» publik, dass sechs Bischöfen vorgeworfen wird, Fälle mutmasslichen sexuellen Missbrauchs in der Kirche vertuscht zu haben. Einer von ihnen solle gar selbst einen Jugendlichen missbraucht haben.

Ab Dienstag lief die Hotline von Kirchenaustritt Schweiz schliesslich auf Hochtouren. Das Postfach war voll. Denn am Dienstag veröffentlichte die Universität Zürich ihre Studienergebnisse zu sexuellem Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche. Die katholische Kirche selbst hatte sie in Auftrag gegeben, um ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.

Die Forschenden konnten 1002 Fälle von sexuellem Missbrauch sowie systematische Vertuschung dieser durch Verantwortungsträger belegen. Täter waren meist Priester.

Amrein betreibt die Hotline und das Postfach von Kirchenaustritt Schweiz grösstenteils selbst. Darum weiss er auch, dass für viele Austretende die Ergebnisse der Studie das Fass zum Überlaufen gebracht haben. «Bei vielen war es eine sehr emotionale Entscheidung», sagt Amrein.

Manche hätten ihn auch gefragt, ob sie noch in der Kirche bleiben sollten. «Aber Bewertungen geben wir nicht ab. Diese Entscheidung muss jeder für sich treffen.» Nicht selten hat er in den letzten Tagen gehört, dass die Austretenden noch an Gott glauben. Die katholische Kirche als Institution bräuchten sie dafür aber nicht.

«Die grosse Mehrheit der Austretenden hat im Alltag aber gar keine Berührungspunkte mehr mit der Kirche», sagt Amrein. Das merke er vor allem dann, wenn die Austretenden nicht einmal wüssten, ob sie reformiert oder katholisch seien.

Nach Austrittsrekord 2021: Wie wird 2023?

Stefan Amrein hat Kirchenaustritt Schweiz 2010 ins Leben gerufen, nachdem er selbst aus der Kirche ausgetreten war. Seither wird er dafür von diversen Gläubigen immer wieder angefeindet. Sie bezeichnen seinen Service als unmoralisch. Amrein lässt das kalt: «Ich bin nicht sicher, ob die Kirche in der aktuellen Situation die richtige Stelle ist, um über Moral urteilen zu können.»

Trotzdem wird Amrein immer wieder bezichtigt, schuld an hohen Austrittszahlen zu sein. So verzeichnete die katholische Kirche in der Schweiz vor zwei Jahren einen neuen Rekord. Mit mehr als 34'000 Personen sind 2021 so viele Katholiken aus der Kirche ausgetreten wie noch nie.

Die Zahlen für das Jahr 2022 wird das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut womöglich im Oktober veröffentlichen, so wie jedes Jahr. Stefan Amrein will sich mit einer Prognose nicht weit aus dem Fenster lehnen. Als einer von vielen Anbietern, die Kirchenaustritte kostenlos oder gegen Bezahlung durchführen, kann er nur aufgrund der eigenen Nachfrage urteilen.

Das Jahr 2022 hat er nicht besonders in Erinnerung. Darum geht er davon aus, dass etwa gleich viele oder sogar weniger Leute ausgetreten sind als 2021. Anders sieht seine Einschätzung für das aktuelle Jahr aus:

«Ich wäre nicht überrascht, würde 2023 ein neuer Rekord aufgestellt und so viele Leute austreten wie noch nie.»
Stefan Amrein, Gründer des Vereins Kirchenaustritt Schweiz
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245 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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arpa
16.09.2023 15:03registriert März 2015
Ich bekam vor 15 Jahren auch einen Anruf vom Pfarramtspräsidenten.
1. Sei der Brief nicht eingeschrieben und somit nicht gültig.
2. Solle ich mie das nochmals gut überlegen, die Kirche im Dorf habe schon wenig Mitglieder..

Hab am selben Tag den Beief eingeschrieben abgeschickt.
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Miss Anthrop
16.09.2023 15:10registriert Juni 2018
Finde ich ja gut, wenn man den Verein nicht mehr unterstützt.
Aber wieso fällt der Groschen erst jetzt? Das ist ja schon seit Jahren bekannt. Wichtige Studie, aber eigentlich ünerraschen die Ergebnisse nicht.
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Blitzableitung
16.09.2023 15:27registriert Juni 2023
Ich bin 2005 ausgetreten als Ratzinger Papst wurde. Dieser war vorher 20 Jahre Chef der Kongregation und hat in diesem Amt 1000nde Missbrauchsfälle vertuscht und die Täter umplatziert damit diese wie gewohnt weiter machen konnten.
Ich frage mich heute noch ob sein späterer Rücktritt damit zu tun hatte.
2005
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