Vor Sendebeginn gaben die meisten Studiogäste von SRF-Moderator Sandro Brotz zu, dass sie in den letzten drei Tagen das Telefon oder den Fernseher kaum aus den Augen gelassen hatten. Zu gross war die Anspannung darüber, was ennet des grossen Teichs gerade passiert. Inmitten der chaotischen Zustände der amerikanischen Präsidentschaftswahlen war darum eine Diskussion über Krieg und Waffen – so pietätlos es auch klingen mag – eine willkommene Ablenkung.
Das merkte man den geladenen Gästen an. Sie debattierten äusserst engagiert. Wohl auch deshalb, weil es bis zur Abstimmung über die Kriegsmaterial-Initiative nur noch drei Wochen dauert und Umfragen prognostizieren, dass das Resultat sehr knapp ausfallen könnte. Derzeit gibt es einen leichten Ja-Trend.
Was die Gegnerinnen und Gegner der Initiative beunruhigen dürfte. Bei Brotz im Studio waren der SVP-Bundesrat Guy Parmelin, der Schützenhilfe bekam von der FDP-Nationalrätin Maja Riniker, CVP-Nationalrätin Marianne Binder-Keller und Stefan Brupbacher, dem Direktor von Swissmem, dem Dachverband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Wobei bei Letzterem unklar ist, wie hilfreich sein Auftritt für die Gegnerschaft wirklich war. Doch dazu später.
Auf der Seite der Initianten fand sich das jüngste Team ein, das je in einer SRF-«Arena» auftrat: Nebst dem 24-jährigen GSoA-Sekretär Lewin Lempert war dies die 19 Jahre alte Julia Küng, Co-Präsidentin der Jungen Grünen Schweiz. Von der hinteren Reihe erhielten sie Unterstützung von SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf und EVP-Nationalrätin Lilian Studer.
Doch wie sich im Verlauf der Diskussion zeigte, war das junge Gespann keineswegs auf Hilfe angewiesen: Jeden Angriff der Gegnerinnen parierte es mit Leichtigkeit und Eloquenz. Dies war der Tatsache geschuldet, dass beide ausgesprochen gut vorbereitet waren und nichts dem Zufall überliessen. Auf jede noch so bedrängende Frage folgte eine entwaffnende Antwort.
So zum Beispiel, als Bundesrat Parmelin mehrmals wiederholte, dass die Initiative völlig wirkungslos sei, «wie ein schlechtes Medikament, das lediglich Nebenwirkungen hervorruft». Bei einem Ja dürften die Nationalbank, die AHV, die IV sowie die Pensionskassen und Stiftungen ihr Geld nicht mehr so investieren, dass Kriegmaterialproduzenten davon profitieren. Laut Parmelin würde damit Unternehmen geschadet, Arbeitsplätze gingen verloren, ja sogar einen negativen Effekt auf die Renten gäbe es. Und das alles, ohne dass die Initiative auch nur irgendeine Wirkung hätte.
Natürlich habe die Initiative eine Wirkung. Schliesslich sei der Finanzplatz der Schweiz einer der wichtigsten der Welt, so Lempert. Abgesehen davon, dass die Schweiz als gutes Beispiel für andere Länder vorangehen könnte, gehe es um Investitionen im Milliardenbereich. «Und das macht einen Unterschied.»
SP-Nationalrätin Seiler-Graf brachte ein weiteres Argument auf den Tisch. Nämlich sei die Schweiz ein Land mit einer besonderen Rolle, eines, das berühmt sei für seine humanitären Dienste. «Wir müssen glaubhaft bleiben. Es ist schizophren, wenn man auf der einen Seite versucht, Konflikte zu befrieden, und auf der anderen Seite Geld gibt, damit solche Konflikte weiterleben können.»
Doch die Gegenseite konnte mit solch moralischen Voten wenig anfangen. CVP-Nationalrätin Binder klagte, es könne doch nicht sein, dass die Nationalbank nun all ihre Investitionen durchforsten und die Kriegsmaterialproduzenten entfernen müsste. Es gebe keine nationale oder internationale Kriegsproduzentenliste. «Das ist ein absolut administrativer Aufwand.»
Eine Steilvorlage für die Junge Grüne Küng: «Das ist ja genau das Problem. Es gibt keine transparenten Zahlen dazu, wie viel in Kriegsmaterialproduzenten investiert wird.» Aber es sei doch genau das Recht der Schweizer Versicherten zu wissen, dass ihr Geld nicht in Kriegsmaterialproduzenten fliesse.
Und dann war Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher am Zug. In der Hand hielt er ein kleines elektronisches Bauteil, das sowohl in der Boden- und Luftabwehr, als auch in der Medizinal-Technologie eingesetzt wird. Die Herstellerfirma dieser sogenannten Leiterplatte beschäftige 150 Personen. Die Initianten würden nun wollen, dass dieses Unternehmen finanziell abgeschottet werde. Und das sei nur ein einzelnes Beispiel. Denn so gehe es 3000 anderen Unternehmen in der Schweiz, die von der Kriegsmaterial-Initiative direkt betroffen wären.
Und prompt zog Lempert einen Zettel unter seinem Stehpult hervor und wedelt damit in der Luft. «Ich kenne diese Berechnung von Swissmem. Das ist in meinen Augen Kindergarten-Mathematik.» Nicht einmal das Seco könne berechnen, wie viele Unternehmen von der Initiative betroffen wären. In der Schweiz habe es in den letzten fünf Jahren gerade einmal 150 Kriegsmaterialproduzenten gegeben, die zum Teil Kriegsmaterial ins Ausland exportiert haben. «Das sind die Fakten und ich lasse mir da nicht Falschinformationen unterschieben», so Lempert.
Lempert schien bei Brupbacher einen wunden Punkt getroffen zu haben. Denn dieser ging nun zum Frontalangriff über – und wurde persönlich. Seit 15 Jahren verunglimpfe die GSoA Kriegsmaterialproduzenten. Die Angestellten der 3000 Unternehmen in der Schweiz, die in diesem Bereich arbeiten, seien stolz auf ihren Job. Doch öffentlich aufzutreten trauen sie sich längst nicht mehr. Und er begreife auch wieso. Gerade vergangene Nacht, notabene drei Wochen vor der Abstimmung, habe es einen Sprengstoff-Attentat auf eine Mitglied-Firma gegeben.
Weder Lempert noch Moderator Brotz wussten, was sie mit diesem emotionalen Votum anfangen sollten. Wollte Brupbacher den Initianten die Schuld an einem Sprengstoff-Attentat in die Schuhe schieben? Mit dieser aus der Hüfte geschossenen, skurrilen Anschuldigung untergrub der Swissmem-Direktor seine eigene Glaubwürdigkeit.
Zuletzt bewährte sich die professionelle und sachliche Art von Lempert viel mehr. Damit überstrahlte er nicht nur die Performance eines gestandenen Verbandsfunktionärs, sondern auch Bundesrat Parmelin. Dieser verpasste es, der Gegnerschaft mit stichhaltigen Argumenten den Rücken zu stärken, sondern wiederholte sich während der Sendung mehrfach. Das jüngste «Arena»-Duo aller Zeiten dürfte damit mit seiner Leistung zufrieden sein.