Um Pierre Maudet ist es einsam geworden. Vor einem Jahr war der 40-jährige Freisinnige ein gefeierter Fast-Bundesrat, dem scheinbar alle Türen offen standen. Nun ist er zu einem «Aussätzigen» der Schweizer Politik geworden. Als Sicherheitsdirektor der Republik und des Kantons Genf wurde er weitgehend entmachtet, das Regierungspräsidium musste er abgeben.
Nun hat auch seine Partei die Geduld mit Maudet verloren. Am Dienstag erklärte Alexandre de Senarclens, der Präsident der Genfer FDP, man wolle ihn zum Rücktritt auffordern. Tags darauf legte der Vorstand der FDP Schweiz nach. Er verlangte einstimmig Maudets Demission aus der Genfer Regierung, wie Parteipräsidentin Petra Gössi am Mittwoch in Bern erklärte.
Pierre Maudet habe die Werte der FDP Schweiz mit Füssen getreten, sagte die Schwyzer Nationalrätin. Für zusätzlichen Ärger sorgte sein Verhalten im Vorfeld der Vorstandssitzung. Erst wollte er sie mit Verweis auf eine Sitzung der Kantonsregierung «schwänzen». Dann tauchte er plötzlich doch in Bern auf – nur um die Rücktrittsforderung vor den Medien zurückzuweisen.
Es sei offenkundig, «dass sich Maudet und die FDP Schweiz auf unterschiedlichen Planeten bewegen», kommentierte die NZZ. Nun ist die Rede von einem Ausschluss des renitenten Regierungsrats aus der Partei. Zuständig wäre die Genfer FDP. Allerdings kann er nicht zum Abgang gezwungen werden. Im Kanton Genf gibt es kein Amtsenthebungsverfahren.
Die Affäre Maudet dreht sich nicht nur um die Reise mit seiner Familie an den Formel-1-GP in Abu Dhabi im November 2015, die er sich vom Kronprinzen des Emirats hatte bezahlen lassen, was er lange leugnete. Die Genfer Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb wegen Vorteilsnahme. Ins Zwielicht gerät Maudet auch wegen anderer Finanzgeschichten.
So liess er den jährlichen Beitrag von 10'000 Franken an die FDP von einem Unterstützungsverein bezahlen. Den Betrag zog er trotzdem von den Steuern ab. «Ich wusste nicht, dass er ein solcher Rappenspalter ist. Warum hat er diese Summe nicht aus seinem persönlichen Konto bezahlt?», fragte sich ein namentlich nicht genanntes Parteimitglied gegenüber der Zeitung «Le Matin Dimanche».
Pierre Maudet schweigt zu diesem Thema. Und die Regierung ist machtlos, wie der Grüne Antonio Hodgers, der das Präsidium von Maudet übernommen hat, am Donnerstag im Westschweizer Radio RTS erklärte: «Der Regierungsrat besitzt keine Folterinstrumente, um eines seiner Mitglieder zum Reden zu bringen.»
Das Geld ist womöglich der Grund, warum sich Maudet an sein Amt klammert. Er ist seit sieben Jahren Mitglied der Kantonsregierung. Wenn er heute zurücktritt, hat er Anrecht auf eine einmalige Abfindung von drei Monatslöhnen pro Amtsjahr. Im konkreten Fall wären es somit 21 Monatslöhne oder 437'802 Franken, wie das kantonale Personalamt auf Anfrage von RTS errechnet hat.
Das ist eine hübsche Summe. Nach acht Jahren aber kann ein Genfer Regierungsrat eine lebenslange Rente beziehen. Im Fall von Pierre Maudet würde sie sich gemäss RTS auf jährlich 89'161 Franken oder 7430 Franken pro Monat belaufen. Das Stichdatum ist der 29. Juni 2019. Dann endet sein achtes Amtsjahr, und er ist rentenberechtigt.
Für einen 40-Jährigen ist der Fall sonnenklar: Eine jährliche Rente auf Lebenszeit ist wesentlich attraktiver als die einmalige Abfindung bei einem heutigen Rücktritt. Maudet hat also allen Grund, noch sieben Monate durchzuhalten. 7430 Franken pro Monat erlauben einem dreifachen Vater im teuren Genf keine grossen Sprünge. Doch Maudet hat nie etwas anderes gemacht als Politik.
Seine beruflichen Perspektiven sind nach den diversen Skandalen durchzogen, da kann man eine solche Rente durchaus gebrauchen. Maudet selbst weist solche Erwägungen zurück: «Ich habe nie den Tag berechnet, an dem ich Anrecht auf eine Pension habe», sagte er «Le Matin Dimanche». Er habe keinen aufwändigen Lebensstil. Das sei die Folge seiner «protestantischen Erziehung».
Die SVP Genf fordert, ihm die Pension zu entziehen, weil er wegen einer Justizaffäre zurücktreten müsse. Das dürfte nicht ganz einfach sein, denn noch ist Maudet nicht verurteilt. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Das Verfahren dürfte noch einige Zeit dauern. Der Druck aber steigt weiter: Eine Online-Petition, die seinen Rücktritt fordert, verzeichnet schon über 10'000 Unterschriften.