Über 100'000 Personen im Umfeld des öffentliche Verkehrs (ÖV) haben im letzten Jahr von vergünstigten Generalabonnementen (GA) profitiert. Nun untersucht das Bundesamt für Verkehr (BAV) das Rabattsystem.
Jedes sechste GA wird mit Rabatten zwischen 30 und 82 Prozent abgegeben, wie die «SonntagsZeitung» unter Berufung auf ihr vorliegende Dokumente zu den Lohn-Nebenleistungen berichtet. Der Verkauf der rabattierten GA-FVP («Fahrvergünstigung Personal») bringe jährlich rund 120 Millionen Franken ein. Der Verkaufspreis eines GA beträgt 6300 Franken für die 1. Klasse und 3860 Franken für die 2. Klasse.
Der hochgerechnete Marktwert betrage 380 Millionen Franken, schreibt die Zeitung weiter. Wie Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VÖV), auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte, ist diese Zahl ein rechnerisch theoretischer Wert, den man so nicht übernehmen kann.
In den Genuss solcher Rabatte kamen im vergangenen Jahr demnach 101'243 Personen, neben den Angestellten auch Familienangehörige und Rentner. Von den Rabatten profitierten nicht nur Angestellte des öffentlichen Personenverkehrs sondern auch Pensionskassenangestellte oder Beschäftigte im Cargo-Bereich.
Gemäss Stückelberger ist der Grund dafür, dass auch ehemalige SBB-Unternehmen wie zum Beispiel Helvetino oder SBB-Cargo rechtlich neu organisiert wurden und deshalb profitieren können. Es handle sich nicht um Unternehmen, die neu dazugekommen seien. Insgesamt profitieren über 250 Unternehmen im ÖV-Umfeld von den Vergünstigungen.
Wie jetzt bekannt wurde, hat das BAV im Dezember eine Untersuchung eingeleitet. Es prüft mögliche Einnahmenausfälle im regionalen Personenverkehr durch das Rabattsystem. Bund und Kanton subventionieren diesen mit jährlich je einer Milliarde Franken.
Es handle es sich zwar um Lohn-Nebenleistungen, wie es sie in jeder Branche oder Unternehmen gebe, gab das BAV auf Anfrage bekannt. Auch sehe das Gesetz vor, dass Transportunternehmen "mit Sonderabmachungen die Preise ermässigten oder andere Vergünstigungen gewähren könnten.
Aus subventionsrechtlicher Sicht sei es aber angezeigt, dass die Transportunternehmen die effektive Nutzung der FVP an die Tariforganisation ch-direct und den VÖV entschädigten. Die effektive Nutzung müsse nicht dem Preis eines GA entsprechen.
In einem Schreiben vom 19. Dezember 2018 an die Tariforganisation ch-direct sei die ÖV-Branche aufgefordert worden, einen Mechanismus einzuführen, mit welchem die effektive Nutzung des FVP erfasst werde. Wie VÖV-Direktor Stückelberger sagte, soll noch im März dazu eine Antwort erfolgen. Er glaubt nicht, dass durch die Vergünstigungen Einnahmen verloren gehen, weil sonst Unternehmen höhere Spesen auszahlen und Löhne anheben müssten.
Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) wehrt sich derweil in einer Medienmitteilung vom Sonntag vehement gegen die Aussagen im Zeitungsbericht. Das GA-FVP sei kein «luxuriöses Gratis-GA» und kein Geschenk, sondern ein Lohnbestandteil, der von den Mitarbeitenden zu versteuern sei.
Die Bedingungen für den Bezug seien kein Privileg, sondern landesüblich, angemessen und korrekt. Andere Schweizer Unternehmen würden ihrem Personal Dienstwagen zur Verfügung stellen, die steuerlich günstiger seien. Zudem sei das GA-FVP kein Geheimnis: Die Konditionen für den Bezug und die Finanzierung seien durch die Branche und die Steuerbehörden klar geregelt. (sda)