So soll es aussehen: Das Projekt «Ensemble» mit Wohntürmen, Stadion und Genossenschaftssiedlung.Bild: HRS REAL ESTATE AG
Die Befürworter eines neuen Fussballstadions liegen laut Umfrage vorne. Nebst Stadtrat, Parteien und Fussballclubs mischen nicht weniger als fünf Komitees im Abstimmungskampf mit. Hier findest du alles Wissenswerte über die Player und ihre Argumente.
30.10.2018, 18:5601.11.2018, 09:33
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Sich über Sinn oder Unsinn eines neuen Stadion zu streiten, ist in Zürich eine beliebte Freizeitbeschäftigung und wird seit 20 Jahren mit Begeisterung betrieben. In dieser Zeit wurden mehrere Projekte entworfen und dann doch wieder fallengelassen. Am 25. November steht nun der dritte Anlauf an. Die Zürcher Stimmbürger entscheiden über das Projekt «Ensemble».
Bei einem Ja würde auf dem Hardturmareal ein von privaten Investoren finanziertes Fussballstadion für 18'000 Zuschauer entstehen. Zusätzlich würden zwei je 137 Meter hohe Hochhäuser mit 570 Wohnungen sowie Büroräumen entstehen sowie eine Genossenschaftssiedlung mit 174 Wohnungen.
So sieht das Projekt «Ensemble» aus
Auf dem Hardturmareal soll ein von privaten Investoren finanziertes Fussballstadion für 18'000 Zuschauer entstehen. Als Gegenleistung dürfen die Investoren auf dem Areal zwei je 137 Meter hohe Hochhäuser mit insgesamt 570 Wohnungen sowie Büroräumen bauen. Die Stadt stellt dafür günstige Baurechte zur Verfügung.
Zusätzlich ist auf dem Hardturmareal eine Genossenschaftssiedlung mit 174 Wohnungen vorgesehen. Darüber hinaus bietet die Credit Suisse – einer der privaten Investoren – der Stadt weitere 125 Wohnungen in fünf Liegenschaften zum Kauf an. Sie sollen für den gemeinnützigen Wohnungsbau genutzt werden. Insgesamt entstünden so 299 gemeinnützige Wohnungen.
So soll der neue Hardturm aussehen: Das Projekt «Ensemble»
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So soll der neue Hardturm aussehen: Das Projekt Ensemble
Das Zürcher Stimmvolk hat mit 53,8 Prozent Ja zum neuen Stadion gesagt: Beim Projekt Ensemble von HRS Investment AG, Immobilienanlagegefässe der Credit Suisse und die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ) werden ein Fussballstadion für 18'500 Zuschauer, zwei Wohn- und Geschäftstürme sowie 174 Genossenschaftswohnungen gebaut.
Gemäss einer am Dienstag veröffentlichten Hochrechnung sind die Befürworter des neuen Stadions in Front. Von den Stadtzürcher Parteien befürworten auf bürgerlicher Seite SVP, FDP, BDP, GLP, EVP, CVP und BDP das neue Stadionprojekt. Auf der linken Seite lehnen es Grüne und SP mehrheitlich ab. Die Alternative Liste hat Stimmfreigabe beschlossen. Doch innerhalb mehrerer Parteien gibt es zahlreiche prominente Abweichler.
Damit du den Überblick nicht verlierst, findest du hier die wichtigsten Befürworter, Gegner und ihre Argumente.
Zürcher Stadtrat
Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) macht Werbung für das neue Stadion.Bild: KEYSTONE
Die Argumente
- Finanzielle Vorteile für die Stadt: Die privaten Investoren würden der Stadt einen jährlichen Baurechtszins von 1,2 Millionen Franken zahlen. Und dies über eine Laufzeit von 92 Jahre. Danach fallen die beiden Hochhäuser gemäss der Heimfall-Regelung zurück an die Stadt, welche die Investoren dann mit 80 Prozent entschädigt. Nach heutigen Berechnungen würde die Stadt 56 Millionen Franken aus dem Heimfallvorteil gewinnen.
- Echtes Fussballstadion: Wie von Fussballfans und den beiden Stadtzürcher Clubs schon lange gewünscht, erhielte die grösste Stadt der Schweiz endlich ein richtiges Fussballstadion.
- Mehr Wohnraum: Auf dem Hardturmareal entstünde Wohnraum für 1500 Menschen. Mit dem Projekt gebe es insgesamt 299 zusätzliche gemeinnützige Wohnungen.
Komitee «Fussballstadion JA»
Rita Fuhrer, Roger Schawinski und Beat Schlatter.Bild: KEYSTONE
Wer dahinter steckt
Die Stadioninvestoren haben für ihre Pro-Kampagne einige Zürcher Persönlichkeiten an Bord geholt. Einer von ihnen ist Medienmacher Roger Schawinski. Er betonte an der Pressekonferenz des Komitees, dass er Zürich den ersten Radio- und Fernsehsender beschert habe, jetzt wolle er sich dafür einsetzen, dass Zürich als letzte Schweizer Stadt ein modernes Stadion erhalte. Daneben sitzen im Komitee etwa Alt-Regierungsrätin Rita Fuhrer (SVP) und Komiker Beat Schlatter.
Die Argumente
- Wichtig für den Sport in Zürich: «Das neue Fussballstadion für die Stadt Zürich ist kein politisches Projekt, sondern ein Projekt für alle Zürcherinnen und Zürcher. Die Frage, ob man ein Stadion will oder nicht, ist keine Frage der politischen Zugehörigkeit, sondern der Begeisterung für den Sport und für die Stadt.»
- Keine Steuergelder: Weder für den Bau noch für den Betrieb des Stadtions entstehen für die Stadt Zürich Kosten.
- Gewaltproblematik kein Argument: Schawinski findet es fatal, wenn man einen Zusammenhang zwischen Stadion und Hooligans herstelle, so wie es die Gegner täten. «Wenn man wegen der Chaoten Nein stimmt, bestraft man die Falschen. Von den 10'000 Fans sind 9800 keine Hooligans.»
«Komitee gegen Höhenwahn» / Komitee «Bürgerliches Nein zum Projekt ‹Ensemble›»
Ein Flyer der Hochhaus-Gegner.Bild: ho
Ihre Haltung:
Nein.
Wegen den hohen Türmen.
Wer dahinter steckt
Im «Komitee gegen Höhenwahn» vertreten sind Bewohner des Zürcher Quartiers Höngg. Dazu gehört ein ehemaliger Heimatschutz-Präsident und FDP-Politiker sowie der Ex-Chefredaktor der «NZZ am Sonntag». Das Komitee befürwortet zwar generell ein Fussballstadion, hat aber Einwände gegen die beiden 137 Meter hohen Wohntürme. Wenn nötig, will die Gruppierung wegen den Hochhäusern bis vor Bundesgericht gehen. Anfang Oktober meldete sich dann ein «Komitee für ein Bürgerliches Nein zum Projekt ‹Ensemble›» erstmals zu Wort. Darin vertreten waren neben einigen Exponenten der Höngger Hochhausgegner auch bürgerliche Politiker aus anderen Stadtquartieren. Dazu gehört CVP-Nationalrätin Kathy Riklin.
Die Argumente
- Bedrohtes Stadtbild: Die beiden zum Stadion gehörenden Türme würden das Stadtbild von Zürich nachhaltig verändern. Die Befürchtung des Komitees: Die Stadt entwickelt sich zu Klein-Manhattan.
- Schattenwurf: Die umliegenden Quartiere, dazu gehört Höngg, würden unter dem Schattenwurf der beiden Gebäude leiden.
- Fangewalt: «Die zunehmende Fangewalt bereitet uns grosse Sorgen», sagte Kathy Riklin im Namen des Komitees. Die Fussballclubs hätten das Hooligan-Problem überhaupt nicht im Griff, was steigende Kosten für Polizei und Sicherheitskräfte verursache. Diese müssten weitestgehend die Steuerzahler berappen.
SP Stadt Zürich
SP-Nationalrätin Jacqueline Badran lehnt das Projekt ab.Bild: KEYSTONE
Ihre Haltung:
Nein – aber Ja zu einem anderen Stadionprojekt
Nachdem sie das Stadionprojekt anfänglich noch unterstützt hatten, ist die Mehrheit der Sozialdemokraten zur lautesten Gegnerin von «Ensemble» geworden – und stellt sich damit gegen die rot-grüne Stadtregierung. Bei ihrer Delegiertenversammlung im August sagten 103 Delegierte Nein zum Stadion, lediglich 24 sprachen sich dafür aus. Eine Mehrheit sprach sich für die Lancierung einer Initiative aus. Titel: «Für ein Fussballstadion ohne Milliarden-Abzocke». Die Initiative will ein Stadion ohne Wohntürme, dafür finanziert durch die Stadt.
Die Argumente
- Luxuswohnungen: Die Stadt Zürich gebe für die beiden Wohntürme günstige Baurechte ab. Doch geplant seien Luxuswohnungen mit Mieten von über 4000 Franken für vier Zimmer oder 100 Quadratmeter.
- Zweifelhaftes Finanzierungskonstrukt: Die SP bemängelt beim aktuellen Projekt die Quersubventionierung des Stadions. Die Querfinanzierung der Kosten des Stadionbaus für die Investoren durch die Wohntürme für die Investoren koste die Steuerzahlenden unter dem Strich über eine Milliarde Franken und sei keineswegs gratis, wie die Befürworter behaupteten.
- Verzögerung: Mit den bereits angekündigten Einsprachen gegen die Hochhäuser werde sich auch der Bau des Stadions um mindestens ein Jahrzehnt verzögern – oder scheitere am Ende ganz. Mit der SP-Initiative für ein durch die Stadt finanziertes Projekt komme Zürich schneller zu einem Stadion.
Linke Flügel
Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne).Bild: KEYSTONE
Wer dahinter steckt
In diesem Komitee haben sich linke Abweichler zusammengeschlossen. Sprich jene linke Politiker, die in der Stadionfrage mit der Mehrheit ihrer Parteikollegen uneins sind und dafür ihre Stadträte unterstützen. Dazu gehören etwa Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli, die Kantonsräte Esther Guyer (Grüne), Markus Bischoff (AL) und Benedikt Gschwend (SP) oder aus dem Gemeinderat Marianne Aubert (SP), Marcel Bührig (SP) und Andreas Kirstein (AL).
Argumente
- Integration: Fussball bringe Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft zusammen und trage damit zur Integration bei. In den Fankurven gestalteten Jugendliche einen Freiraum, in dem sie sich kreativ betätigen könnten.
- Gemeinnütziger Wohnraum: Vom zusätzlichen Wohnraum für 1500 Personen falle rund ein 35 Prozent auf gemeinnützige Wohnungen. Damit liege dieser Anteil höher als beim 2013 gescheiterten, städtisch finanzierten Stadionprojekt «Hypodrom».
- Sonst profitiert die Bank: Die Stadt Zürich hat das Grundstück auf dem Hardturmareal mit der Auflage erworben, dort ein Stadion zu bauen. Tue sie das nicht, falle das Land an die vorige Besitzerin Credit Suisse zurück. In diesem Falle entstünden dort ausschliesslich Renditebauten. Deshalb brauche es den Kompromiss, den «Ensemble» vorsehe.
Die beiden Fussballclubs GC und FCZ
FCZ Präsident Ancillo Canepa und Stephan Anliker, Präsident Grasshopper Club Zürich.Bild: KEYSTONE
Wer steckt dahinter
Die Präsidenten der beiden grossen Zürcher Fussballclubs setzen sich gemeinsam für das neue Stadion ein. Es gehe jetzt um alles oder nichts, sagen Ancillo Canepa, FCZ-Präsident, und Stephan Anliker, Präsident Grasshopper Club Zürich.
Die Argumente
- Finanzen: Die beiden Clubs erhoffen sich, durch das neue Stadion mehr Geld einzunehmen. Einerseits weil die Miete für das Letzigrund wegfallen würde. Andererseits erhoffen sich die Klubs durch die Vergabe des Namensrechts für das Stadion oder etwa den Biervertrag und das Catering zusätzliche Einnahmequellen.
- Bessere Atmosphäre: Das neue Stadion soll mehr Fans zu den Fussballspielen locken.
- Grösserer sportlicher Erfolg: Ein reines Fussballstadion würde dank der Akustik und der Nähe der Fans zum Spielfeld zu 10 bis 15 Punkten mehr in der Meisterschaft verhelfen, sagte Canepa in einem Interview mit der «NZZ».
Komitee «Eltern gegen eine Schule im Schatten»
Wer steckt dahinter
Das Komitee hat Martina Oustwood gegründet. Sie ist um das Wohl der Kinder besorgt, welche die «Schule am Wasser» nahe beim geplanten Stadion besuchen.
Die Argumente
- Stadion raubt den Schülern das Sonnenlicht: Martina Oustwood und ihre Mitstreitern bemängeln, dass nach dem Bau des Stadions die 400 Schüler der Schule am Wasser in Höngg die ganze Zeit im Schatten sein werden.
- Beliebter Freizeitraum und Grünzone fallen weg: Auf dem Areal des alten Hardturm-Stadions sei ein Grünraum entstanden, der auch für viele Veranstaltungen genutzt werde. Vom Vorschlag von Daniel Leupi, Ersatzflächen beim Basislager zu schaffen, hält das Komitee wenig, wie Oustwood gegenüber der «Limmattalerzeitung» sagte: «Das ist direkt neben den Sexboxen. Nur schon diesen Ort vorzuschlagen, finde ich daneben.»
Zürcher Stadtverband für Sport
Wer steckt dahinter
Der Zürcher Stadtverband für Sport (ZSS) vertritt die Interessen der 400 Sportvereine in der Stadt. Die fehlende Sportinfrastruktur bei Rasen- und Hallensportarten stelle ein akutes Problem dar, teilt der Verband mit.
Die Argumente
- Alle Sportarten profitieren: Der ZSS erhofft sich, dass bei einem Ja zum neuen Stadion die Leichtathletik mehr Zeit und Platz im Letzigrund bekommt. Dadurch würden dann auch andere Sportanlagen entlastet.
- Solidarität unter Sportlern: Sportler sollen sich solidarisch zeigen, fordert der Verband und teilt mit: «Heute ist der Spitzenfussball auf die Unterstützung der Zürcher Sportvereine angewiesen. Morgen sind es die Schwimmer, Eiskunstläufer, Unihockeyaner oder Turner, die ein Infrastruktur-Anliegen haben.»
- Mehr Sportinfrastruktur: Durch die private Finanzierung des Fussballstadions könne sich die Stadt auf die Unterstützung des Breitensports und die Jugendsportförderung konzentrieren. Sprich, das «gesparte» Geld in den Unterhalt und Ausbau von anderen Zürchern Sportanlagen investieren.
Wehmütige Bilder aus dem Hardturm
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Wehmütige Bilder aus dem Hardturm
Das Hardturmstadion im Jahr 1925.
(Fotograf: Mittelholzer, Walter)
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Video: srf
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