«Die Ombudsstelle war 2017 massiv überlastet», schreibt Roger Blum im Jahresbericht, den er heute publiziert hat. Wer den Bericht liest, versteht wieso: Für den Ombudsmann der SRG Deutschschweiz war das vergangene Jahr in jeder Hinsicht ein Ausnahmejahr. Die wichtigsten Punkte im Überblick:
Sage und schreibe 827 Beanstandungen erreichten die SRG-Ombudsstelle letztes Jahr – das sind 75 Prozent mehr als noch 2016. Im Schnitt flatterte also alle 10 Stunden eine Beschwerde ins Büro von Ombudsmann Roger Blum.
Das ist nicht nur in der Geschichte der Ombudsstelle SRG Deutschschweiz ein absoluter Rekord. Auch keine der anderen Rundfunk- oder Print-Ombudsstellen in der Schweiz verzeichneten jemals einen solch hohen Wert, wie es im Jahresbericht heisst.
Ein wesentlicher Teil der Beanstandungen ging auf das Konto der «Arena»-Redaktion: Die Sendung mit dem Titel «Trumps Krieg gegen die Medien» vom Februar 2017 war für total 495 Eingaben verantwortlich. Insbesondere die Art, wie Moderator Jonas Projer mit dem umstrittenen Publizisten Daniele Ganser umgegangen war, sorgte für Kritik. Wie es im Jahresbericht heisst, gibt es in der Geschichte der Ombudsstelle keine andere Sendung, die so viele Beanstandungen verursachte.
Und noch ein Novum gab es im Berichtsjahr 2017: Erstmals haben Beiträge über internationale Politik-Themen häufiger Anlass zu Kritik gegeben als Beiträge zur Schweizer Politik. Ombudsmann Blum wertet dies als «Ausdruck einer Gespaltenheit der Bevölkerung in ihrer aussenpolitischen Orientierung».
Zur Israel-Berichterstattung von Radio und Fernsehen SRF organisierte Ombudsmann Blum sogar eine Aussprache, an der sich «eine grössere Anzahl von Kritikern» mit SRF-Vertretern austauschen konnte. Blum macht jedoch kein Geheimnis draus, dass der Nutzen des Treffens eher bescheiden war.
Das Fernsehen ist immer noch das Medium, welches das Blut der Zuschauer am stärksten in Wallung bringt. Zwei Drittel der Beanstandungen richten sich gegen TV-Sendungen, knapp ein Viertel gegen Radiosendungen. Am häufigsten gaben Nachrichten- und Diskussionssendungen wie die «Tagesschau», «10vor10» oder der «Kassensturz» Anlass zu Kritik. Allerdings holt auch der Online-Bereich der SRG kräftig auf: Hatten sich 2016 erst 3,7 Prozent der Beschwerden auf Online-Publikationen bezogen, waren es letztes Jahr schon 12,1 Prozent.
Der Ombudsmann stellt den SRG-Journalisten generell ein gutes Zeugnis aus. In fast 86 Prozent der Fälle kam er zum Schluss, dass die Berichterstattung «sachgerecht, fair, faktentreu und kompetent» war. Alles richtig gemacht haben laut der Ombudsstelle die Redaktionen der «Rundschau» und der Radio-Nachrichten. Alle Beschwerden, die diese Gefässe betrafen, wurden vollständig abgewiesen. Vergleichsweise schlecht ist dagegen die Bilanz der Sendung «Schweiz aktuell»: Jede zweite Beanstandung im Zusammenhang mit der Sendung hat der Ombudsmann ganz oder teilweise unterstützt.
Die Menschen, die letztes Jahr Kritik an Schweizer Radio und Fernsehen übten, brachten ihre Vorwürfe «zunehmend mit der No-Billag-Initiative in Zusammenhang», wie Ombudsmann Blum schreibt. Viele Kritiker hätten mit der Abschaffung der SRG gedroht.
Häufig sei der Einfluss der Ombudsstelle dabei aber überschätzt worden. «Viele Medien-Nutzerinnen und -Nutzer glauben, die Ombudsstelle könne verbindliche Entscheide fällen und im Extremfall sogar die Entlassung von Journalistinnen und Journalisten verfügen.» Dem sei allerdings nicht so.
«Viele sind sich nicht bewusst, dass sie der SRG fälschlicherweise unterstellen, ein Staatsmedium zu sein, aber selber insgeheim ein Staatsmedium herbeiwünschen, in dem das Parlament die Radio- und Fernsehsender an die Kandare nimmt und ihnen strengere Vorgaben macht.»
Die Ombudsstelle beschränke sich jedoch darauf, zu beraten, zu vermitteln und aufzuklären. Die Medienfreiheit sei von entscheidender Bedeutung für die pluralistische und demokratische Gesellschaft, gibt Blum den Lesern des Berichts mit auf den Weg, «denn am Grad der Medienfreiheit misst sich der Grad der menschlichen Freiheit überhaupt».