Das Bankgeheimnis wird in der Schweiz nicht gelockert – vorerst. Damit soll der Matter-Initiative der Wind aus den Segeln genommen werden.
05.11.2015, 06:3005.11.2015, 06:55
Stefan Schmid / Aargauer Zeitung
Die auf Ende Jahr abtretende Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf war in Sachen Gesetzesrevisionen kein Kind von Traurigkeit. In hohem Rhythmus legte die Bündnerin dem Parlament Vorlagen auf den Tisch, häufig vom Ausland angetrieben, manchmal aber handelte sie auch aus eigener politischer Überzeugung. Nebst Anzeichen von Überforderung, provozierte die BDP-Bundesrätin damit zuweilen gehässige Abwehrreaktionen im rechtsbürgerlichen Lager. So ist etwa die Lancierung der Matter-Initiative, die das Bankgeheimnis in die Verfassung schreiben und damit im Inland zementieren will, auf die Politik der Finanzministerin zurückzuführen.
Doch nun, kurz vor ihrem Rücktritt aus der Landesregierung, steht die Finanzministerin aus taktischen Gründen auf die Bremse. Nachdem sie bereits im Juni auf die geplante Modernisierung der Verrechnungssteuer verzichtet hat, legt der Bundesrat nun auch die Revision des Steuerstrafrechts auf Eis. Damit hätten die kantonalen Steuerbehörden erleichterten Zugang zu Bankinformationen von Steuerpflichtigen erhalten. Bei hinreichendem Verdacht auf Steuerhinterziehung hätten neu auch Zeugen einvernommen und schriftliche Auskünfte eingeholt werden können.
Die Revision sah zudem im Notfall Zwangsmassnahmen wie Beschlagnahmungen, Durchsuchungen und Festnahmen vor. Im Kern geht es bei beiden Vorlagen – Verrechnungssteuer wie Steuerstrafrecht – letztlich auch darum, das Bankgeheimnis im Inland zu lockern, um das Steuersubstrat für den Staat zu sichern. Darauf will die Regierung nun aber so lange verzichten, bis die Initiative von SVP-Nationalrat Thomas Matter (ZH) gebodigt ist.
Zuerst Erfahrungen sammeln
Die Matter-Initiative kommt voraussichtlich in der Frühlingssession ins Parlament. Die Volksabstimmung dürfte Ende 2016 oder Anfang 2017 stattfinden. Findet die Initiative bei Volk und Ständen eine Mehrheit, ist ein besserer Zugriff auf Bankdaten auf Jahre hinaus vom Tisch. Das will der Bundesrat, der die Matter-Initiative ablehnt, verhindern.
Gleichzeitig geht es der Regierung offenbar auch darum, zuerst Erfahrungen mit dem automatischen Informationsaustausch (AIA) zu sammeln. Dessen Einführung ist per Anfang 2017 geplant. Mit dem AIA wird das Bankgeheimnis gegenüber dem Ausland aufgehoben. Verlangt eine ausländische Steuerbehörde Auskünfte über Konten in der Schweiz, müssen diese Informationen geliefert werden. Im Rahmen dieses Informationsaustausches könnten auch Daten von Schweizern, die im Ausland über ein Konto verfügen, an Schweizer Steuerbehörden gelangen. Der Nationalrat hat in der vergangenen Herbstsession entschieden, dass hiesige Steuerämter diese Informationen verwenden dürfen – ein Teilsieg für Widmer-Schlumpf, den diese nun nicht mit der Steuerstrafrechtsrevision gefährden will.
In der Zwischenzeit tüftelt eine Expertengruppe, in welcher auch Banken- und Wirtschaftsvertreter sitzen, an Reformvorschlägen für die Verrechnungssteuer. Diese sollen rasch präsentiert und umgesetzt werden, sobald die Matter-Initiative vom Tisch sei, so die Strategie im Bundeshaus.
Matter: «Ein guter Tag»
Der Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter spricht derweil von einem «guten Tag» für den Schutz der finanziellen Privatsphäre in der Schweiz. «Die Regierung hat richtigerweise erkannt, dass sie mit diesem linken Anliegen im neuen Parlament aufgelaufen wäre», sagt Matter. Der bundesrätliche Rückzug zeige, wie wichtig die Bankgeheimnis-Initiative sei.
Die Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer bedauert zwar den Verzicht auf die «wichtige Revision des Steuerstrafrechts». Sie bringt aber Verständnis für die Taktik des Bundesrats auf. «Es ist klug, auf den richtigen Moment zu warten.» Im Moment sei diese Revision nicht mehrheitsfähig. Auf Dauer sei aber eine Ungleichbehandlung von Steuerdaten aus dem Ausland und dem Inland unhaltbar.
So überwacht uns der Staat (11.4.2016)
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