Nachtzüge galten vor wenigen Jahren als eine Art «Wundermittel», um Reisende im Sinne des Klimaschutzes vom Fliegen abzuhalten. Noch vor Jahresfrist sorgten die Pläne des Bundesrats, die im neuen CO2-Gesetz vorgesehenen 30 Millionen Franken pro Jahr für Nachtverbindungen aus Spargründen zu streichen, für Empörung und politische Vorstösse.
Nun wollen die SBB noch einen neuen, vom Bund subventionierten Nachtzug nach Malmö in Schweden anbieten, ab Frühjahr 2026. Die Züge nach Rom und Barcelona sind kein Thema mehr, und die Aufregung hält sich in Grenzen. Denn die Euphorie hat sich europaweit verflüchtigt. Als Alternative zum Flugzeug sind Nachtzüge schlicht zu teuer.
Für die Bahnunternehmen sind sie unrentabel, weil sie nur einmal täglich auf den Schienen verkehren, während Tageszüge im Dauereinsatz sind. Nachtzüge bleiben ein Nischenprodukt für jene, die sich das leisten können und wollen. Die SBB proklamieren deshalb die Kehrtwende: Im internationalen Verkehr setzen sie auf Hochgeschwindigkeit.
Angekündigt wurden die Pläne an der Jahresmedienkonferenz im März. Das bestehende Rollmaterial eignet sich dafür nicht. Der Giruno als schnellster SBB-Zug erreicht nur eine Geschwindigkeit von 250 km/h. Das ist zu langsam für die Highspeed-Netze in Frankreich, Italien und Spanien, wo TGV, Frecciarossa oder AVE bis Tempo 350 erreichen.
Genau dort aber sollen die SBB-Züge unterwegs sein, denn Rom und Barcelona bleiben neben London die Wunschdestinationen für direkte Verbindungen aus der Schweiz, erklärte SBB-Chef Vincent Ducrot im März. Dafür wollen die SBB bis 40 neue Züge beschaffen, und zwar durch Leasing, wie Radio SRF am Mittwoch berichtete.
Als Grund nannte SBB-Sprecherin Fabienne Thommen die angespannte finanzielle Situation, die durch die am Mittwoch veröffentlichten Zahlen für das erste Halbjahr 2025 belegt wird. Mit dem geplanten Leasing habe man Vorteile bei der Profitabilität und beim Schuldendeckungsgrad, sagte SBB-Finanzchef Franz Steiger vor den Medien.
In gewisser Weise würden die Bundesbahnen Neuland betreten, denn das Leasing von Personenzügen ist auf dem europäischen Kontinent bislang unüblich. Daraus ergibt sich ein mögliches Hindernis: Gibt es genügend preislich attraktive Angebote? Die SBB selbst teilten im Juni mit, das Interesse sei «sowohl bei den Herstellern als auch bei den Leasinggebern gross».
Ein weiterer «Prellbock» könnten Sonderwünsche der SBB sein, vor allem im Hinblick auf die Rückgabe nach Ablauf der Leasingfrist. Allerdings dürfte sich die Lust darauf nach den Erfahrungen mit dem Doppelstock-Neigezug FV Dosto in Grenzen halten. Derzeit wird ein Rückbau geprüft, weil die Technologie für den Alltagsgebrauch untauglich ist.
Und schliesslich stellt sich die Frage, wie die ausländischen Konzerne auf die mögliche Konkurrenz aus der Schweiz reagieren. Mit dem im Rahmen der Bilateralen III mit der EU aufdatierten Landverkehrsabkommen würde die Schweiz ihr Schienennetz für europäische Anbieter öffnen, allerdings mit Einschränkungen. So hat der einheimische Taktfahrplan zwingend Vorrang.
Ausländische Anbieter müssen Halbtax und GA respektieren und die Schweizer Arbeitsbedingungen einhalten. Die anfangs skeptische Bähnlergewerkschaft SEV unterstützt deshalb das Abkommen, doch für europäische Bahnunternehmen mindert dies die Attraktivität der Schweiz. Das könnte sich auf die Expansionspläne der SBB in Europa auswirken.
Für die SBB stehen weiterhin Kooperationen mit Partnerbahnen im Vordergrund. Sie hätten sich bewährt, hiess es am Mittwoch. Eigene Hochgeschwindigkeitszüge könnten dabei als «Verhandlungsmasse» dienen. Allerdings verfügen die SBB im Vergleich mit Nachbarländern über eine nicht sehr einheitliche Flotte, was den Aufwand für den Unterhalt erhöht.
Die Idee mit eigenen Zügen für das Hochgeschwindigkeitsnetz als Alternative zu Nachtzügen wirkt bestechend. Man braucht immer noch mehr Zeit als mit dem Flugzeug, doch es ist eine angenehme Art des Reisens. Der Autor dieser Zeilen fuhr kürzlich mit dem Zug von Zürich via Mailand nach Neapel und zurück und würde es jederzeit wieder tun.
Dennoch müssen einige Fragen geklärt werden. Vor 2030 würden die geleasten SBB-Züge ohnehin nicht verkehren, und im Fall von London dürfte es wegen des Aufwands mit Grenzkontrollen an den Ausgangsbahnhöfen länger dauern. Selbst das Leasing ist nicht in Stein gemeisselt und ein Kauf laut SBB «noch nicht ausgeschlossen».
Der Zug startet in Neapel und braust mit 350 km/h via Rom zur schweizer Grenze. Und dann tuckert er mit gemächlichen 120 durch das schweizer Ländle😅 weil die Geleise gar nicht geeignet sind.