Die Überraschung war gross, als in der Schweizer Hitparade vom 9. Oktober die völlig unbekannte Band glb (good looking boys) aus Aarau die Top 10 knackte und mit ihrem Album «Turn Up» Platz 5 stürmte. Geschlagen nur von Yello, den Schwiizergoofe, Céline Dion und Bon Iver, aber noch vor internationalen Stars wie Passenger, Eric Clapton, Van Morrison oder Bruce Springsteen
Für eine Newcomer-Band ist das sehr beachtlich. «Leider hat es nicht für Platz 1 gereicht», sagte damals Koray Sanchez selbstbewusst gegenüber der «Nordwestschweiz» und setzte die Ziele hoch: «Wir wollen der heisseste Export-Schlager seit DJ Bobo werden.»
Hitparaden sind Gradmesser für den Erfolg und ein wichtiges Werbemittel. Wer in den Charts platziert ist, wird in der Regel auch in den Radios gespielt. Recherchen der «Schweiz am Sonntag» stellen den Hitparaden-Erfolg von glb aber infrage. Wie der Online-Shop cede.ch bestätigt, sind gegen hundert ausgelieferte CDs von glb mit dem Vermerk «Nie bestellt!» an cede.ch zurückgeschickt worden.
Nochmals so viele CDs sind bis heute von ihren Abnehmern nicht bezahlt worden und mussten gemahnt werden. «Das geht eindeutig über das normale Mass hinaus», sagt Philippe Stuker, der Geschäftsleiter von cede.ch. Mit anderen Worten: Auf der Liste von glb waren Adressen von Leuten, die die CD gar nie kaufen wollten.
Wie ist das möglich? Wie konnte das passieren? «Wir haben mit Schweizer Bands und Sängern ein Agreement, wonach sie bei uns Bestelllisten von Abnehmern ihrer CD einreichen können», erklärt Stuker. Das hat für die Bands den Vorteil, dass die CDs bei der Auslieferung für die Schweizer Hitparade gezählt werden. «Viele Bands machen von diesem Angebot Gebrauch. Doch wir hatten noch nie irgendwelche Probleme», betont Stuker.
Der Hauptteil von 650 CDs wurde über die glb-Bestellliste via cede.ch ausgeliefert und für die Hitparade erfasst. Dazu kamen 21 CDs über ex libris und einige Downloads bei iGroove, iTunes und googleplay. Aufgrund der vielen Rückgaben und Mahnungen stimmen bei glb aber die ausgewiesenen Zahlen nicht mit den effektiven Verkaufszahlen überein. Auf Anfrage konnte sich Koray Sanchez von glb die Ungereimtheiten nicht erklären, beteuerte aber, «im besten Wissen und Gewissen vorgegangen zu sein».
Gemäss Hitparadenreglement liegt ein Missbrauch dann vor, «wenn Verkaufszahlen vorgetäuscht, unterschlagen, gefälscht oder verfälscht werden». Media Control, die für die Erhebung der CH-Hitparade verantwortlich ist, schaltete deshalb den für solche Missbräuche zuständigen Kontrollbeauftragten, den Rechtsanwalt Herbert Pfortmüller, ein.
Der Kontrollbeauftragte war gnädig. Er spricht zwar von Manipulation, hat aber bei glb kein «signifikantes Fehlverhalten» festgestellt und lässt es bei einer Verwarnung bewenden: «Die Band konnte nach meinem Dafürhalten glaubhaft darlegen, dass ihre private Verkaufsförderung nicht in der Absicht geschah, die Charts zu manipulieren. Ich habe ihnen aber zu bedenken gegeben, sich künftig noch vermehrt des schmalen Grats zwischen solcher privater Verkaufsförderung und versuchter Chartmanipulation bewusst zu sein.»
Auch cede.ch ist versöhnlich und verzichtet bei den unbezahlten Rechnungen auf ein Verfahren. Das Agreement mit den Bands wird aufgrund des Falls aber angepasst. Künftig haften Bands für allfällig entstandenen Schaden. (aargauerzeitung.ch)