Lemmy, was soll das eigentlich? Das mit dem Nazi-Kram?
Oder vielleicht kannst du's mir sagen, John Lennon? Keith Richards? Jimmy Page?
Wehrmachts-Abzeichen, SS-Offiziersmützen, Hakenkreuze ... immer wieder schmückte Plunder aus dem Dritten Reich die stolz erhobenen Häupter der Rock'n'Roll-Herrenmenschen. Dies freilich, ohne dass die Träger einer Nazi-Ideologie nacheiferten. Nein, Hakenkreuz und Co., das war und ist für sie vor allem eines: Provokation.
Wer und wie denn genau? Nun, fangen wir doch bei den «All You Need Is Love»-Chefpredigern der Beatles an, genauer beim Posterboy aller Blumenkinder: John Lennon.
Bei der Fotosession für das ikonische Cover des Jahrhundertalbums «Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band» lautete der Auftrag an alle vier Bandmitglieder, Persönlichkeiten zu nennen, die ihnen persönlich wichtig waren, um das Gruppenfoto zusammenzustellen. Es kam eine spannende, eklektische Auswahl zustande: Shirley Temple, Diana Dors oder C.G. Jung etwa waren dabei. John Lennon schlug zwei ziemlich kontroverse Charaktere vor: Jesus Christus und Adolf Hitler. Schnell einigte man sich darauf, Jesus wegzulassen – Lennons Bemerkung ein Jahr zuvor, die Beatles seien «grösser als Jesus», hatte bereits für genug Aufruhr gesorgt. Den Gröfaz konnte man ihm aber nicht so schnell ausreden. Es wurde eine Hitler-Schablone aufgestellt, wie im obigen Foto sichtbar. Tatsächlich schaffte es der Karton-Führer auch aufs Foto, allerdings im Cover-Shot nicht mehr sichtbar (er steht hinter Johnny Weissmüller, der hinter Ringo steht).
Derweil, bei den Kollegen Rolling Stones, war da mal diese Sache hier:
Jap, das ist Stones-Gitarrist Brian Jones mit Freundin Anita Pallenberg. Entstanden ist dieses Foto 1966 für die norwegische Illustrierte Børge.
Okay, und weshalb genau dieser Aufzug, «Skandale und Puppen» und so? Brian dazu:
Vielleicht nicht, Brian, aber reichlich naiv, das bist du.
Weiter im Text mit Keith Moon, seines Zeichens legendärer Schlagzeuger von The Who:
Moon the Loon (Moon der Spinner) war sicherlich kein Nazi-Sympathisant. Vielmehr war er schlicht ein notorischer Rabauke, der Riesengaudi dabei empfand, wenn er tagelang in die Rolle von Wüstenfuchs Erwin Rommel oder Adolf Hitler schlüpfen konnte. In dieser Garbe ging er gerne mit Kumpels auf Pub-Tour oder in Restaurants.
Und dann war da noch Led-Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page. Auch er wohl kaum Nazi, fühlte er sich doch wie viele seiner Rock'n'Roll-Kollegen doch sehr vom «Bösen», das die Nazi-Ikonografie ausstrahlte, hingezogen. Du willst ein Bad Boy sein? Nichts ist böser als das Regime, das die industrielle Tötung gesamter Volksgruppen unternahm, so wohl die Logik.
Mehrmals trat Page mit SS-Mütze, Reithosen und Offiziersstiefeln auf. Auch privat schmückte er sich gerne mal mit Abzeichen und Ähnlichem ...
... was übrigens Rolling-Stones-Gitarrist Nummer Zwei auch gerne tat.
Hey, Keith, das ist imfall das Ehrenkreuz der deutschen Mutter. Du Doofian.
So, zwei Rolling Stones hätten wir also. Gibt's da noch mehr? Ach, ja, der hier wäre noch:
«Destroy» und ein Hakenkreuz – womit sich Mick Jagger offenbar als total hip zeigen wollte. Er schloss sich dem Trend an, der damals, Ende der 70er, alle beschäftigte: Punk.
Gestatten, das ist Modedesignerin Vivienne Westwood in ihrem selbst entworfenen «Destroy»-T-Shirt. Sie und Malcolm McLaren verkauften Mitte der 70er solche mit Hakenkreuz verzierten Punk-Klamotten in ihrem Kleiderladen Sex an der Londoner King's Road.
Einer der Kunden war ein damals noch unbekannter Sid Vicious.
Womit wir bei der spezischen Punk-Variante der Rock'n'Roll-Aneignung von Nazi-Ikonografie wären: Noch plakativer – und noch widersprüchlicher. Wie kam es, dass Leute wie Malcolm McLaren, selbst Jude, Hakenkreuz-T-Shirts auf den Markt brachten? Weshalb störte sich die Jüdin Nancy Spungen nicht am T-Shirt ihres Partners Sid Vicious?
Zur Rock'n'Roll-Rebellion gehörte seit je her das Kokettieren mit dem «Bösen» dazu. Beim Punk kam noch Verachtung dazu: Verachtung für die Elterngeneration, die selbsternannte «grösste Generation», die im Krieg gegen die bösen Krauts gekämpft hatte und den Kids nun vorschreiben wollte, wie sie sich gefälligst zu benehmen hätten. Was eignete sich besser dazu, deren blanken Hass zu provozieren, als das am negativsten konnotierte Symbol aller Zeiten?
Sängerin Siouxsie Sioux blickte Jahre später auf Fotos wie das obige zurück:
Ian Curtis und seine Joy Division benutzten gleich die Grafik von Hitler-Jugend-Propaganda-Plakaten. Und, ach ja, der Bandname bezog sich auf das düstere Kapitel der KZ-Lagerbordelle.
Und dann wäre da noch unser aller Lemmy:
Der allseits beliebte Motörhead-Frontmann machte zeitlebens nie einen Hehl aus seinem Nazi-Memorabilia-Hobby. O-Ton Lemmy:
Zugleich stellte Lemmy kategorisch fest, dass er «Antikommunist, Antifaschist, Anti- jegliche Extreme» sei. Er behauptete, Nazi-Krimskrams zu sammeln «als Sicherheitsventil, um diese Regierungsform zu hindern, jemals wieder zu entstehen». Ähnlich argumentierte Vivienne Westwood auch, als sie sagte, es ging ihr darum, das Hakenkreuz zu entmystifizieren.
Da wurden also Ironie, Parodie, Flirt mit dem Bösen, Rebellion gegen die Elterngeneration oder quasi-politische Sicherheitsventile als Argumente ins Feld geführt. Trotzdem war und bleibt es problematisch, ein hässlicher Fleck auf der Coolness-Weste des Rock'n'Rolls. Man kann das Kokettieren mit dem Nazi-Kram drehen und wenden wie man will – am Ende ist es schlicht geschmacklos.