Menel
Was für ein Blödsinn! Die Krebsforschung gefährdet ja auch nicht die Solidarität mit krebskranken Menschen.
Längst nicht alle Paare können sich den Kinderwunsch auf natürlichem Weg erfüllen. Eine Gesetzesänderung soll ihnen helfen: Indem das Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) aufgehoben wird. Die zehn wichtigsten Fragen zur Abstimmung vom 5. Juni.
PID ermöglicht genetische Untersuchungen an Embryonen. Können Eltern bald Haar- und Augenfarbe ihrer Kinder auswählen?
Nein. Solche Tests sind auch nach Annahme der Vorlage strikt verboten. Das Gesetz will zwar das PID-Verbot aufheben, Tests an Embryonen wären aber nur in zwei konkreten Fällen erlaubt: Wenn ein Paar mit einer schweren Erbkrankheit vorbelastet ist und es diese nicht an seine Kinder weitervererben will. Oder: Wenn ein Paar unfruchtbar ist und es alle Wege ausgeschöpft hat, um sich den Kinderwunsch auf natürlichem Weg zu erfüllen.
Wie funktioniert PID?
Der Frau werden Eizellen, dem Mann werden Spermien entnommen. Der Arzt befruchtet die Eizelle ausserhalb des Mutterleibs, im Reagenzglas (in vitro). Die befruchteten Eizellen reifen zu Embryonen, wobei rund die Hälfte abstirbt. Nach etwa fünf Tagen, bevor sie eingepflanzt werden, untersucht der Arzt die Embryonen und eruiert jene, die defekt sind oder eine Erbkrankheit tragen – und schliesst sie von der Behandlung aus. Für die Frau sinkt so das Risiko einer Tot- oder Fehlgeburt. Für das Kind steigt wiederum die Chance, gesund zur Welt zu kommen.
Bereits heute können Kinder im Reagenzglas gezeugt werden. Wieso braucht es dafür PID?
Von rund 80'000 Kinder, die jährlich in der Schweiz zur Welt kommen, wurden etwa 2000 mittels künstlicher Befruchtung gezeugt. Heute darf der Arzt maximal drei Eizellen befruchten und er darf sie weder reifen lassen noch untersuchen. Das heisst: Am Tag nach der Befruchtung muss er die Eizellen der Frau einpflanzen – ohne zu wissen, ob sie entwicklungsfähig sind. Das Risiko einer Fehlgeburt ist hoch. Und weil oft mehr als eine befruchtete Eizelle eingesetzt wird, erhöht sich zwar die Chance auf eine Schwangerschaft, aber auch jene auf risikoreiche Mehrlingsschwangerschaften. Neu darf der Arzt so viele Embryonen entwickeln, wie zur Behandlung notwendig sind (maximal zwölf). Dann entscheidet er mittels PID, welches Embryo in den Mutterleib übertragen wird. Die anderen werden eingefroren.
Was passiert mit den restlichen Embryonen?
Defekte Embryonen werden vernichtet. Hingegen können jene, die sich gut entwickelt haben, eingefroren und neu mehr als fünf Jahre lang im Kühlschrank aufbewahrt werden. Falls also die Schwangerschaft beim ersten Versuch nicht zustande kommt oder ein neuer Kinderwunsch auftaucht, können eingefrorene Embryonen aufgetaut und für einen neuen Versuch eingesetzt werden. So wird der Frau keine unnötige Hormontherapie zugemutet.
Wie viele Embryonen werden dadurch vernichtet?
Laut Bundesrat ist das schwer abzuschätzen. Schon heute werden rund 2000 Embryonen pro Jahr nicht eingepflanzt, weil die Frauen es sich anders überlegen, krank sind oder wegen zu hoher Belastung mit der Behandlung aufhören.
Was kosten solche Tests?
Eine künstliche Befruchtung kostet zwischen 5000 und 10'000 Franken pro Behandlung. Die PID-Tests kosten nochmals zusätzlich zwischen 5000 und 10'000 Franken. Die Paare müssen beide Behandlungen aus der eigenen Tasche bezahlen.
Wie viele Paare können von den Tests profitieren?
Der Bundesrat rechnet mit 50 bis 100 Paaren, die sich als Träger einer schweren Erbkrankheit für PID entscheiden. Hinzu kommen mehrere hundert Paare, die unfruchtbar sind. Dass sich wegen der Erlaubnis von PID-Tests nun mehr Paare für künstliche Befruchtungen entscheiden, ist zwar möglich, aber unwahrscheinlich. Abgesehen vom finanziellen Aufwand ist die Behandlung für Frauen psychisch und physisch sehr belastend. Im Vergleich zu heute gäbe es aber gerade für Paare mit Erbkrankheiten eine deutliche Verbesserung. Heute sind Tests in der zwölften Schwangerschaftswoche erlaubt, bei einem fünf Tage alten Zellklumpen hingegen nicht. PID verhindert letztlich eine «Schwangerschaft auf Probe».
Das Volk hat der PID vor einem Jahr zugestimmt. Wieso müssen wir nochmals darüber abstimmen? Im Juni 2015 stimmten 61,9 Prozent der Bevölkerung der Aufhebung des PID-Verbots zu. Damals ging es um die Verfassungsänderung, jetzt geht es ums Gesetz, das den Anwendungsbereich genauer regelt. Weil das Gesetz den Gegnern zu weit geht, haben sie das Referendum ergriffen.
Was spricht gegen das Gesetz?
Die Gegner befürchten, dass durch die PID Eltern, Ärzte und Laboranten in Zukunft über wertes und unwertes Leben entscheiden können. Durch PID sind nicht nur Erbkrankheiten, sondern auch Chromosomenanomalien wie Trisomie 21 erkennbar. Die Gegner warnen, dass die Tests die Solidarität mit behinderten Menschen gefährde.
Was passiert bei einem Nein?
Die Aufhebung des PID-Verbots kann nicht rückgängig gemacht werden. Das Parlament müsste aber ein neues Gesetz beschliessen. Das könnte dauern: An der aktuellen Vorlage arbeitete es 15 Jahre lang.