Wenn der Weltuntergang kommt, so behauptet ein alter Witz, muss man in die Schweiz gehen – dort geschieht nämlich alles zehn Jahre später. In gewissen Dingen, man denke an das Frauenstimmrecht, ist das sogar eine Untertreibung. Doch die Schweiz kann auch anders. Eine Vielzahl von Innovationen und Erfindungen beweisen, dass in diesem Land nicht nur Kühe und Bankkonten gedeihen.
Vergiss Disney. Vergiss sogar Wilhelm Busch oder «Little Nemo» von Winsor McCay: Lange vor ihnen gab es Rodolphe Töpffer. Der Genfer zeichnete schon 1827 komische Bildgeschichten, die ab 1833 publiziert wurden und über die Goethe sagte: «Es ist wirklich zu toll! Es funkelt alles von Talent und Geist! Einige Blätter sind ganz unübertrefflich!»
Töpffer verwendete als einer der ersten Panels, er entwickelte die Bildsprache des jungen Mediums weiter und experimentierte mit Bildgrössen und Speedlines. Zusammen mit dem schottischen Magazin «The Glasgow Looking Glass», das 1825 erstmals erschien, ist Töpffer der Begründer der Comic-Tradition.
«Turbo» – das Kurzwort verheisst Leistung und Schnelligkeit. Und es steht für eine Schweizer Erfindung, die schon über 100 Jahre alt ist: 1905 meldete der Ingenieur Alfred Büchi ein Patent für den Turbolader an. Diese «Gleichdruck- oder Stauaufladung» kam in den 30er-Jahren erstmals in Strassenfahrzeugen zum Einsatz.
Der Turbo, wie er bald umgangssprachlich genannt wurde, macht die Abgase eines Verbrennungsmotors nutzbar, indem sie eine Turbine antreiben, die wiederum einen Verdichter antreibt, der die angesaugte Luft vorverdichtet. Damit steigt der Wirkungsgrad des Motors deutlich.
Gleich geht's weiter mit den Schweizer Innovationen, vorher ein kurzer Hinweis:
Und nun zurück zu unseren Erfindungen ...
Schon 1862 stellte Franz Bauer in Zürich-Unterstrass feuerfeste Geldkassen her. Ab 1918 produzierte die Firma nach diversen Turbulenzen und Übernahmen in Wetzikon Sicherheitsschlösser. Die entscheidende Innovation aber kam 1934: Kaba 8. Erfinder dieses Schlüssels ohne Bart und Zacken, der sich auch umgedreht ins Schloss einführen liess, war der Werkleiter Fritz Schori.
Der Wendeschlüssel mit Senkbohrung machte nach dem Zweiten Weltkrieg aus der mittelständischen Firma einen börsennotierten Konzern mit tausenden von Mitarbeitern weltweit. Erfinder Schori erlebte diesen Erfolg nicht mehr mit – er starb 1945.
Vielleicht erfand Walter Steiner den Wäscheschirm Stewi (das Kurzwort steht für «Steiner Winterthur»), weil er als Junge seiner Mutter mühsam die Wäscheleine aufspannen und mit Stangen stützen musste. Auf jeden Fall wurde aus der Wäschespinne, die Steiners 1947 gegründete Firma herstellt, ein Kultobjekt.
«Stewi bringt der Hausfrau gute Laune», so lautete der Werbeslogan, und tatsächlich steht das praktische Ding heutzutage in den Gärten fast der gesamten Schweiz. Ab 1962 kam der Wäscheständer für drinnen dazu.
Eine ganze Generation von Programmierern ist mit «Pascal» gross geworden. Entwickelt hat die Programmiersprache Niklaus Wirth. Der Elektroingenieur und Informatiker lehrte an der ETH, baute «Lilith», den ersten Personal Computer (PC) der Schweiz, und bildete die erste Generation von Informatikern aus.
Bereits während seines Studiums an der Universität von Kalifornien in Berkeley entwickelte Wirth mit «Algol W» eine Programmiersprache, 1970 folgte dann «Pascal». Diese heute noch verwendete Programmiersprache brachte ihm Weltruhm und ein Dutzend Ehrendoktortitel ein. Auch nach seiner Pensionierung hat Wirth weiter an Programmiersprachen gearbeitet – zuletzt an einer Neufassung von «Oberon», das er schon 1988 entwickelt hatte.
Kaffeekapseln sind ein Wachstumsmarkt: Mittlerweile beträgt ihr Anteil 17 Prozent an den Verkäufen. Dabei hatte das System einen schlechten Start: 1976 patentiert, aber erst zehn Jahre später auf den Markt geworfen, waren die Kapseln zunächst ein Flop. Als der Erfinder Eric Favre seinen Vorgesetzten beim Nahrungsmittelkonzern Nestlé das neue System vorführte, waren diese alles andere als begeistert. «Sie hatten Angst, dass das Produkt dem Nescafé Konkurrenz machen würde», erinnert sich Favre.
Obwohl man ihm verboten hatte, weiter daran zu arbeiten, entwickelte Favre das Kapselsystem weiter – bis er die Konzernspitze davon überzeugen konnte. Der kommerzielle Erfolg stellte sich allerdings erst ab den 90er-Jahren ein, nachdem Nestlé Favre ausgebootet hatte. Der gründete flugs sein eigenes Kaffeekapsel-Unternehmen. Mittlerweile teilt sich eine ganze Reihe von Kapselanbietern den Markt auf.
Seit 1981 kann man einzelne Atome beobachten. Das verdanken wir dem Rastertunnelmikroskop, das damals erfunden wurde. Gerd Binnig und Heinrich Rohrer vom IBM-Forschungslabor in Rüschlikon bauten das Gerät, um damit Unregelmässigkeiten in dünnen Oxidschichten auf Metalloberflächen zu studieren. 1986 erhielten die beiden für ihre Erfindung den Nobelpreis für Physik.
Das Rastertunnelmikroskop kann Unregelmässigkeiten einer Oberfläche im Nanobereich messen, indem eine elektrisch leitende Spitze in einem Raster über die ebenfalls leitende Probe gefahren wird. Der Abstand ist dabei so klein, dass die Elektronenwolken der Atome sich berühren. Elektronen können daher von der Probe zur Spitze fliessen («tunneln»). Der schwache Strom, der dabei fliesst, ist messbar; seine Stärke hängt von der Distanz zwischen Spitze und Probe ab. Aus den einzelnen Linien des Rasters kann dann ein dreidimensionales Bild zusammengesetzt werden.
Michael Näf wollte mit seinen Freunden zusammen essen gehen, aber die Suche nach einem Termin, der allen genehm war, gestaltete sich schwierig. Da erfand der Informatiker kurzerhand einen Online-Terminplaner, mit dem die Nutzer sich schnell und unkompliziert über einen gemeinsamen Termin abstimmen können. Das war 2003.
Als gut drei Jahre später bereits 200'000 Nutzer pro Monat auf den Dienst zugriffen, machte Näf aus seinem Hobby-Projekt eine Firma. 2007 gründete er mit dem Elektroingenieur Paul Sevinç die Online-Plattform Doodle (zu deutsch «Gekritzel»). 2015 griffen pro Monat bereits 20 Millionen Menschen auf Doodle zu. Heute gehört die Firma mehrheitlich der Tamedia AG.
Ein Schweizer Putzdienst fürs All – wäre es nicht wahr, man würde glauben, es sei ein Witz. Aber tatsächlich sind Forscher des Swiss Space Center an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (EPFL) in Lausanne damit beschäftigt, eine Mission ins All vorzubereiten, die dort mal tüchtig aufräumen soll. Denn im Orbit um die Erde kreisen mittlerweile gewaltige Mengen Weltraumschrott, der für die Raumfahrt zunehmend eine Gefahr darstellt.
«Clean Space One», wie der Mini-Satellit heisst, soll nach seiner Lancierung im Jahr 2018 zunächst zwei kleine Schweizer Forschungssatelliten einfangen, die am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sind. Bei Erfolg könnten dann weitere Missionen folgen. Der Mini-Orbiter ist nur wenig grösser als seine mit 28'000 Kilometer pro Stunde durchs All rasende «Beute». Nachdem er diese mit einer Art Netz eingefangen hat, erfolgt ein kontrollierter Absturz und die beiden Flugkörper verglühen in der Atmosphäre.
Das Rote Kreuz ist so schweizerisch geprägt, dass es sogar unsere Nationalfahne übernommen hat – einfach als Negativ. Begründer der ältesten und wichtigsten humanitären Organisation der Welt war der Genfer Geschäftsmann Henry Dunant.
Er rief 1863, traumatisiert von den Schrecken, die er bei der Schlacht von Solferino erlebte, das «Internationale Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege» ins Leben, aus dem das «Internationale Komitee vom Roten Kreuz» (IKRK) entstand. Obwohl seit 1993 auch Nicht-Schweizer im Komitee Einsitz nehmen dürfen, ist dessen Mehrheit nach wie vor solide schweizerisch.